Im Test: der Smart Drive von Max Mobility

smartdriveEr schiebt und schiebt und schiebt…

Mit dem Smart Drive präsentiert die im schwäbischen Albstadt ansässige Firma Max Mobility ein Hilfsmittel auf dem deutschen Markt, das das Leben von Rollstuhlfahrern deutlich leichter macht.

Elektrische Schiebehilfen für Rollstühle gibt es viele, und auch sich mit Motorkraft durchs Gelände ziehen zu lassen, ist nichts Neues. Es sei dahingestellt, ob ein wenig Eitelkeit für Rollstuhlnutzer ein besonderer Luxus ist, aber mit den meisten dieser elektrischen Helfer sieht man ziemlich „behindert“ aus. Nicht so mit dem Smart Drive. Das Konzept ist – wie so viele wirklich gelungene Entwicklungen – genial einfach. Eine Antriebseinheit aus Motor und Laufrad wird mit Hilfe einer speziellen Aufnahmeschelle mittig an der Achse des Rollstuhls festgemacht. Die Energieversorgung kommt von einem flachen Akku, der mittels eines Halteclips unter die Sitzbespannung geschoben wird. Einige Kabel und Schalter werden mit Klettband fixiert, fertig ist die Installation. Geeignet für die Aufrüstung sind in erster Linie Aktivrollstühle mit Starrahmen, für Faltrollstühle ist eine Adapterachse erhältlich.

Das Besondere an der Konstruktion erschließt sich dem Benutzer auf Anhieb. Man verbleibt im vertrauten Gefährt, Handlichkeit und Wendigkeit des gewohnten Rollstuhls werden nur unwesentlich beeinträchtigt. Mit wenigen Handgriffen lassen sich die Anbauteile an- und abbauen, und das funktioniert wirklich, wie ein Praxistest der RehaTreff-Redaktion erweisen sollte.

Optisch und akustisch unauffällig

Im konkreten Fall wurde mein Pro Activ-Rollstuhl mobil gemacht. Ich gewöhnte mich rasch an die erstaunten Blicke von Passanten über meine zügige Gangart. Tatsächlich fällt der nahezu vollständig unter dem Rollstuhl verschwindende Motor kaum auf, und auch sein Arbeitsgeräusch ist dezent. Dass das Helferlein außer dem Ein/Aus-Schalter praktisch keine Bedienelemente braucht, liegt an einer trickreichen elektronischen Steuerung. Der Smart Drive registriert die Geschwindigkeit, mit der der Rollstuhl ganz normal über die Greifreifen in Fahrt gebracht wird und schiebt mit dem entsprechenden Tempo konstant vorwärts. Steigert der Benutzer das Tempo, verstärkt der Smart Drive auch den Vortrieb. Abbremsen über die Greifreifen stoppt den Motor, erneutes Anschieben setzt ihn wieder in Gang. Das funktioniert recht präzise. Allerdings interpretiert der Antrieb so ungefähr jeden Griff in die Greifreifen, also auch das einseitige Abbremsen eines Rades zum Fahren enger Kurven, als abbremsen, so dass die Elektronik die Unterstützung permanent zu- und abschaltet, was rasch ein wenig nervig werden kann.

Aus gutem Grund verfügt der Smart Drive deswegen über einen zweiten Betriebsmodus, der über einen erneuten Druck auf einen der beiden im Bereich der Bremsen angebauten Bedienschalter aktiviert wird. In diesem „Outdoor-Modus“ wird der Vortrieb nicht mehr durch das Bremsen über die Greifreifen unterbrochen, sondern nur noch durch einen Druck auf den Bedienschalter. In diesem Modus zeigt das Maschinchen, was wirklich in ihm steckt. Selbst in engen Kurven schiebt es stoisch im angewählten Tempo vorwärts, desgleichen auf etwas rauerem Untergrund und, besonders praktisch, wenn der Fahrweg zu einer Seite hin abfällt, wie das bei Gehsteigen ja meistens der Fall ist. Ganz komfortabel mit der Hand am Greifring der „Bergauf“- Seite das Quergefälle ausgleichend, kann man so schnurgerade fahren. Das nimmt stark geneigten Bürgersteigen ihren Schrecken.

Tricks für geübte Fahrer

Freilich verlangt der Einsatz des Smart Drive im Outdoor-Modus eine vorausschauende Fahrweise und eine souveräne Rollstuhl-Beherrschung. Da die Art der Anbringung das Ankippen des Rollstuhls nicht behindert, lassen sich Hindernisse wie flache Bordsteinkanten problemlos überwinden. Hindernis im rechten Winkel ansteuern, ankippen, das Motörchen schiebt den Rollstuhl über die Kante und hoppelt hinterher – genial. Das Ganze funktioniert auch bordsteinabwärts. Man kann sich allerdings vorstellen was geschieht, wenn man bei solchen Aktionen den richtigen Zeitpunkt verpasst, weswegen der Hersteller und Verfasser der Betriebsanleitung des Smart Drive zu solchen Manövern definitiv nicht ermutigt. Ich fand es besonders angenehm, etwas unebene Streckenabschnitte komplett gekippt zu fahren, und mich, die kleinen Lenkrollen knapp über dem Boden, vom Smart Drive schieben zu lassen.

