Dr. Feelgood: Cannabis als Medizin

19789292756_f9647cd01f_z
Cannabispflanze. Foto: CC BY 2.0, James St. John

Fast drei Viertel der Deutschen hält Cannabis oder Haschisch für eine illegale Einstiegsdroge und geht davon aus, dass deren Konsumenten auch einmal zu härteren Drogen greifen werden. Doch das aus der Hanf-Pflanze gewonnene Cannabis wird häufig zu Unrecht verurteilt. Maßvoll dosiert, kann es insbesondere für MS-Kranke, Querschnittgelähmte, Aids- und Krebspatienten einen vielseitigen Nutzen bieten.

Hanf ist ein natürliches Produkt und erzielt medizinische Erfolge bei Appetitlosigkeit, chronischen Schmerzen, Depressionen, Glaukom, Herzbeschwerden, Spastiken, Panikattacken, Schlafstörungen und lindert die Nebenwirkungen bei Chemotherapien. Für viele Patienten ist der Einsatz von Cannabis mit den medizinisch bedeutendsten Cannabinoiden THC (Tetrahydro-Cannabinol) und CBD (Cannabidiol) der letzte Strohhalm, nachdem andere Arzneien ihren Beschwerden keine Linderung verschafften.

Lindernde Wirkung lange bekannt

Schon 2737 Jahre vor Christus hat der chinesische Kaiser Shen Nung das Cannabis als Heilmittel u.a. bei Verstopfung, Gicht, Malaria und Rheumatismus empfohlen. Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098–1179) soll Hanf nach Überlieferung als Medizin in ihren Schriften erwähnt haben. In die europäische Schulmedizin fand Cannabis Einzug über den 1839 veröffentlichten Bericht des irischen Arztes William Brooke O’Shaughnessy (1809–1890), der im Rahmen seiner ärztlichen Tätigkeit während seiner Stationierung im indischen Kalkutta eine schmerzstillende, krampflösende und muskelentspannende Wirkung nach Anwendung von Cannabis Indica (indischer Hanf) feststellte. Weiterhin empfahl er die Behandlung von Rheuma, Cholera und Tetanus mit Cannabis.

Schlechter Ruf

Mitschuldig an dem schlechten Ruf, der in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstand, nachdem es Jahrtausende zuvor völlig selbstverständlich meist medizinisch genutzt wurde, ist der Medien-Tycoon William Randolph Hearst. Nachdem viele Kulturen das aus der Hanfpflanze gewonnene Cannabis als medizinisches Heilmittel verabreichten, startete Hearst über seine zahlreichen Zeitungen eine Kampagne gegen Marihuana, „der gefährlichsten Droge seit Anbeginn der Menschheit“. Grund dieser Kampagne war jedoch nicht der Schutz der Menschen vor dem damals allein schon wegen seiner geringen Konzentration von THC nicht wirklich gefährlichen Cannabis, sondern wirtschaftliches Interesse. Hearst, vor 100 Jahren einer der reichsten Männer der Welt, war Waldbesitzer und Papiermühlen-Magnat. Hanf, der sich auch hervorragend als Grundstoff zur Papierherstellung eignet, stellte durch neuartige Erntemaschinen eine bedrohliche Konkurrenz für sein Geschäft dar. 1937 wurde in den USA ein Verbot von Marihuana durchgesetzt. Weitere Länder folgten.

Legalisierung in den USA

Rehabilitiert wurde Cannabis 1944, als in den USA der so genannte La-Guardia-Report erschien. Der Bericht eines vom New Yorker Bürgermeister eingesetzten Expertenkomitees kam zu dem Ergebnis, dass viele dem Marihuana-Konsum zugeschriebene negative soziologische, psychologische und medizinische Auswirkungen nicht bestätigt werden konnten.

Daraufhin hatte der Leiter der damaligen US-amerikanischen Drogenbekämpfungs-behörde Federal Bureau of Narcotics (FBN), Harry J. Anslinger, angedroht, jegliche weitere Forschungsarbeiten zu Cannabis hart zu bestrafen.

