Monoskifahrerin Anna-Lena-Forster im Interview

Foto: Ralf Kuckuck, DBS-Akademie
Foto: Ralf Kuckuck, DBS-Akademie

Anna-Lena Forster gewann in der zurückliegenden Saison den Gesamtweltcup, und auch im Slalom, im Super-G und in der Abfahrt konnte die für den BRSV Radolfzell startende Paralympics-Athletin den Disziplinen-Gesamtweltcup für sich entscheiden. Die 21-Jährige studiert im vierten Semester Psychologie an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg.

Trotz langer Abwesenheit während der Wettkampfsaison im Winter konnte sie die Orientierungsprüfungen in den ersten beiden Semestern abschließen und somit die Doppelbelastung von Spitzensport und Studium erfolgreich meistern. Nun steht Forster zur Wahl zum „Sport-Stipendiat des Jahres“ der Deutschen Sporthilfe.

Du hast in der zurückliegenden Saison vier Gesamtweltcup-Kugeln mit nach Hause genommen. War das Deine bisher erfolgreichste Saison?

Es war eine sehr gute Saison, von den Erfolgen her auch für mich überraschend. Aber die Medaillen bei den Paralympics 2014 in Sotschi schätze ich noch höher ein, paralympisches Edelmetall zählt auf jeden Fall mehr. Fairer Weise muss man auch sagen, dass ein Teil meiner stärksten Konkurrentinnen nicht alle Rennen mitgefahren sind. Aber ich habe mich definitiv in dieser Saison weiterentwickelt, bin noch mehr in der Weltspitze angekommen. Konkurrentinnen aus den USA und Japan, die bei der WM 2015 noch vor mir lagen, habe ich dieses Mal hinter mir gelassen. Zum ersten Mal seit 2014 bin ich auch wieder Abfahrt gefahren, da wollte ich mich eigentlich erst nur wieder ran tasten, jetzt hab ich gleich den Gesamtweltcup gewonnen.

Worauf führst Du diese Leistungssteigerung zurück?

Ich bin physisch besser geworden, auch technisch gereift. Und natürlich bekomme ich mit der Zeit und jedem weiteren Training mehr Erfahrung. In den letzten Jahren und auch letzten zwölf Monaten habe ich aber auch an meinem Monoskigerät immer wieder Veränderungen und Optimierungen vorgenommen. Auf die muss ich mich immer neu einstellen und gewöhnen. Das verlangt sowohl eine körperliche Anpassung als auch eine psychische Anstrengung. Jetzt hat es sich ausgezahlt.

Welche Rolle spielt der Monoski? Bist Du Dein eigener Mechaniker und tüftelst daran ähnlich intensiv wie beispielsweise ein Rennrodler?

Parallelen gibt es da sicherlich, beides ist wahrscheinlich ähnlich komplex. Für mich besteht das Problem, dass die Monoski eigentlich für Querschnittsgelähmte konzipiert sind. Meine Behinderung sieht dagegen etwas anders aus. Mir fehlt seit der Geburt das rechte Bein, auf der linken Seite ist mein Oberschenkel kaum ausgebildet, auch die Hüfte ist nicht ganz vollständig. Deshalb muss ich schauen, dass ich den Monoski bestmöglich auf mich anpasse. Der vielfache Paralympicssieger Martin Braxenthaler hat mir da in der Vergangenheit viel geholfen. Momentan teste ich ein neues Monoskigerät aus, da die Verbesserungsmöglichkeiten mit meinem alten ausgeschöpft sind. Das nimmt sehr viel zusätzliche Zeit und Kosten in Anspruch.

Parallel zum Sport studierst Du seit zwei Jahren Psychologie in Freiburg. Wie empfindest Du die Doppelbelastung?

Für mich ist es sehr anstrengend und nur durch viele Kompromisse möglich. Im Winter bin ich rund 90 Tage, also ungefähr die Hälfte des Semesters in den Bergen unterwegs. Da kann ich mich keiner Lerngruppe anschließen und muss somit alle Inhalte selbst erarbeiten – auch wenn meine Kommilitonen sehr hilfsbereit sind. Es bedeutet aber vor allem auch, dass ich die Anwesenheitspflichten nicht einhalten kann. Zum Glück kommt mir die Uni da sehr entgegen, so dass ich die Fehlzeiten entweder durch Zusatzaufgaben kompensieren kann oder das Seminar über zwei Wintersemester belege. Letzteres passt mir nicht so gut, weil sich dadurch natürlich mein Studium verlängert, auf rund zehn bis zwölf Semester.

Aber ich muss froh sein, dass mir hier überhaupt entgegen gekommen wird. Ganz ehrlich, wenn ich einen Wunsch frei hätte, dann würde ich mich gerne vier Jahre mal nur auf den Sport konzentrieren. Sport ist meine Leidenschaft, das würde ich gerne eine Zeit lang unbeschwert ausleben, mit mehr Zeit und Freiheiten. Auch zu einer Sportstelle bei der Bundeswehr oder der Polizei würde ich nicht nein sagen, aber da sind die Plätze für Behindertensportler leider zu eingeschränkt. Gleichzeitig bin ich aber froh, dass ich mit diesen Kompromissen Sport und Studium meistern kann, damit ich nach meiner sportlichen Karriere den Beruf ausleben kann, der mich wirklich interessiert.

Weißt Du schon, in welchem Bereich Du später einmal tätig sein willst?

Die Sportpsychologie interessiert mich sehr, aber da sind nach meinen Informationen die Stellen recht beschränkt. Von daher liebäugele ich auch mit dem Feld Arbeitspsychologie oder Personalmanagement. Wohin es genau gehen soll, werde ich hoffentlich bei meinen kommenden Praktika herausfinden. Im August mache ich einen Teil meines Pflichtpraktikums, allerdings auch dort bereits wieder mit einem Kompromiss: Anstelle von vier aufeinanderfolgenden Wochen absolviere ich nur drei, weil es Ende August schon wieder auf den Gletscher geht. Zum Glück kann ich das Praktikum splitten und die vierte Woche im September nachholen. Und dann beginnt schon wieder die heiße Vorbereitungszeit auf die Skisaison.

Welche Ziele hast Du dafür, auch für die Paralympics 2018 in Pyeongchang?

Bis dahin habe ich hoffentlich die optimalen Anpassungen für mein neues Monoskigerät gefunden. Und dann will ich mindestens die Erfolge von 2014 wiederholen, noch lieber natürlich toppen!

Deutsche Sporthilfe/AWS

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