Im Fokus: Exoskelett von Rex Bionics

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Rex wartet auf seinen Benutzer.
(Foto: Daniela Böhm)

Welche Vorteile Exoskelette für Menschen bieten, die auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sind, wird in jüngster Zeit verstärkt diskutiert. Die Zahl der Anbieter wächst. Das neuseeländische Unternehmen Rex Bionics verfolgt ein ganz eigenes Konzept. Die RehaTreff-Redaktion sprach in Auckland mit Firmengründer Richard Little.

Richard Little hat schottische Wurzeln. Und hätte seine Großmutter in ihrer schottischen Heimat nicht das Schicksal eines Schlaganfalls ereilt, wäre Rex möglicherweise nie erfunden worden. Little: „Sie war eine große, starke Frau, und von einem Tag auf den anderen passte in ihrem Haus nichts mehr, denn das war natürlich alles andere als barrierefrei. Das war der Auslöser dafür, dass ich mir mit einem Kumpel, Ingenieur wie ich, sagte: Lass‘ uns Roboterbeine konstruieren.“

Es begann eine Zeit, die reich an Erfahrungen und Lernprozessen war. Das erste halbe Jahr verging mit Informationsbeschaffung. Wo gibt es geeignete Komponenten wie Batterien, Elektromotoren, Bauteile? Dann folgten vier Jahre, in denen die Tüftler viel Geld und noch mehr Zeit in ihre Arbeit investierten. Little: „Wir machten alles selbst, und konnten so ohne den Druck irgendwelcher Investoren arbeiten.“ 2007 wurde Rex Bionics Ltd. gegründet. Weihnachten 2008 war der erste praxistaugliche Prototyp fertiggestellt. 2010 begann die kommerzielle Phase.

Treppauf, treppab

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Noch ein Knopfdruck, und los geht’s. (Foto: Daniela Böhm)

Auckland, Januar 2014: In einem Gewerbegebiet am Nordrand der Stadt, dem Firmensitz des Unternehmens, wartet ein Paar ebensolcher Roboterbeine, wie sie seinerzeit den Firmengründern vorschwebten,  in einer soliden Frachtkiste auf den Versand zu seinem Käufer. Bald zieht das Unternehmen um, denn in Büro- und Produktionsräumen wird es langsam eng. Ein weiterer „Rex“ wartet, bereit zum Einsatz, auf einem Stuhl, und Gerard Pearce, der für Rex Bionics als Produktvorführer arbeitet, schwingt sich von seinem Rollstuhl auf den Sitz. Binnen weniger Minuten ist er über Klettbänder fest mit der Apparatur verbunden. Jetzt fehlt nur noch der Befehl per Joystick. Begleitet von den Arbeitsgeräuschen zahlreicher Elektromotoren strecken sich die Beine, Gerard steht aufrecht. Ein kurzer Tipp auf den Joystick löst den ersten Schritt aus. Eine Runde durch die Halle, Schwenk nach links, Schwenk nach rechts – spielerisch leicht lässt sich die „Gehmaschine“ dirigieren. Das Ensemble aus Rex und Anwender wirkt ein wenig wie ein gigantischer Spielzeugroboter. Ein Hauch von Science Fiction liegt in der Luft. Gerard lenkt „seine“ Schritte in Richtung einer Treppe. Eine Eingabe auf dem Bedienpult, und mit einer Hand am Treppengeländer geht es aufwärts. Rex ermittelt über Sensoren den richtigen Schrittabstand, und hebt seinen Bediener Stufe um Stufe empor. Der Weg zurück erfordert nahezu blindes Vertrauen in die Technik, denn treppab führt Rex die gleichen Bewegungen in umgekehrter Reihenfolge aus, will sagen, es geht rückwärts hinab.

Keine Krücken

Treppen sind für Rex kein Problem.  (Foto: Werner Pohl)
Treppen sind für Rex kein Problem.
(Foto: Daniela Böhm)

