Triage-Gesetz: Breite gesellschaftliche Diskussion erforderlich

Der derzeit diskutierte Gesetzentwurf zu einem „Triage“-Gesetz wurde am 22. Oktober in Nürnberg im Rahmen des Kongresses „Medizin und Gewissen“ als praxisuntauglich abgelehnt. Die Veranstaltung erinnerte an den Nürnberger Ärzteprozess vor 75 Jahren und befasste sich mit unterschiedlichen Aspekten des Themas „LebensWert“. „Nach Ansicht der Teilnehmenden im Diskussionsforum zum Thema Triage – hauptsächlich Ärzte und Ärztinnen – helfen die im Gesetzentwurf festgelegten Regeln kaum weiter, da die jeweiligen Prognosen viel zu unsicher seien“, berichtet Annett Löwe von der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP). „Die Teilnehmenden stellten zwar einen Fortbildungsbedarf fest, Parallelen zwischen der derzeitigen Diskussion und dem teils menschenverachtenden ärztlichen Handeln während der Nazidiktatur wurden jedoch kaum wahrgenommen.“ Sie selbst habe aber solche Parallelen festgestellt, als bei der 1. Lesung zum „Triage“-Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag ein AfD-Abgeordneter unwidersprochen dafür plädieren konnte, Alter und Behinderung als Auslesekriterien zuzulassen. „Es gab kaum hörbare Proteste aus dem Plenum.“ Der Juristin ist auch die teils befremdlich wirkende Nähe zwischen der AfD und Teilen der Ärzteschaft bei der öffentlichen Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags am 19. Oktober aufgefallen: „Fragen, die provozierend dazu aufforderten, den Lebenswert verschiedener Personen gegeneinander abzuwägen, wurden nicht etwa entschieden zurückgewiesen, sondern willfährig und ausführlich beantwortet.“ Die meisten Ärzte und Ärztinnen bei der Anhörung hätten keine Gelegenheit – ob danach gefragt oder nicht – ausgelassen, auf die unbedingte Notwendigkeit hinzuweisen, die Ex-Post-Triage zuzulassen und den beteiligten Ärzten und Ärztinnen Straffreiheit zu garantieren. Bei der Ex-Post-Triage wird eine begonnene Behandlung zugunsten einer anderen Person mit vermeintlich höherer Überlebenswahrscheinlichkeit abgebrochen, obwohl der nun zum Sterben verurteilte Mensch ohne Therapieabbruch möglicherweise noch eine Überlebenschance gehabt hätte. Löwe selbst vermutet hinter dem massiven Einsatz für die Ex-Post-Triage auch finanzielle Beweggründe, da immer wieder frisch belegte Intensivbetten für die Krankenhäuser lukrativer seien als langwierige intensivmedizinische Behandlungen. „Die Teilnehmenden an dem Diskussionsforum zur Triage in Nürnberg waren sich trotz teils kontroverser Diskussionen einig, dass eine breite transparente gesellschaftliche Debatte zu dem Thema Triage und zur Ressourcenknappheit im Gesundheitswesen nötig ist“, so Löwe.

 

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