Der Weg zum individuell angepassten Auto

Kfz-Umbauten wuren bei FORD auf dem Werksgelände in Köln präsentiert. Foto. Katja Rosdorff
Kfz-Umbauten wuren bei FORD auf dem Werksgelände in Köln präsentiert. Foto. Katja Rosdorff

Die Firma Ford hat bei einer Veranstaltung in Köln (siehe auch „Attraktiver Rabatt für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen“) Journalisten Möglichkeiten vorgestellt, wie Menschen mit körperlicher Einschränkung Auto fahren können. Je nach Behinderung, bieten Autoumrüstungsfirmen ganz unterschiedliche technische Unterstützungen an. Einige Beispiele wurden in einer Halle auf dem Werksgelände in Köln präsentiert. Technisch am aufwändigsten ist sicherlich das Drive-by-Wire-System für sehr stark körperlich eingeschränkte Autofahrer, wie zum Beispiel Tetraplegiker oder Menschen, die MS im fortgeschrittenen Stadium haben. Dabei erfolgt die Bedienung des Autos über einen Joystick.

 Space Drive 2

Das System Space Drive 2, das der Autoumrüster PARAVAN aus Pfronstetten-Aichelauseit vier Wochen anbietet, kommt völlig ohne Lenkrad und Pedale aus. Lenkung, Gas und Bremse werden allein über einen Joystick bedient. Joystick nach links oder rechts bewegen bedient die Lenkung, nach vorn bedeutet Bremsen, nach hinten Gas geben. Für die Zusatzfunktionen wie Blinker oder Scheibenwischer kann man einen zusätzlichen Bedienknopf je nach Bedarf an unterschiedlicher Stelle anbringen lassen. Beim Space Drive-System befindet sich an der Lenksäule ein Motor, der die Lenkung übernimmt und an der Bremse und am Gaspedal ein Motor, der Gas gibt und bremst. Zur Ansteuerung sind im Kofferraum kleine Computer verbaut, die Sensorsignale auswerten und die Motoren entsprechend ansteuern.

Swen Lang von der Firma PARAVAN, der selbst im Rollstuhl sitzt, hat das System innerhalb von zwei Stunden so gut zu steuern gelernt, dass er die spezielle Führerscheinprüfung dafür ablegen konnte. „Das neue Space Drive-System hat ein ausgereifteres Sicherheitskonzept“, erläutert Lang den Unterschied zum Vorgängermodell. Eine Zweifachredundanz stellt sicher, dass das System auf keinen Fall ausfällt. So blieb Space Drive bislang unfallfrei: „Wir hatten noch nie einen Unfall, bei dem das System so ausgefallen ist, dass dabei jemand zu Schaden gekommen ist“, versichert er. Auch wenn das Steuern des Autos per Joystick als die Zukunft für alle Autofahrer gilt, so ist das Space-Drive-System heute noch Fahrern mit schwersten körperlichen Einschränkungen vorbehalten.

 Umbauten für Paraplegiker

Paraplegiker bekommen in der Regel andere Autoumbauten finanziert. Der querschnittgelähmte Ford-Mitarbeiter Jochen Trefzger zum Beispiel fährt einen Ford Mondeo mit elektrischem Gasring am Lenkrad und einem Bremshebel neben dem Steuer. Jochen Trefzger arbeitet in der Entwicklung im Bereich Fahrdynamik des Ford-Werkes. Er berät seine Kollegen bei der Entwicklung des Fahrwerks, des Fahrverhaltens auf der theoretischen Seite. Bis 2007 hat er die Modelle Mondeo und Galaxy im Hinblick auf ihre Fahreigenschaften auch praktisch getestet. Doch dann hatte er beim Renovieren seines Hauses einen Unfall: „Aus drei Metern stürzte ich von der Leiter und brach mir das Kreuz. Mein Arbeitgeber Ford  unterstützte mich damals vorbildlich“, sagt Jochen Trefzger heute. Nach sechs Monaten Krankheit konnte er wieder arbeiten. Die Firma half ihm bei der aufwändigen Antragstellung für finanzielle Zuschüsseder Rentenversicherung und bei der Planung der Umrüstung seines Arbeitsplatzes und seines Autos. Sein 200 PS-Ford Mondeo Titanium wurde von der Firma Kempf, die Gasringe entwickelt und vertreibt, für etwa 5.000 Euro umgebaut.

Für Jochen Trefzger sind auch die Assistenzsysteme seines Autos sehr hilfreich, besonders das Active Cruise Control-System. EinTempostat, der mit einem Radar den vor dem Auto fließenden Verkehr beobachtet und die Geschwindigkeit daran anpasst und selbsttätig bremst. „Keine Notbremsungen, aber Abstand halten macht es selber“, erläutert der querschnittgelähmte Autofahrer. Im Mondeo gibt es dieses System seit 2007 und im Ford Focus seit dem vergangenen Jahr.

