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Interview mit Handbiker Vico Merklein

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Vico Merklein – London 2012 (Foto: Sunrise Medical)
Vico Merklein – London 2012 (Foto: Sunrise Medical)

„Ich lebe meinen Traum!“

Kein Team geht emotional so mit. Sie jubeln und leiden mit ihren Team Sopur Sportlern, die Mitarbeiter von Sopur (Sunrise Medical). Nach dem Gewinn der Paralympics-Silbermedaille im Handbike-Straßenrennen in London sind Elke Janson und Dimitra Carapali aus dem Sunrise Medical Marketing unter die Redakteure gegangen und haben Vico Merklein Fragen zu Leidenschaft für den Sport, Dankbarkeit für die Erfolge und seine sportlichen Perspektiven gestellt.

Dimitra Carapali: Vico, du hast im September diesen Jahres an den Paralympics in London teilgenommen. Wie war dieses Erlebnis für dich?

Vico Merklein: Acht Jahre lang habe ich für die Paralympics trainiert. In dieser Zeit ging es rauf und runter. Und plötzlich war der Moment da, auf einmal zählen diese beiden Rennen. Die Vorbereitung, die Qualifikation, alle bisherigen Siege nützen einem in dieser Situation nichts. Da heißt es, die ganze Kraft auf diesen einen Moment bündeln. Dass es tatsächlich für Silber gereicht hat, geht mir echt nah. Beim Gedanken daran, könnt’ ich schon wieder flennen.

Elke Janson: Wie bist du zum Handbiken gekommen?

VM: Nach meinem Unfall einen Tag vor meinem zwanzigsten Geburtstag fiel ich in ein ganz tiefes Loch, ich machte einfach gar nichts. Irgendwann sah ich jemanden mit einem Vorschnallbike an mir vorbeifahren und dachte: ,Das ist es!‘ Ich fing auch an Rad zu fahren, immer mit dem Gedanken: ,Trainiere, fahre, mach dich fertig, damit du abends wieder schlafen kannst.‘ Vielleicht war es mein Glück, dass ich mit dem Vorschnallbike ganz schnell unterwegs war und zum Teil die Rennbikes überholt habe. Das gab mir Auftrieb, und ich genoss das gute Gefühl. Davon wollte ich mehr. Von meiner Oma bekam ich dann mein erstes Rennbike. Mit dem bin ich Rennen gefahren, vereinzelt auch HCT-Rennen (Anmerkung der Redaktion: Handbike City Trophy, inzwischen umbenannt zur Handbike Trophy). Für meine erste Marathondistanz benötigte ich 1:45 Stunden. Diese Zeit wollte ich auf 1:30 Stunden verbessern.

 

DC: Heute bist du „berufener“ Sportler. Wie kam es dazu?

VM: Ich war schon immer ein Lebenskünstler und bin irgendwie über die Runden gekommen. Vor meinem Unfall war ich Gas- und Wasserinstallateur. Danach habe ich Invalidenrente bekommen – zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Aber mir hat es gereicht.

Der Radsport wurde immer wichtiger für mich, und irgendwann konnte ich die ersten Sponsoren gewinnen, die mir beispielsweise den Sprit für die Fahrten zu den Rennen bezahlt haben. Unterstützung bekam ich auch von meinem Fahrradhändler, denn er baute mir die Ersatzteile, die ich brauchte, umsonst ein. Am Anfang musste ich viele Klinken putzen, immer wieder dran bleiben und fragen. Später bin ich als Amateur für Team Rehability gefahren, mein erstes Team.

Als Amateursportler war ich 2004 auf der Abschlussveranstaltung der HCT in Frankfurt und habe dort bei der Tombola ein dreitägiges Training mit Errol Marklein gewonnen. Er ist Manager vom Team Sopur und einer der Initiatoren der HCT. Das war Zufall, totales Glück und fühlte sich an wie ein Sechser im Lotto – kurzum: ein absoluter Wendepunkt in meinem Leben. Errol hat mir erst mal tausend Fragen gestellt. „Was sind deine Ziele?“, „Wovon träumst du?“ und so weiter. Da stand ich ganz schön verdattert da. Eigentlich habe ich mich einfach nur gefreut, mit Errol ein Training gewonnen zu haben. „Ich will einfach schneller fahren“, sagte ich ihm, „und eine Teilnahme bei den Paralympics wäre auch cool.“ Er half mir, meine Ziele zu formulieren und sie strategisch und beharrlich anzugehen. Auf einmal waren ganz andere Fragen wichtig, wie meine Bereitschaft, mich selbst und mein ganzes Leben auf den Sport auszurichten: „Wie viel Zeit hast du zum Trainieren? Wo willst du trainieren, wann? Bist du bereit für den Schmerz?“

 

DC: Wie ging es dann weiter?

VM: Das Ziel Paralympics war nun ausgesprochen. Errol hat dann den Weg dorthin auf einem Flipchart aufgezeichnet. Ich stand ganz unten und das Ziel war ganz oben. Er sagte: „Es gibt immer wieder Rückschläge, der Weg ist weit und kurvig. Wenn man den Weg aufmalt, entsteht ein Tannenbaum. Du brauchst Geld, Freunde, Rat, Material, Schmerzresistenz und Zeit. Im Sport hangelst du dich von Ast zu Ast nach oben. Und du schwingst immer wieder zurück und arbeitest dich langsam weiter nach oben. Manchmal bricht ein Ast, z. B. wenn du dich verletzt, aber wenn du dran bleibst, geht es immer weiter. Willst du das?“ – Und ob ich wollte!

