Vertrauen schaffen – Teilhabe ermöglichen und finanzieren!

ParagraphenDie Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen des Bundes und der Länder haben eine gemeinsame Erklärung zur aktuellen Diskussion um die Finanzierung des Bundesteilhabegesetzes und der Reform der Eingliederungshilfe veröffentlicht. Hier der genaue Wortlaut: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ ist seit 1994 in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes verankert. Zur Umsetzung dieses Benachteiligungsverbotes wurden in der Folge zahlreiche Gesetze geändert. Weg von der Fürsorge, hin zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe. Dazu gehören das Sozialgesetzbuch IX, die Behindertengleichstellungsgesetze des Bundes und der Länder und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.  Und seit 2009 ist die UN-Behindertenrechtskonvention geltendes Recht in Deutschland, das Inklusion und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe als umfassendes Leitbild vorgibt.
Das Bundesteilhabegesetz mit der Reform der Eingliederungshilfe ist in dieser Legislaturperiode das wichtigste Vorhaben der Bundesregierung in der Politik von und für Menschen mit Behinderungen. Die Teilhabeleistungen für Menschen mit Behinderungen aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe herauszulösen und in ein modernes, an Inklusion und Selbstbestimmung ausgerichtetes Leistungsrecht umzugestalten ist das Versprechen an die Betroffenen. Durch diese Reform wird die UN Behindertenrechtskonvention weiter umgesetzt in Deutschland.
Dabei ist die Koppelung zwischen dem notwendigen Bundesteilhaberecht und der Entlastung der Kommunen ein deutliches Zeichen, das sich ernsthaft etwas verändern soll. Die Kommunen leisten den wesentlichen Beitrag zu den steuerfinanzierten Sozialleistungen. Mit Besorgnis müssen wir erkennen, dass gerade die sozialen kommunalen Systeme der Daseinsvorsorge diese in finanzielle Not bringen. Die Koppelung der kommunalen Entlastung sowie eines wirklichen Teilhabegedankens macht uns als Vertretung der Menschen mit Behinderungen zu Verbündeten mit den Kommunen.
Seit 2013 laufen die Vorbereitungen für eine umfassende Teilhabegesetzgebung und die Reform der Eingliederungshilfe. Die verschiedenen Interessensgruppen und besonders die Selbstvertretung der Menschen mit Behinderungen wurden in den letzten Monaten intensiv beteiligt. Die Bundesregierung setzt mit diesem umfassenden Beteiligungsprozess den Grundsatz „Nichts über uns ohne uns“ um. Anfang März diesen Jahres wurden Vereinbarungen der Koalitionsspitzen bekannt, einen anderen Weg zur kommunalen Entlastung einzuschlagen. Ein Vertreter des Finanzministeriums hat in der Sitzung der Arbeitsgruppe Bundesleistungsgesetzgebung im Bundesministerium für Arbeit und Soziales den neuen Sachverhalt dargelegt. Demnach wird die im Koalitionsvertrag vorgesehene Entlastung der Kommunen im Umfang von 5 Mrd. Euro jährlich durch den Bund  nicht in Richtung Eingliederungshilfe vorgenommen. Eine zielgenaue Entlastung der Kommunen sei so nicht erreichbar. Stand jetzt ist also, dass die Entlastung der Kommunen nicht mehr an die Reform der Eingliederungshilfe und das Bundesteilhabegesetz gekoppelt sein soll.
Damit wird eine neue Ausgangslage für die anstehende Gesetzgebung geschaffen. In den letzten Tagen haben wir erfahren, welche Enttäuschung bei den Menschen mit Behinderung dieses Vorgehen auslöst. Das gewonnene Vertrauen in den Beteiligungsprozess und den politischen Willen, den Koalitionsvertrag umzusetzen, wird auf eine harte Probe gestellt. Uns ist es wichtig, dass das Vorhaben weiterhin ganz oben auf der Agenda der Sozialpolitik steht. Wichtig in der Umsetzung sind folgende Punkte:

– Die Reform der Eingliederungshilfe zu einem Bundesteilhabegesetz braucht eine solide finanzielle Grundlage.
– Die Kommunen brauchen eine nachhaltige Unterstützung und Entlastung um die Sozialleistungen erbringen zu können.
– Die Kommunen dürfen nicht weiter, beispielsweise bei Kosten für Integrationshelferinnen und -helfer in den Schulen und Kitas, allein gelassen werden.
– Um Selbstbestimmung zu ermöglichen brauchen wir ein Bundesteilhabegeld für die Menschen mit Behinderungen.
– Die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Fürsorgesystem der Sozialhilfe muss stattfinden. Teilhabeleistungen müssen Einkommens- und vermögensunabhängig erbracht werden. Sonst werden Menschen mit Behinderungen mit Assistenz- und Unterstützungsbedarf weiterhin auf Leistungen im Rahmen der Sozialhilfe angewiesen sein. Ohne finanzielle Zusagen bleibt es für sie bei dem Grundsatz: Behinderung macht arm.
– Weitere Maßnahmen des Bundesteilhabegesetzes wie der Aufbau unabhängiger Beratungsangebote oder ein bundeseinheitliches Blinden- und Gehörlosengeld müssen realisiert werden.
– Die Durchsetzung  von Maßnahmen wie die Trennung von existenzsichernden Leistungen und Fachleistungen, sowie die Schaffung von Alternativen zu den Werkstätten für behinderte Menschen und das Budget für Arbeit sind zwingend erforderlich um Selbstbestimmung zu ermöglichen.
Der Bund, die Länder und Kommunen dürfen die Menschen mit Behinderung nicht enttäuschen. Teilhabe Stärken heißt auch, dass die Teilhabe auf soliden finanziellen Füßen stehen muss. Die Menschen mit Behinderungen warten seit Jahrzehnten auf die Reform der Teilhabe, das Warten muss endlich ein Ende haben. Die finanzielle Beteiligung des Bundes bei der Weiterentwicklung der Eingliederungshilfe hin zu einem Teilhabeleistungsgesetz ist nach wie vor  dringend geboten. Der Bund darf sich nicht der Verantwortung für ein modernes, an Inklusion und Selbstbestimmung orientiertes Bundesleistungsgesetz für Menschen mit Behinderungen entziehen.
Als Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen des Bundes und der Länder fordern wir die Bundesregierung auf, ein deutliches Zeichen des Vertrauens zu setzen. Wir brauchen eine klare und eindeutige Aussage zu Gunsten einer finanziellen Beteiligung des Bundes, um das Bundesteilhabegesetz zu einem Erfolg für die Menschen mit Behinderungen in unserem Land und für die Kommunen werden zu lassen.

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