Ganzheitliche Therapie hilft Frauen mit Inkontinenz

Frau Prof. Dr. Reisenauer
Frau Prof. Dr. Reisenauer: Ganzheitliche Therapie hilft Frauen mit Inkontinenz

Für die Betroffenen von Inkontinenz bedeutet ihr Leiden häufig eine schwerwiegende Einschränkung der Lebensqualität. Von einer Beeinträchtigung der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben bis hin zur Isolation – der unkontrollierte Harnverlust hat sowohl körperliche als auch seelische Auswirkungen. Umso wichtiger ist es, bei einer Therapie die ganze betroffene Person im Blick zu haben, so die Deutsche Kontinenz Gesellschaft in einer Mitteilung.

Die Harninkontinenz ist vor allem unter Frauen ein weit verbreitetes Leiden: Jede dritte Frau ist betroffen. Obwohl sie bei allen Altersstufen auftreten kann, nimmt die Erkrankung mit dem Alter stetig zu. Unter den 80-Jährigen sind Frauen im Verhältnis zu Männern mit drei zu eins in der Überzahl. Doch: Harninkontinenz ist kein unabwendbares Schicksal. „Es gibt heute eine Reihe erfolgsversprechender Behandlungsmöglichkeiten, die den Betroffenen Hilfe oder sogar die vollständige Wiedererlangung der Körperkontrolle ermöglichen. Wichtig ist dabei vor allem die ganzheitliche Behandlung von Betroffenen“, sagt Prof. Dr. Christl Reisenauer, leitende Ärztin der Sektion Urogynäkologie an der Universitäts-Frauenklinik Tübingen und zweite Vorsitzende der Deutschen Kontinenz Gesellschaft.

 

Ganzheitliche Therapie

Insbesondere bei älteren Menschen müsse das Auftreten von Harninkontinenz als multifaktorielles Geschehen gesehen werden. Allen voran spielten physiologische Altersveränderungen des Gehirns sowie altersabhängige Krankheitsbilder und damit verbundene Medikamente eine Rolle. „Die Therapie der Harninkontinenz darf sich deshalb nicht nur auf die Blasenfunktion konzentrieren, sondern muss die ganze betroffene Person individuell im Blick haben“, betont Prof. Dr. Reisenauer. Voraussetzung für eine individuelle Therapie ist ein ausführliches Arztgespräch, wobei das Hauptproblem der Patientin erfasst wird. Dem folgt die gynäkologische Untersuchung, bestehend aus Ultraschalluntersuchung und – falls nötig – einer Blasenspiegelung. Eine Blasendruckmessung ermöglicht zudem eine Unterscheidung der beiden Hauptformen der Inkontinenz, Belastungs- und Dranginkontinenz. Anhand der Befunde kann der Arzt dann zusammen mit der Patientin verschiedene Behandlungsmöglichkeiten besprechen und einen individuellen Therapieplan erstellen. Dieser sollte bestmöglich auf die Lebenssituation der Betroffenen angepasst werden.

 

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten

Zur Behandlung der Belastungsinkontinenz, die am meisten verbreitete Form der weiblichen Harninkontinenz, ausgelöst durch einen Anstieg des Druckes im Bauch (etwa durch Husten, Niesen, Lachen), bei dem der Schließmuskel dem erhöhten Blasendruck nicht mehr standhalten kann, stehen sowohl konservative als auch operative Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Bei leichteren Formen reichen meist konservative Behandlungsformen aus. Dazu gehören Beckenbodentraining, Anwendung von Östrogenen oder der Einsatz von speziellen und individuell angepassten Pessaren. Sollten diese Methoden nicht den gewünschten Behandlungserfolg erzielen, kann in der Regel ein operativer Eingriff helfen. Dabei stehen heute mehrere Operationsverfahren zur Verfügung: die Schlingenoperation, die Kolposuspension, Harnröhrenunterspritzungen (urethral bulking agents) und der künstliche Schließmuskel. Die am häufigsten angewendete Methode ist dabei die Schlingen-OP, also die Anlage eines spannungsfreien Scheidenbandes. Der Eingriff kann in örtlicher Betäubung erfolgen.

Eine Dranginkontinenz, der Urinverlust in Verbindung mit einem häufigen, nicht zu unterdrückenden Harndrang, kann etwa durch Erkrankungen der Harnblase wie Harnwegsinfekte, Blasensteine oder –tumore hervorgerufen werden. Eine andere Ursache ist eine überaktive Blasenmuskulatur, deren Ursache wiederum meist neurologischer oder psychosomatischer Art ist. In solchen Fällen müssen diese zugrundeliegenden Krankheiten therapiert werden, andere Ursachen werden medikamentös behandelt. Dabei sollen die Medikamente die Blasenmuskulatur entspannen. „Zusätzlich empfiehlt es sich immer, ein Miktionsprotokoll, welches Auskunft über Trinkmenge, Harnmenge und die Zeiten des Wasserlassens gibt, zu führen sowie ein Toilettentraining. Das heißt zu trainieren, erst zur Toilette zu gehen, wenn wirklich der Drang zur Blasenentleerung da ist. Dabei soll das Gefühl für die Blase zurückerlangt und somit der optimale Zeitpunkt für die Blasenentleerung gefunden werden“, rät Prof. Dr. Reisenauer. Miktionsprotokolle können beispielsweise auf der Website der Deutschen Kontinenz Gesellschaft unter www.kontinenz-gesellschaft.de heruntergeladen werden. Sollten diese konservativen Methoden nicht ausreichen oder eine Unverträglichkeit bei medikamentöser Behandlung vorliegen, bleiben die Implantation eines „Blasenschrittmachers“, die sogenannte sakrale Neuromodulation, und die Botulinum-A-Toxin-Injektion in den Blasenmuskel als Therapieoption für eine Dranginkontinenz.

 

Unterschätzte Therapiemethode: Gewichtsreduktion

Eine weitere Möglichkeit, gegen eine bestehende Harninkontinenz vorzugehen, ist die Gewichtsabnahme bei übergewichtigen Frauen. Eine Studie zeigte, dass etwa fünf bis zehn Prozent des eigenen Körpergewichts abzunehmen, die gleiche Wirkung hat wie andere nicht-operative Maßnahmen. Insgesamt konnte die Gewichtsreduktion bei allen an der Studie teilnehmenden Frauen die wöchentlichen Episoden der Harninkontinenz um 54 Prozent senken.

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