 Bediengerät statt Gasring

Auch Martin Zinselmeier aus Drensteinfurt ist seit einem Verkehrsunfall querschnittgelähmt. Er hat jedoch statt des Gasrings am Lenkrad  in seinem Ford Focus ein Bediengerät neben dem Lenkrad,  mit dem er durch Drehen eines Hebels Gas geben und durch nach vorn Drücken des Hebels bremsen kann. Mit der anderen Hand bedient er einen Multifunktionsdrehknopf am Lenkrad. Über diesen bedient er Blinker, Scheibenwischer und sämtliche anderen Funktionen. „Für mich war wichtig, dass mein Auto möglichst normal aussieht“, erinnert er sich. Seinen Führerschein hat er nach seinem Unfall gleich in der Klinik gemacht.

 Kostenübernahme und Zuschüsse

Die Kosten für den Führerschein werden in der Regel von Kostenträgern übernommen. Als Kostenträger für Führerschein, Autoumbau und Zuschuss für den Autokauf kommen in der Regel die Rentenversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit in Frage. Wer zuständig ist, richtet sich nach Berufsjahren. „Ab 15 Jahren Beschäftigung ist normalerweise die Rentenversicherung zuständig, davor die Bundesagentur für Arbeit“, sagt Klaus Vogel, Leiter des Technischen Beratungsdienstes der Bundesagentur für Arbeit. Ein wichtiger Grundsatz bei der Finanzierung des Autokaufs und -umbaus sei es, immer erst den Antrag zu stellen. Im Nachhinein bekommt man keine finanziellen Zuschüsse.  „Die so genannte Kraftfahrzeugförderung bekommen auch nur Menschen, die dauerhaft auf Hilfe angewiesen sind, die nicht mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren können und die einer beruflichen Tätigkeit nachgehen“, hob Klaus Vogel hervor. Der behindertengerechte Umbau bzw. die behindertengerechte Ausstattung wird vom Kostenträger in der Regel voll übernommen. Der Antragsteller muss dafür jedoch drei verschiedene Angebote von Autoumrüstfirmen einreichen, und es darf kein unverhältnismäßiger Mehraufwand entstehen (ein Paraplegiker bekommt zum Beispiel kein Space Drive System finanziert, weil er nach dem Grad seiner Behinderung dieses nicht benötigt).

Für den reinen Autokauf (ohne behindertengerechten Umbau) können Berufstätige mit dauerhafter körperlicher Einschränkung einen Zuschuss von maximal 9.500 Euro beantragen. Bei der Höhe wird das aktuelle Einkommen berücksichtigt. Der Krankenkassenmitarbeiter Martin Zinselmeier beispielsweise hat für den Kauf seines Ford Focus 2.500 Euro als Zuschuss zum Kaufpreis bewilligt bekommen. Wer schon ein Auto hat und dieses in Zahlung gibt, muss sich das auch anrechnen lassen. In Ausnahmefällen wird auch mal ein Darlehen bewilligt. Zuschüsse gibt es auch für Gebrauchtwagen, die mindestens noch fünf Jahre laufen. Alle diese Regelungen finden sich in der Kraftfahrzeughilfeverordnung wieder. Es ist sowohl eine Förderung möglich, wenn der Antragsteller mit Mobilitätseinschränkung selber fahren möchte, als auch, wenn ihn ein Dritter mit dem umgerüsteten Auto fahren soll.

 Zustieg und Rollstuhlverlademöglichkeiten

Zum umgerüsteten Auto gehört nicht nur die Bedienungseinrichtung fürs Fahren selbst. Auch der Zustieg und das Verstauen des Rollstuhls müssen sicher gewährleistet sein. Die Paraplegiker bei dieser Veranstaltung setzen sich in der Regel vom Rollstuhl auf den Fahrersitz um (dafür gibt es auch unterstützende Drehsitze), entfernen die Räder vom Rollstuhl und verstauen diesen dann, in dem sie ihn über sich hinweg heben auf dem Beifahrersitz. Autofahrer mit schwereren Einschränkungen nutzen oft eine Rampe oder Hebebühne, um in das Fahrzeug zu gelangen. Sie bleiben dann im E-Rollstuhl sitzen, der während der Fahrt an einer Dockstation befestigt wird.

 Über das Glück, selbst Auto zu fahren

„Für Menschen mit Behinderung ist es ein Glücksgefühl, selbst Auto fahren zu können!“ – Dies hob der Kabarettist, Paralympicsieger im Tischtennis und Theologe Rainer Schmidt hervor, der mit verkürzten Armen geboren wurde. Er habe mit 19 Jahren sein erstes umgerüstetes Auto bekommen und nächtelang nicht schlafen können, vor Glück. „Es ist ganz anders, wenn ich selber mit meinem Auto vorfahre, als wenn ich mit einer Art Samariterbus vorgefahren und dann ausgeladen werde“, erzählte der Kabarettist schmunzelnd in seinem humoristischen „Plädoyer fürs Autofahren“.

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