Ein grandioser Zirkustag

Zirkus
Rollstuhl-Akrobaten in Aktion. Foto: Rehability

Der Vorhang ging auf, und zum Vorschein kam ein mächtiger Fakir mit roter Scherbe und verschränkten Armen. Behutsam und mit Ehrfurcht schoben die zwei Helfer den Deckel nach oben, und begleitet von einem lauten Kreischen aus dem Publikum kamen die spitzen Nägel zum Vorschein. Ohne mit den Wimpern zu zucken fuhr der Fakir mit seinem Rollstuhl vor das Nagelbrett, ein kleines Mädchen mit hochgezogenen Augenbrauen schrie „nein, mach das nicht!“. Doch unser Fakir kennt keine Angst, mit dem gesamten Oberkörper legte er sich auf die Nagelspitzen und krönte das Ganze, indem er die stützenden Arme in die Höhe streckte.

Staunende Gesichter, stockender Atem, fragende Blicke im Publikum bei jedem Show-Act der kleinen Stars, dann wieder tobender Beifall und Jubelgeschrei. Die Zirkusvorstellung am Rolli-Kids-Action-Day 2014 rief jede Menge Emotionen hervor. Zirkus bedeutet Magie, Show, Artistik und vieles mehr. Welches Kind träumt nicht davon, in die zauberhafte Welt einzutauchen, sich komplett dem Spektakel hinzugeben und selbst Star in der Manege zu sein. Für die teilnehmenden Rolli Kids wurde dieser Traum war. An zwei Trainingswochenenden hatten sie fleißig ausprobiert und Showeinlagen selbst kreiert. Artist mit oder ohne Rolli, das spielte dabei keine Rolle. Man sah gleich, hier bilden sich Freundschaften fürs Leben. Die Behinderung spielte an diesen Wochenenden keine Rolle mehr. Wo sonst, wenn nicht im Rolli-Kids-Action-Day-Zirkus sieht man einen Rollifahrer auf einen Brett balancieren oder als Akrobat an der Leiter?

Im und um das riesige Gebäude des Aktiv-Reha-Center in Heidelberg baute sich Stückchen für Stückchen ein Kinderparadies auf. Das öde grau vom Beton musste den bunten Zelten, Ständen, Ballons und der Vielzahl an Kinderanimationen weichen. Bereits am Donnerstag vor dem Zirkuswochenende wurde das rot-blaue Zirkuszelt von freiwilligen Helfern in Rekordzeit aufgebaut. Während draußen die Vorbereitungen voll im Gange waren, herrschte Backstage eifrige Betriebsamkeit. Denn für die Generalprobe schlüpften die kleinen Stars in ihre glitzernden und funkelnden Kostüme, Flammen wurden entzündet und Requisiten zurecht gelegt.

Gegen Mittag hatten die ersten Schleckermäuler bereits weiße Zuckerwattemünder. Ein wahres Zirkusfeeling kam bei jedem auf, als die Stelzenläufer mit ihren wunderschönen Kostümen elegant durch die Massen schritten, die Drehorgel fröhliche Musik spielte und lachende Kinder mit den kreativsten Ballonfiguren von einem Programm zum nächsten rannten. Ob Hindernisparcours mit Rollis, Hüpfburg-Eroberung, Füttern im Streichelzoo, Kinderschminken oder Ponyreiten – überall waren glückliche Kinder zu sehen.

Es roch nach Lampenfieber

Diese weitverbreitete Krankheit kann nur durch Optimismus und eine gute Stimmung geheilt werden. Und wer ist besser dafür geeignet als Zirkusdirektor Hartmut Höfele, der Komponist der Melodie „Sendung mit der Maus“. Mit Sang und Klang riss er alle Kinder in seinen Bann, laut tönte Kindergesang vom Artistenzelt und mit einem abschließenden Toi-Toi-Toi von allen Trainern, war das Lampenfieber wie weggeblasen. Vor dem Eingang sammelte sich eine Menschenmasse an Eltern, Geschwistern , Großeltern und Freunden. Alle fieberten der großen Vorstellung entgegen, bis um 14 Uhr die Plane geöffnet wurde. Für diejenigen, die keine Karte mehr ergattern konnten, gab es eine Liveübertragung im Bistro des Aktiv-Reha-Centers.