Seit einigen Jahren sind Exoskelette ein Thema für mobilitätseingeschränkte Menschen als potentielle Nutzer einerseits, und für Therapeuten andererseits. Auch wenn bis zur selbstverständlichen praktischen Nutzung im Alltag noch einige Hürden zu überwinden sind, eröffnen die Gehroboter schon jetzt Perspektiven, die noch vor kurzer Zeit undenkbar waren. Rund um den Globus arbeiten Wissenschaftler und Techniker mit Hochdruck an immer ausgefeilteren Lösungen, um einen Traum vieler Gelähmter Wirklichkeit werden zu lassen: Den durch diese Konstruktionen ermöglichten aufrechten Gang, als Alternative zum Rollstuhl. Das Exoskelett von Rex Bionics nahm in dieser Entwicklung von Anbeginn eine Sonderstellung ein. Verglichen mit den Konstruktionen anderer Anbieter ist es zunächst einmal größer, schwerer und teurer. Aber es setzt auch einen gänzlich anderen strategischen Ansatz um: Der Nutzer benötigt, anders als bei allen anderen Konstruktionen, keine zusätzlichen Unterarmgehstützen, er hat beim Laufen deshalb die Hände frei. Die gesamte Konstruktion des Exoskeletts ist selbststabilisierend und wird von ihrem Nutzer gleichsam wie von einem Piloten dirigiert. Richard Little: „Es war uns wichtig, physischen Stress für den Körper des Benutzers so weit wie möglich auszuschließen. Das Gehen mit Krücken bedeutet eine beträchtliche Belastung für die Schultern, und die sind bei Rollstuhlfahrern ohnehin ein neuralgischer Punkt.“

Exoskelett Richard Little
Richard Little ist von den Vorzügen des Rex-Konzeptes überzeugt.
(Foto: Daniela Böhm)

Mit einem Gewicht von 40 bis 45 Kilo ist Rex dank seiner selbsttragenden Konstruktion deutlich schwerer als andere Exoskelette. Aber dieses Gewicht – so das Gegenargument seiner Konstrukteure – belastet den Nutzer ja nicht. Überdies sei so auch höher gelähmten Probanden die Nutzung möglich. Gerne erzählt Richard Little von einem Interessenten, der schon beim ersten Versuch überzeugt war. „Er saß seit 17 Jahren im Rollstuhl und sah ziemlich elend aus. Das änderte sich total, nachdem er nur 45 Minuten im Rex verbracht hatte. Er strahlte förmlich und war begeistert. Solche Erlebnisse sind natürlich eine enorme Motivation für uns.“

Begeisterte Kritiken von den ersten Nutzern gibt es schon jetzt reichlich. Paraplegiker Lee Warn etwa meint: „Die Erfahrung mit Rex hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen. Das kann man nur schwer beschreiben, das muss man erleben. Anderen wieder auf Augenhöhe zu begegnen, sich im Stehen unterhalten zu können, das war enorm. Ich wollte nur noch grinsen.“

Wachstum mit Augenmaß

Freilich steht einer größeren Verbreitung von Rex einstweilen noch sein exorbitanter Preis entgegen. Der liegt derzeit bei 150.000 US $, was ihn für die meisten privaten Nutzer unerreichbar machen dürfte. Aber in diesem Fall arbeitet die Zeit für alle Hoffenden, denn die Entwicklung steht erst am Anfang. Es ist abzusehen, dass Rex, wie auch andere Exoskelette, auf Dauer leichter, kleiner, schneller und auch preiswerter wird. Das sind jedenfalls erklärte Ziele, die Richard Little und seine Crew, derzeit 14 Köpfe stark, verfolgen. Sie setzen dabei auf eine Strategie moderaten Wachstums. Richard Little: „Zur Zeit haben wir 14 Maschinen im Markt, 20 weitere sind in Vorbereitung. Da wir uns einstweilen noch persönlich um die Wartung jedes einzelnen Gerätes kümmern, wäre es nicht sinnvoll, mehr Maschinen zu verkaufen als wir versorgen können. Für 2014 planen wir einen Ausbau unserer Verkaufs- und Serviceaktivitäten und eine Produktionsrate von vielleicht einem Rex pro Woche. Wir arbeiten an der nächsten Generation. Außerdem werden wir Rex künftig in zwei Varianten anbieten, zum einen als personalisiertes, maßgeschneidertes Gerät, zum anderen in einer Version für Reha-Zentren, die mit wenigen Handgriffen auf jede Körpergröße einzustellen ist.“

Die Zeichen stehen auf Expansion. Von Europa aus betrachtet arbeiten Richard Little und sein Team zwar am (anderen) Ende der Welt, aber die Pläne für das laufende Jahr sehen bereits eine Repräsentanz in England vor, die von dort aus den europäischen Markt betreuen wird. Rex Bionics bereichert die Diskussion um den Nutzen und die Möglichkeiten von Exoskeletten mit seiner ganz eigenen Interpretation des Themas. An Kandidaten, die neugierig darauf sind, den „Rex-Effekt“ am eigenen Leib zu erfahren, wird gewiss kein Mangel herrschen.

Werner Pohl

Dieser Artikel erschien im RehaTreff (1/2014) und kann hier als PDF heruntergeladen werden.
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