Alessandro Zanardi bei den Paralympischen Spielen in Rio: Der Countdown läuft

Alessandro Zanardi
Alessandro Zanardi © BMW/Alex Photo/Guido De Bortoli

Die Vorbereitungen von Alessandro Zanardi (IT) für Rio de Janeiro (BR) sind in vollem Gange. Vom 7. bis 18. September wird der BMW Markenbotschafter zum zweiten Mal an den Paralympischen Spielen* teilnehmen. 2012 hatte er bei den Spielen in London im Para-Cycling im Einzelzeitfahren und im Straßenrennen zwei Goldmedaillen gewonnen – ein Erfolg, den er in diesem Jahr in Rio de Janeiro gerne wiederholen würde. Im Interview spricht Zanardi über seine Vorbereitungen, seine Herangehensweise an seine zweiten Paralympischen Spiele und seine Erwartungen für Rio de Janeiro.

Alessandro, wie kommen Sie mit Ihren Vorbereitungen für Rio voran?

Alessandro Zanardi: „Ich bin zufrieden damit, wo ich im Moment stehe. Der Plan ist, zu diesem Zeitpunkt des Jahres in einer ordentlichen Form zu sein – und dann im September in der besten Form. Ich bin auf jeden Fall ermutigt durch die Resultate und Erfolge, die ich bislang erreicht habe. Im Mai hatten wir einen Weltcup in Belgien, bei dem ich zwei Siege geholt habe – im Straßenrennen und mit meinen Teamkollegen in der Teamstaffel – sowie im Einzelzeitfahren Zweiter war. Diese Veranstaltung war ziemlich wichtig, weil es für mich die einzige Gelegenheit war, mich mit dem Rest des Starterfeldes zu messen.“

Gibt es bestimmte Bereiche, auf die Sie sich in Ihrer Vorbereitung besonders konzentrieren?

Zanardi: „Ein bisschen auf alles. Es ist nicht einfach, denn ich weiß, dass ich zwar genau die gleiche körperliche Fitness erreichen kann wie früher, ich aber im Vergleich zu meiner vorherigen Teilnahme an den Paralympischen Spielen nicht mehr so flexibel bin. Es ist schwieriger, mich zu erholen, wenn ich es mal übertreibe. Deshalb muss ich mehr Aufmerksamkeit auf kleine Details legen und darauf, in meiner Trainingsroutine nicht zu überziehen. Allerdings bin ich auf der anderen Seite auch erfahrener, als ich es damals war. Wenn ich einmal einen schlechten Tag habe und mich nicht zu 100 Prozent fit fühle, weiß ich, dass es trotzdem laufen wird. Dass ich nach einer kleinen Pause wieder in die gleiche konditionelle Verfassung kommen werde, die ich vorher hatte. Ich weiß auch, dass man, wenn man wirklich hart arbeitet, ein bisschen warten muss, bis sich das Resultat dieser Arbeit zeigt. Denn dein Körper reagiert nicht sofort, sondern langsam auf das Training. Nimmt man all das zusammen, habe ich eine sehr, sehr gute Basis und einen guten Startpunkt, um meine Kondition aufzubauen. Andererseits weiß ich, dass ich den Rest des Feldes nicht mit purer Stärke und Widerstandsfähigkeit besiegen kann. Deshalb muss ich natürlich auch viel Aufmerksamkeit der Ernährung und all den technischen Aspekten in der Weiterentwicklung meines Handbikes widmen, um optimal gerüstet zu sein und ein gutes Ergebnis holen zu können.“

Ist die Herangehensweise eine andere, weil es jetzt Ihre zweiten Paralympischen Spiele sind und Sie vier Jahre mehr Erfahrung haben?

Zanardi: „Am Ende des Tages ist es das Wichtigste, Spaß zu haben. Wenn man zu hart arbeitet und alles, was man tut, nur auf die Idee ausgerichtet ist, das bestmögliche Ergebnis mit nach Hause zu bringen, dann wird es sehr, sehr schwer sein, eine gute Leistung abzuliefern. Natürlich sehe ich auch schon Rio de Janeiro am Horizont, aber ich habe es noch nicht eilig, dorthin zu kommen. Denn ich habe Spaß an dem, was ich jeden Tag mache: Training, mich um mein Equipment kümmern, mich um meinen eigenen Körper kümmern, wenn ich zum Abendessen am Tisch sitze, einfach zu versuchen, mich um alle möglichen Aspekte gut zu kümmern. Und mit Blick auf strategische Dinge am Renntag selbst würde ich sagen, dass ich jetzt ein besserer Athlet bin als ich es damals war. Ich habe jetzt viele Rennen im Para-Cycling bestritten, ich bin kein Newcomer mehr. Ich kenne meine Gegner und weiß daher auch genau, vor wem ich am meisten Respekt haben muss und wie ich versuchen kann, sie zu schlagen. Ich weiß, dass ich das schon viele Male geschafft habe und hoffe, dass ich es noch ein weiteres Mal tun kann.“

Wie viel Zeit wenden Sie pro Woche für Training und Vorbereitung auf?