Ein erstaunliches Stück Technik ist die Antriebsrolle, die für permanenten Bodenkontakt und Kraftschluss sorgt. Auf zwei parallelen Laufrädern rotieren jeweils acht Rollen aus einem elastischen Material. Diese spezielle Konstruktion des Antriebsrades sorgt auch in eng gefahrenen Kurven oder beim Drehen auf der Stelle für problemloses Handling. Die Lebensdauer der Rollen hängt laut Angabe des Importeurs stark von Einsatzbedingungen und Beanspruchung ab. Sie seien aber problemlos auszutauschen. Ein Satz Lenkrollen schlägt mir ungefähr 90 Euro zu Buche.

Gelegentlich hätte ich mir gewünscht, dass mich der Smart Drive etwas schneller „versteht“. Jede der vier zur Verfügung stehenden Geschwindigkeitsstufen, vom langsamsten Schritttempo bis zur Endgeschwindigkeit von knapp über sieben km/h, wird vom Motor in dem Moment umgesetzt, wo der Rollstuhlnutzer sie durch eigenen Anschub erreicht hat, was bergan schon mal etwas mühsam werden kann. Irgendwann gewöhnte ich mir vor Steigungen an, in der Ebene Tempo aufzunehmen und mich dann zügig bergan schieben zu lassen.

Hatte ich zu Beginn des Tests noch Bedenken, dass das kleine Antriebsrad gelegentlich Probleme mit der Traktion haben könnte, so wurden diese schon nach kurzer Zeit vollständig zerstreut. Gänzlich unbeirrt schob mich der Smart Drive selbst Steigungen von mehr als zwölf Prozent hoch, ohne die mindesten Ermüdungserscheinungen zu zeigen.

Radius erweitern

Die Energie aus dem Lithium-Ionen-Eisen-Phosphat-Akku reicht nach Herstellerangaben für eine Fahrstrecke von rund 16 Kilometern (laut einer „konservativen Schätzung“). Das klingt praxistauglich. Ich bin während meines Tests mit Touren von längstens sechs oder sieben Kilometern nie in Verlegenheit gekommen und habe anschließend nachgeladen. In der Praxis dürfte es meist reichen, den Akku alle zwei oder drei Tage ans Ladegerät zu hängen.

Mein Fazit nach einigen Testwochen: Der Smart Drive ist eine unkonventionelle Alternative zu den vielen elektrischen Antrieben und Schiebehilfen, die schon seit Jahr und Tag verfügbar sind. Für die nicht unerhebliche Summe von rund 6.000 Euro (die wohl nur in gut begründeten Einzelfällen vom Kostenträger übernommen werden wird) erhält man ein Hilfsmittel, das vom Start weg seinen Nutzen entfaltet. Attraktiv ist es vor allem für Menschen, die generell mit einem Aktivrollstuhl unterwegs sind und ihren Radius erweitern möchten, sei es in Form von gesteigerter Reichweite, sei es, um aus eigener Kraft sonst nicht oder nur schwer bewältigbare Strecken erschließen zu können. Die unkomplizierte Montage, das dezente Erscheinungsbild und das einfache Handling bei Transport und Verladung sind Pluspunkte. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob die im Sinne der Einfachheit gut gemeinte Ein-Tasten-Bedienung (mit akustischem Signal und Feedback bezüglich der Betriebszustände durch eine mal konstant leuchtende, mal blinkende Leuchtdiode) der Weisheit letzter Schluss ist. Ein kleiner Wählhebel wäre möglicherweise eindeutiger und mithin sicherer. Ein systembedingtes Plus ist die Tatsache, dass auch der mit dem Smart Drive aufgerüstete Rollstuhl der eigene, vertraute Rollstuhl bleibt, mit optimal angepasster Sitzposition und der vertrauten Balance. Das ist allerdings auch nötig, denn um das Potential des Smart Drive voll ausschöpfen zu können, sollte man seinen Rollstuhl zuverlässig beherrschen. Die kompakte Gestalt des Antriebs verleitet dazu, sein Leistungspotential zu unterschätzen. Irgendein Haken bei der Sache? In meinem konkreten Fall, dass mich der Smart Drive rasch zur Faulheit verleitet hat. Der Verlockung, sich Strecken zügig schieben zu lassen, statt etwas für die Fitness zu tun, ist nur schwer zu widerstehen.

Werner Pohl

Dieser Artikel erschien im RehaTreff (4/2014) und kann hier als PDF heruntergeladen werden.
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