Kurze Antworten auf große Fragen

Autor: Dr. Reinhardt Rüdel

Der am 14. März 2018 im Alter von 76 Jahren verstorbene Stephen Hawking war zweifellos der berühmteste und beliebteste Schwerbehinderte unserer Zeit. Man bangte mit ihm, als bei dem 20-jährigen die schreckliche Diagnose Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) festgestellt wurde und man annehmen musste, dass er nur noch zwei Jahre zu leben habe. Man staunte dann, dass ein so stark körperbehinderter Mensch drei Kinder zeugte, ja sogar die Ehefrauen wechselte; und man wunderte sich, als er die Kraft fand, mit seiner ganzen Familie zu einem Arbeitsjahr ins kalifornische Pasadena überzusiedeln oder den Papst in Rom zu besuchen. Auch liebte er so anspruchsvolle Abenteuer wie in einem Science-Fiction Film eine Rolle zu übernehmen oder bei einem „Parabelflug“ mitzumachen, um das Gefühl der Schwerelosigkeit an sich selbst zu erleben.

Zweifellos war er ein wissenschaftliches Genie und verstand es, seine Arbeitsgebiete der Allgemeinheit vorzustellen: Sein erstes Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ wurde ein Welterfolg und fortan interessierte sich die Öffentlichkeit für Fragen, die bis dahin eigentlich nur den Wissenschaftlern vorbehalten waren, etwa, wie unser Universum mit einem „Urknall“ zustande kam oder was davor schon los war. Man staunte auch über seinen Mut, im Vatikan die Existenz Gottes zu leugnen. Vor allem beglückten ihn auch viele Fachleute zu der Fülle der Eigenschaften, die er über die „Schwarzen Löcher“ im Weltall aufgrund seiner theoretischen Überlegungen voraussagte. Viele seiner Vorhersagen sind inzwischen von den Astronomen bestätigt worden.

Jetzt, nicht einmal ein ganzes Jahr nach seinem Tod, überrascht Hawking seine Nachwelt damit, dass ein kleiner neuer Sammelband mit seinen „Lieblingstexten“ seit Wochen eine Spitzenposition auf der Bestsellerliste des SPIEGEL einnimmt. 2014 kam bereits der erste Spielfilm über Stephen Hawking in die Kinos. Er hieß „Die Entdeckung der Unendlichkeit“ und war ein großer Erfolg. Der junge Schauspieler Eddie Redmayne stellte darin ­gerade die Anfänge von Hawkings Behinderung so meisterhaft dar, dass er dafür einen Oscar erhielt. Redmayne schreibt jetzt für die posthume Textsammlung das Vorwort, in dem er die lebenslange Freundschaft mit der Familie darstellt. Auf dem Gebiet der Wissenschaft war der Amerikaner Kip S. Thorne Hawkings engster Weggefährte. Er stellt den Texten eine sehr informative Einführung voran, und er war es übrigens auch, der in der Westminster Abbey die Trauerrede hielt, als Hawkings Urne zwischen den Grabmalen der britischen Wissenschaftsheroen Charles Darwin und Isaak Newton beigesetzt wurde. Die neue Textsammlung enthält auch ein Nachwort von Hawkings 1975 geborener Tochter Lucy, in der sie allerhand Privates aus dem Leben von Stephen und seiner Familie preisgibt. Lucy muss ihm besonders nahegestanden sein, er veröffentlichte mehrere Schriften mit seiner „wundervollen“ Tochter.

Lucy berichtet uns nun, dass ihr Vater von dem vorliegenden Buch wusste und sich diese Zusammenfassung seiner aktuellen Texte sehnlichst gewünscht hatte. Was wird in den Hawkingschen Texten also abgehandelt? Es sind natürlich die „großen Fragen“ nach Gott, nach dem Anfang
unseres Weltalls, nach der Intelligenz und nach den „Schwarzen Löchern“, über die Hawking selber so viel Neues herausgebracht hat. Er diskutiert auch – als großer Verehrer des genialen Albert Einstein – die Möglichkeiten von Zeitreisen. Diese wären ja nötig, wenn der Mensch den Weltraum besiedeln wollte oder gar sollte. In dieses Gebiet, so muss ich gestehen, kann ich dem mutigen Propheten nicht so leicht folgen. Aber – sehen Sie selbst, was der große Kosmologe für Gedankenflüge angestellt hat und schauen Sie sich dazu auf YouTube auch die Filme an, die der Münchner Professor Harald Lesch in der Reihe „Urknall, Weltall und das Leben“ dazu veröffentlicht hat!

P.S.: Vor etwa fünf Jahren sagte Stephen Hawking aufgrund seiner Berechnungen voraus, dass vom Rand der ansonsten unsichtbaren Schwarzen Löcher eine Strahlung ausgehen könne, die bisher allerdings nicht messbar war. Die Kosmologen gaben ihr dennoch den Namen „Hawking-Strahlung“. Im Mai 2019 berichtete israelische Forscher, dass sie diese Strahlung tatsächlich entdecken konnten. Wer weiß, ob dieser Befund dem bedauernswerten Hawking nicht doch noch den Nobelpreis beschert hätte, den er sich so sehnlich gewünscht hatte!

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