Jetzt erst recht!

Helmut Zettler, Vater von drei Kindern, war der Meinung,
in der Selbstständigkeit die Erfüllung gefunden zu haben. Bis zu einem Sturz vom Gebäude. Die Diagnose: Querschnittlähmung. Im Glauben fand er neue Kraft.

,,Ich segle mit der Kraft Gottes“

Galt es nach der Reha noch Barrieren zu überwinden?
Zusammen mit meiner Frau hatte ich vor dem Unfall eine Schreinerei gegründet. Schon nach einem Jahr war ich gezwungen, durch einen Anbau den Betrieb zu vergrößern. Dann kam der Sturz. Ich wollte mir in meinem neuen Leben nicht selber im Wege stehen. Mein gelebtes Motto: „Jetzt erst recht“ wurde durch den Rollstuhl noch verstärkt. Mit dem Einbau von einem Treppenlift, dem barrierefreien Badezimmer und neu angelegten Wegen, waren auch die baulichen Barrieren schnell beseitigt. Ein VW-Bus T5 mit Hebebühne machte mich auch beruflich wieder mobil.

Wie ging Ihr Umfeld, vor allem Ihre Kinder, mit dem Schicksal um?
Durch meine Mitarbeit in der Kirchengemeinde und als Feuerwehrmann kannten mich viele Leute. Das Eis der Ungewissheit, wie man mit mir weiter umzugehen hatte, musste erst gebrochen werden, indem ich an gemeindlichen Festen, in der Kirche oder bei der Feuerwehr präsent war und Freundschaften pflegte. Als Rollifahrer fand ich später im neu gegründeten Chor in erster Reihe beim Bass meinen Platz. Beim Singen verspürte ich Zufriedenheit. Die Bühnen waren nie barrierefrei, Auftritte und eine Afrikareise nach Uganda wurden für alle Beteiligten eine Herausforderung, doch das Publikum honorierte die Vielfalt an Persönlichkeiten im Chor. Menschen mit Handicap sind Teil der Gesellschaft und wie diese mit dem schwächsten Glied umgeht, wird zur Messlatte. Für meine Kinder war nur der Unfall selbst ein Schock, weil sie erstmal Ängste bei allen Menschen spürten. Später war es für meine beiden Töchter und meinen Sohn völlig normal, dass der Papa Rollstuhlfahrer ist. Deren Freunde lernten mich kennen und fanden, dass ihr Papa ja echt cool drauf sei. Meine Frau Marita musste viele Einbußen wegzustecken
lernen, mit ganz neuen Voraussetzungen für unser Eheleben.

Wie gestaltet sich Ihr „neuer“ Alltag?
Nach dem Unfall stellte ich noch fünf Jahre barrierefreie Küchen her. Darauf fand ich als Hilfsmittelberater für die Manfred Sauer GmbH eine Anstellung. Beruflich öffneten sich mir neue Türen. Auch zum freien Handelsvertreter für ein Bauunternehmen hatte ich es gebracht. Ich lernte den christlichen Glauben ganz neu und kraftvoll kennen, als ich mein Leben Gott übergab. Über die Jahre meiner Selbstständigkeit konnte ich mich finanziell festigen, das ermöglichte mir, mich auch um Menschen kümmern zu können, die Hilfe benötigen. Im Café Brücke bin ich regelmäßig für den Verein Notausgang tätig. Als Rollstuhlfahrer komme ich schnell mit den Menschen ins Gespräch. Vor einigen ­Jahren gründete ich zusammen mit einer Bekannten eine LBV-Kindergruppe (Landesbund für Vogelschutz), um Kindern Pflanzen und Tiere wieder näherzubringen und mehr Bewusstsein für unsere Schöpfung zu vermitteln. In den renovierten Werkstatträumen treffen wir uns bei schlechtem Wetter für Arbeiten mit Holz. Mit der Gründung eines Männerkreises ist mein Leben mit viel Gemeinschaft gut ausgefüllt.

Sie haben das Buch „Schatzsuche auf Raten“ geschrieben. Was war Ihre Intention?
Schon in der Klinik Murnau hatte ich den Wunsch, ein Buch zu schreiben, da es für mich wichtig war, meine Erfahrungen in Beziehung, Freizeit und Beruf an andere Betroffene weiterzugeben. Das Zurückschauen auf erfolgreiche geschäftliche Jahre, wie auch auf Zeiten von Niederlagen, durfte ich 17 Jahre später als einen Schatz erleben, der mein Herz und mein Denken veränderte. Ich bin ein anderer Mensch geworden und durfte die Fragen nach dem Sinn des Lebens und ob es nach dem Tod noch etwas gibt, ganz auf den Grund gehen. Heute weiß ich, wieviel davon abhängt.

Was ist Ihr Lebensmotto?
Mein Leben mit Gott zu gehen, mit dem Wissen, von ihm einzigartig geliebt zu sein. Ich weiß, dass mein Leben erfüllt ist, wenn es von Gott gesegnete Wege sind.

 

Selbstverlag Helmut Zettler
Birkenweg 12, 87740 Buxheim
ISBN 978-3-00-064719-2,
8 Euro

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