Mit dem Rücktritt von Holger Glinicki endet eine Ära

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Holger Glinicki während der Paralympics 2016 in Rio de Janeiro. Foto: Andreas Joneck

Bereits vor zwei Jahren angedeutet und in 2015 noch einmal bekräftigt, ist Holger Glinicki, langjähriger Trainer der erfolgreichen deutschen Damen-Nationalmannschaft, nun von seinem Posten zurückgetreten.

Der 64-jährige Hamburger blickt auf insgesamt 316 Länderspiele als Head-Coach und 56 als Co-Trainer zurück, in denen er mit seinem Team elfmal Edelmetall bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Paralympischen Spielen gewann.

„Dieser Schritt ist natürlich keine spontane Entscheidung gewesen und stand eigentlich schon seit zwei Jahren fest. Die Paralympics im September waren mit der Silbermedaille dann ein großartiger Abschluss“, blickt Glinicki aufgeräumt und ohne Wehmut zurück und ergänzt: „Natürlich habe ich nach Rio noch einmal alles sacken lassen, bin mir aber sicher, dass dies nun der richtige Zeitpunkt ist“.

Begonnen hatte für den 105-fachen Nationalspieler, der 1988 in Seoul selbst das Trikot der deutschen Nationalmannschaft trug, das Abenteuer Bundestrainer“ im Jahr 2002 bei der damaligen WM im japanischen Kitakyushu. Zunächst als Co-Trainer des heutigen U23-Bundestrainers Peter Richarz, übernahm der damals 53-Jährige vor den Weltmeisterschaften 2006 in Amsterdam das Zepter bei den deutschen Damen.

Schon zuvor bei den Paralympics 2004 in Athen deutete sich eine neue große Generation in Reihen der deutschen Damenauswahl an, die bereits mit Glinickis Einstand zwei Jahre später WM-Bronze holen sollte. Was folgte ist eine beeindruckende Serie, bei der die deutsche Damen-Nationalmannschaft zehn Jahre lang bei allen großen Turnieren im Endspiel stand. So sammelte der bekennende Hamburger von der EM 2007 im hessischen Wetzlar bis zu den XV. Paralympics in diesem Jahr in Rio de Janeiro insgesamt vier Europameistertitel sowie Paralympics-Gold 2012 in London. Zudem stand er und sein Team 2013 in Frankfurt/Main im EM-Finale, 2010 in Birmingham und 2014 in Toronto im WM-Endspiel sowie 2008 in Peking und 2016 in Rio im Endspiel der Paralympis. Ein Rekord für die Ewigkeit, den nur das Team selbst im kommenden Jahr bei der EM auf Teneriffa ausbauen kann.

„Der wichtigste Titel war natürlich der Triumph in London bei den Paralympics, da gibt es keine Zweifel. Doch der schönste Erfolg war sicher der EM-Titel als klarer Außenseiter im Endspiel von Worcester“, freut sich Holger Glinicki noch heute diebisch über seinen taktischen Schachzug, der 2015 in Großbritannien für entsetzte Gesichter beim Dauerrivalen Niederlande sorgte. So ließ sich der Trainerfuchs immer wieder etwas einfallen, mit dem weder die hochkarätige Konkurrenz noch seine eigene Mannschaft oftmals rechneten. „Bei einem so langen Zeitraum bleibt dir gar nichts anderes übrig, als immer wieder nach neuen Ideen und Gedanken zu suchen, damit die unvermeidbaren Abnutzungserscheinungen im tagtäglichen Geschäft nicht zu schwer wiegen“, so der scheidende Cheftrainer weiter. Und dies ist im bestens gelungen, was nicht nur die elf Medaillen in seiner Amtszeit eindrucksvoll belegen.

„Mit Holger Glinicki verliert der deutsche Rollstuhlbasketball einen seiner erfolgreichsten Trainer. Über viele Jahre hat er die deutsche Damen-Nationalmannschaft mit seinem absoluten Leistungswillen angeführt und kontinuierlich zu Medaillen geführt.

Wir danken Holger sehr für seine erbrachten Leistungen, da sie den Stellenwert des Rollstuhlbasketballs in Deutschland auf ein noch nie dagewesenes Niveau gehoben haben“, so der leitende Bundestrainer Rollstuhlbasketball, Nicolai Zeltinger, über seinen norddeutschen Kollegen: „Es freut uns natürlich sehr, dass Holger der Sportart als Trainer, durch sein Engagement bei der BG Baskets Hamburg erhalten bleibt“.

Nun steht für die seit einem Jahrzehnt weltweit erfolgreichste Damen-Nationalmannschaft mit dem Ende der Ära Glinicki ein großer Umbruch an, da dem Karriereende von Annika Zeyen eventuell weitere Rücktritte von altgedienten Spielerinnen folgen könnten. Kein leichtes Amt mit großen Fußstapfen für einen möglichen Nachfolger, den der Deutsche Behindertensportverband e.V. in Kooperation mit dem Deutschen Rollstuhl-Sportverband e.V. nun sucht.

Hierzu erfolgt in den nächsten Tagen die rechtlich notwendige öffentliche Ausschreibung des Postens ab Januar 2017. Mit der EM im kommenden Juni auf der spanischen Kanareninsel Teneriffa, der wichtigen WM 2018 in Hamburg und den Paralympics 2020 in Tokio, stehen die nächsten Großereignisse bereits vor der Haustür.

Andreas Joneck

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