Vorteil oder Nachteil für Weitspringer Markus Rehm?

Markus Rehm
Prothesen-Weitspringer Markus Rehm bleibt nach Veröffentlichung einer internationalen wissenschaftlichen Studie zuversichtlich, dass er an den Olympischen Spielen teilnehmen darf.

Haben unterschenkelamputierte Weitspringer einen Vor- oder Nachteil, oder kann man die Leistungen von Weitspringern mit und ohne Prothese gar nicht vergleichen? Mit dieser Frage haben sich in den vergangenen Monaten drei verschiedene Institutionen (Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln; National Institute of Advanced Industrial Science and Technology / Human Informatics Research Institute, Tokyo; University of Colorado Boulder, Department of Integrative Physiology, Boulder/Colorado) intensiv beschäftigt und umfangreiche Untersuchungen durchgeführt.

Hintergrund der Studie war es, herauszufinden, ob unter Berücksichtigung der verschiedensten Parameter beim Weitsprung mit und ohne Unterschenkelprothese, die Leistungen von Markus Rehm mit denen von Athleten ohne Behinderung vergleichbar sind und ob der u.a. vom Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) unterstellte Vorteil vorliegt. Markus Rehm möchte gerne am Weitsprung-Wettbewerb der Olympischen Spiele in Rio teilnehmen und muss dafür selbst beweisen, dass er keinen Vorteil durch seine Prothesentechnik hat.

Nach der Auswertung der beteiligten Institute wurden nun die Ergebnisse der Studie im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln präsentiert. Kurz zusammengefasst: Paralympics-Sieger Markus Rehm hat durch seine Unterschenkelprothese am rechten Bein beim Weitsprung keine gravierenden Vor- oder Nachteile im Vergleich mit Athleten ohne Behinderung. Das Ergebnis bleibt jedoch schwammig: „Zu diesem Zeitpunkt kann nicht eindeutig ausgesagt werden, dass die Prothese von Markus Rehm ihm beim Weitsprung einen oder keinen Gesamtvorteil bietet.“ Rehm wertet das Fazit der Wissenschaftler dennoch positiv: „Es ist ein schönes Ergebnis, dass man keinen Vorteil feststellen konnte.“

Nachteil plus Vorteil = Vorteil?

Die Studie besagt einerseits, dass Rehm mit seiner Prothese beim Anlauf zum Weitsprung einen Nachteil hat. Seine Bewegungen seien weniger rund und das Tempo niedriger. Beim Absprung sehen die Wissenschaftler aber einen Vorteil. Denn die Prothese verliere im Gegensatz zum menschlichen Sprunggelenk keine Energie und könne deshalb die Anlaufgeschwindigkeit optimal für den Sprung umwandeln. Nun ist es sicher auch Auslegungssache, ob man aus diesen beiden Punkten einen Gesamtvorteil für Rehm erkennt und ob er überhaupt mit anderen Olympia-Athleten vergleichbar ist.

Was Rehm als Chance auf eine Teilnahme ansieht, wertet der Inklusionsbeauftragte im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV), Gerhard Janetzky, der der Entscheidungs-Kommission des IAAF angehört, kritischer: Das Abwägen von Vor- und Nachteilen werde mehr bei der Einteilung von Startklassen im paralympischen Sport praktiziert. Wenn ein Athlet einen Vorteil habe, dürfe er aber laut Regel bei olympischen Wettbewerben nicht starten. Dafür könnte schon ein Vorteil reichen und nicht der Gesamtvorteil.

Mit einem Satz von 8,18 Metern bei einem Wettkampf in Innsbruck hat Markus Rehm die Olympianorm jedenfalls erfüllt.  Mit seinem paralympischen Weltrekord von 8,40 Metern hätte Markus Rehm beim Weitsprungwettkampf der Olympischen Spiele 2012 in London Gold geholt. Ob er tatsächlich auch bei den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen darf und seine Weiten in der regulären Wertung berücksichtigt werden, will der Internationale Leichtathletik-Verband im Juni entscheiden.

Ein ausführliches Interview mit Markus Rehm lesen Sie übrigens in der kommenden Ausgabe des RehaTreff, die am 8. Juni erscheint.

 

 

 

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