Der Zirkusdirektor trat mit Schnauzer und Melone in das Scheinwerferlicht. Er animierte das Publikum zum Mitmachen und heizte die Menge auf. Hinter dem Zelt reihten sich alle Kinder, schritten und rollten im Takt des Klatschens winkend und jubelnd in die Manege ein. Je Genre hielt das erste Kind ein typisches Requisit in der Hand. Man fühlte sich wie bei den Olympischen Spielen, so stolz trugen die Kids Feuerstäbe, Springseile, Leitern und vieles mehr. Die Latte wurde bereits zu Beginn hoch gelegt. Akrobaten kletterten wie kleine Äffchen an Leitern und Rollstühlen in die Höhe und verzauberten mit anmutig-akrobatischen Bewegungen bis hin zur perfekten Pyramide das Publikum. Auch die Rollifahrer zeigten mit Kippeln und Schwingen, wie sie den Rolli beherrschen.

Abgedunkelt ging es im Schwarzlicht weiter. Fast unsichtbar schwangen Jongleure Pois und Tücher in den faszinierendsten Bewegungen und tollsten Farben. Beherrscher des Feuers spielten mit diesem Element. Spucken, schlucken ja… das hat jeder schon einmal gesehen, aber bestimmt nicht, wie man mit der bloßen Handfläche zwischen zwei Stäben das Feuer weitertragen oder mit einem brennenden Finger Fackeln entzünden kann. Oh nein, die Feuerakrobaten hatten vergessen, eine ihrer Flammen zu löschen. Es rückten Clowns aus, die mit ihrer typischen charmant-witzigen Art versuchten, das Publikum vor einem Feuerinferno zu retten. Keine Sorge, wenn sie es nicht gekonnt hätten, wäre die Überschrift heute eine andere gewesen.

Magie und Illusion

Die Zauberer verblüfften die Menge mit einem kleinen Ballonfesseltrick. Aber die zweite Nummer hatte es erst richtig in sich. Ein Mädchen, keine 8 Jahre alt, meldete sich freiwillig für die Schwerterkiste. Sie winkte zum Abschied bevor sie sich in die Kiste begab. Angerückt mit schweren Schwertern, stoßen sie diese links und rechts in die Kiste. Ein entkommen war nicht möglich. Kein Mucks war zu hören als die Schwerter wieder herausgezogen wurden. Mit einem Simsalabim wurde die Tür geöffnet und siehe da – das kleine Mädchen hatte überlebt.

Geschicklichkeit und Gleichgewichtssinn zeigten die Ropeskipper und die Rola Bola Kids. Seilspringen und auf einer Wippe balancieren und das alles mit dem Rolli – unfassbar, das ist Zirkus. Die Zuschauer waren begeistert.Hier ein kleiner Ausschnitt der Kommentare: „Beeindruckend, was Ihr in der kurzen Zeit mit den Kindern auf die Beine gestellt habt, und das liebevolle Rahmenprogramm vor dem Zirkus war ebenfalls super!“ (Isabel L. via Facebook). „Ganz, ganz herzlichen Dank für diese gelungene und (zumindest meiner) Seele guttuende Veranstaltung. Mein Dank geht natürlich auch an alle Akteure und Euer Team Drumherum. Ich finde, perfekter kann man das nicht machen und kann kaum glauben, dass Ihr das mit so kurzer Probezeit bewerkstelligt habt. “(Ulla W. via E-Mail). „Die Vorstellung war ja der Oberhammer! Wir hätten nie gedacht, dass es so grandios wird. Inklusion hört man überall, aber hier hat man endlich mal was gesehen.“ (Gerti S. via Facebook).

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