Nachdem der Stoff jahrzehntelang nur auf der Straße, mit dem Risiko „geschnappt“ zu werden, oder im liberalen Amsterdam erhältlich war, gab es 1996 in Kalifornien einen Vorstoß. Ärzte konnten nun beispielsweise bei Rückenschmerzen eine Medical Marijuana Identification Card ausstellen, mit der man in sogenannten Medical Cannabis Stores sein „Arzneimittel Cannabis“ in den verschiedensten Darreichungsformen und Stärken bekam.

Dort wurden neben den Produkten zum Inhalieren auch Cookies, Schokolade, Lollies, Tee oder Öl angeboten. Seit 2014 ist der Erwerb und Konsum in verschiedenen amerikanischen Staaten legal und entwickelt sich zu einem mächtigen Wirtschaftsfaktor und einer lohnenden Steuerquelle.

Deutsches Recht

In Deutschland wird der Besitz zwischen 6 und 10 Gramm, je nach Bundesland, als geringe Menge straffrei geduldet. Der Handel ist verboten. Rund 300 Schmerzpatienten dürfen mit einer medizinisch attestierten Ausnahmegenehmigung Cannabis über ihre Apotheke beziehen, was mit rund 600 Euro im Monat jedoch sehr kostspielig ist. Seit 2014 dürfen solche Patienten Cannabis auch zum Eigenbedarf selbst anbauen.

Der Autor dieses Artikels nutzt Cannabis bei einer hohen Querschnittlähmung als Mittel gegen Missempfindungen/Phantomschmerzen und zur Vermeidung von Muskelkrämpfen. Es verhilft ihm ebenso zu einem ruhigen Schlaf und zeitweise auch zu einer gelösten Stimmung.

P1060554
Mit dem Vaporizer wird das Cannabis nicht verbrannt, sondern vernebelt. Foto: AWS

Inhalation über Vaporizer

Die beste Darreichungsform von Cannabis ist die Inhalation, möglichst über einen Vaporizer. Bei der Vernebelung werden, anders als bei der Verbrennung von Cannabis gemischt mit Tabak beispielsweise durch einen Joint, angeblich keine krebserregenden Stoffe erzeugt. Ein weiterer Vorteil ist, dass hierbei keiner der wertvollen Wirkstoffe durch die Verbrennung verloren geht.

Cannabis wird von vielen Konsumenten auch psychoaktiv genutzt um „high“ oder „breit“ zu werden. Das erzeugt bei vielen Menschen das Bild eines abwesend auf der Couch sitzenden Kiffers, der der Realität entfliehen möchte. Cannabis ist auch unter Jugendlichen weit verbreitet und wird meist zu Rauschzwecken konsumiert. Das birgt gerade in jungem Alter die Gefahr von Entwicklungsstörungen. Außerdem besteht hier eine höhere Wahrscheinlichkeit an Schizophrenie zu erkranken, sofern eine diesbezügliche Veranlagung vorliegt.

Für Betroffene von Appetitlosigkeit, Angstzuständen, Alkoholismus, Abmagerung, Schmerzen, Allergien, Juckreiz, Spastik, AIDS, Krebs, Epilepsie, Asthma, Migräne, Arthritis, Glaukom, Morbus Crohn, Entzündungen, Tourette-Syndrom, Übelkeit und Erbrechen, Bewegungsstörungen und psychischen Erkrankungen kann Cannabis unter ärztlicher Aufsicht als natürliche Alternative eingesetzt werden.

Fazit des Autors: Jeder Patient mit ernsthaften Beschwerden sollte selbstbestimmt abwägen können, ob ihm Cannabis Linderung verschafft. Wenn dies der Fall ist, muss er dieses auch zu einem fairen Preis oder aus dem Selbstanbau beziehen können.

AWS

Dieser Artikel erschien im RehaTreff.
Hier können Sie ein kostenloses Probeheft oder ein Abo bestellen (18 €/Jahr für vier Ausgaben)
Rehatreff_2_2015_Titel

Weitere Artikel

Letzte Beiträge