Zanardi: „Zu diesem Zeitpunkt im Jahr sind es sechs Tage pro Woche und zwischen zwei und drei Stunden pro Training. Ich werde dann noch eine kleine Pause machen, was nicht bedeutet, dass ich nicht mehr mit dem Bike fahre, aber es werden eher entspannte Einheiten sein, um den Memory-Effekt meiner Muskeln zu erhalten. Aber ich muss versuchen, ein bisschen Kondition zu verlieren, um dann für September eine noch bessere aufbauen zu können. Ende Juli, Anfang August wird dann die heiße Phase des Jahres für mich sein. Nicht nur, weil es dann Sommer ist, sondern weil ich wirklich hart arbeiten muss.“

Wer gehört zu dem Team um Sie herum und hilft Ihnen bei der Vorbereitung?

Zanardi: „Da habe ich meinen Trainer Francesco, der immer alles verfolgt, was ich mache. Wir sprechen täglich miteinander am Telefon, und er weiß immer genau, was ich mache. Denn immer, wenn ich trainiere, lade ich meine Trainingspläne am Computer herunter, und er kann genau sehen, welche von den Aufgaben, die er mir für den Tag gestellt hat, ich gut oder schlecht ausgeführt habe. Dann habe ich noch das italienische Para-Cycling-Team, zu dem ich gehöre, mit dem ich vor den Paralympics eine Menge Zeit verbringen und ins Trainingslager gehen werde. Und dann habe ich glücklicherweise die technische Hilfe und Unterstützung vieler Freunde und Partner, die mir helfen, mein Handbike weiter zu verbessern. Und die mich außerdem im physischen Bereich unterstützen – einen Mann, der auf die 50 zugeht und versucht, die bestmögliche Leistung zu bringen. Zudem kommen mir einige Ideen in Gesprächen mit BMW Ingenieuren, die echte Freunde von mir sind. Alle diese Dinge können zusammengenommen wirklich einen kleinen, aber vielleicht den entscheidenden Unterschied machen. Denn am Ende des Tages kann manchmal eine Sekunde darüber entscheiden, ob man gewinnt oder verliert.“

Was wissen Sie über die Charakteristik der Strecken?

Zanardi: „Von dem, was ich auf Karten gesehen oder von Leuten gehört habe, die in Brasilien waren, weiß ich, dass die Strecke, auf der wir sowohl im Straßenrennen als auch im Einzelzeitfahren antreten werden, komplett flach ist, weil sie an der Küste im Süden von Rio de Janeiro entlang führt. Deshalb wird die Aerodynamik ein sehr wichtiger Aspekt sein. Ich habe schon viel Arbeit auf diesen Punkt verwendet, verschiedene Sitzpositionen ausprobiert und ähnliches. Die Charakteristik der Strecke wird beeinflussen, wie die Rennen laufen. Nicht so sehr im Zeitfahren, aber ganz besonders im Straßenrennen. Das wird eine lockere Spazierfahrt, ein sehr taktisches Rennen und dann vielleicht ein enger Sprint auf den letzten 300 Metern.“

Sie haben bereits zwei Goldmedaillen von den Paralympics. Ist es Ihr klares Ziel, diesen Erfolg zu wiederholen, oder wollen Sie lieber abwarten und schauen, was in Rio passiert?

Zanardi: „Ich glaube wirklich, dass es technisch gesehen möglich ist, Gold im Einzelzeitfahren und im Straßenrennen zu gewinnen. Aber ich weiß auch, dass es jeden Tag schwerer wird, nicht nur, sich zu verbessern, sondern auch die Leistung zu halten, die ich gestern noch zeigen konnte. Denn ich bin inzwischen fast 50 Jahre alt, und ich kann sehen, dass es mir im Vergleich zum vergangenen Jahr manchmal ein bisschen schwerer fällt, mich zu erholen. Aber wie gesagt, ich weiß, dass ich technisch gesehen, wenn ich alles korrekt durchführe, ich wieder auf dem gleichen Niveau kämpfen kann wie im letzten Jahr. Und auf dem Niveau vom letzten Jahr habe ich bei den Weltmeisterschaften Gold im Einzelzeitfahren und im Straßenrennen gewonnen. Also ja, ich denke, es ist möglich. Aber natürlich ist es auch möglich, dass ein junger Athlet im Einzelzeitfahren so viel aus seinen Armen herausholt, dass er unbesiegbar ist. Aber ich muss daran glauben, dass ich etwas wiederholen kann, was ich in der Vergangenheit schon geschafft habe. Und dass das gut genug sein könnte, um wieder Gold in beiden Wettbewerben zu gewinnen.“

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