Errol und ich haben uns auch später, nach dem dreitägigen Training, das ich gewonnen hatte, oft getroffen und gemeinsam trainiert, auch mit meinen Team-Kollegen von Rehability. Ich habe immer gern mit anderen Leuten trainiert. Das macht mehr Spaß und man kann schon im Training abgleichen, wo man steht. Diesen Rat hat mir auch Errol gegeben: „Trainiere immer mit den Besten! Warum willst du erst im Wettkampf merken, wo du stehst?“ Bei den Trainings war nach zwei Stunden Schluss bei meinen Trainingspartnern.  Ich wollte immer noch länger und mehr trainieren, meine Grenzen spüren. Außerdem lohnte es sich doch nicht, für zwei Stunden Training insgesamt zwei Stunden Fahrt auf mich zu nehmen. Da wurde es schon sichtbar, dass ich einfach ehrgeiziger war, andere Ziele hatte. .

 

EJ: Und wie und wann kam das Team Sopur ins Spiel?

VM: Errol hat mir 2006 ein konkretes Angebot gemacht, für das Team Sopur zu fahren. Als loyaler Kerl habe ich Rehability gegenüber stets mit offenen Karten gespielt und gleich das Angebot vom Team Sopur vorgelegt. Ich hatte gehofft, von Rehability gleiche Konditionen zu erhalten. Es kam anders, weil das Team sich als Breitensportteam verstand und ich einfach weiterkommen wollte. So kam ich Anfang 2007 ins Team Sopur.

Meine erste WM war 2006 in Aigle. Da haben sie mich nicht starten lassen. Nach dem Warmfahren wurde ich mit dem Vorwurf disqualifiziert, ich hätte an meinem Bike geschraubt. Es war nichts zu machen, was der Platzwart sagt, ist Gesetz! Ich hab mich gefühlt wie ein Pferd auf der Rennbahn, dessen Box nicht aufgeht, während alle anderen schon los rennen. In meiner Wut und Trauer habe ich Errol angerufen. Der sagte nur: „Ärgern ändert nichts. Bleib ruhig, sonst wird es nur noch schlimmer und sie sperren dich komplett.“ Diese Erfahrung war schlimm.

Ab 2007 bin ich für das Team Sopur gefahren. Mein erklärtes Ziel war Beijing 2008, dafür habe ich trainiert. Leider hat es damals nicht ganz gereicht, ich wurde nicht nominiert. Wir fuhren noch mit den Kniebikern in einer Klasse, die der Verband aufgrund des Streckencharakters für aussichtsreichere Wettkämpfer hielt. Ich war super enttäuscht, ich war so erfolgreich, war sogar Deutscher Vize-Weltmeister. Am Ende war ich trotzdem bei den Paralympics in Beijing dabei, als Co-Trainer für meinen Team Sopur-Kollegen Edward Maalouf, der in Holland lebt. Er startete bei den Paralympics für seine Heimat Libyen. Das war eine sehr wichtige Erfahrung. Ich war hautnah dabei, unterstützte meinen Teamkollegen, wo ich konnte und arbeitete an seinen Stärken. Als Edward dann zwei Mal Bronze gewann, weinte ich vor Glück. Ich war so stolz auf ihn, denn keiner hatte ihn auf dem Plan. Er hat das Unmögliche möglich gemacht, und ich war dabei. Der Wunsch, selbst eine Medaille bei Paralympischen Spielen zu gewinnen, wurde riesig.

 

DC:  Das war wohl eine ziemlich bewegte Zeit! Ging es dann steil mit der Vorbereitung für die Paralympics 2012 für dich weiter?

VM: Nach Bejing habe ich mich auf das nächste große Ziel konzentriert: London 2012. Errol meinte: „Mach aber erst mal ein – wie er das nannte – ‚Wildwestjahr’. Mach etwas, was dir richtig Spaß bereitet.“ Und dann kam die verrückte Idee mit dem Race Across America 2009, ein Abenteuerrennen für Extremsportler. Das Team Can Be Venture hatte damals noch kurzfristig einen Fahrer gesucht. Ich war in der Szene schon als ein bisschen verrückt bekannt. (lacht) Wir waren ein Team von vier Handbikern – zwei Deutsche und zwei Amerikaner. Es ging von West nach Ost, von San Diego in Richtung Washington. Und das in nur acht Tagen, neun Stunden, acht Minuten. Immer einer ist gefahren. Das war das Anspruchsvollste, was ich jemals gemacht habe. Ich habe meine Grenzen ausgelotet und mental wie auch physisch alles aus mir rausgeholt. Jeder dachte, ich hätte mich total verausgabt. Gerade mal zehn Tage nach meiner Rückkehr bin ich jedoch beim Heidelberg Marathon den Weltrekord gefahren, mit 1 Stunde und 3 Sekunden.

2010 folgte die Weltmeisterschaft in Kanada. Da wurde ich Dritter im Zeitfahren und Vierter im Straßenrennen. Seit 2010 fahre ich auch im A-Kader, womit ich ins Top-Team für London kam. Mit dieser Unterstützung ließ es sich noch besser trainieren. Ich habe alles für den Sport gegeben. So bin ich eben. Meine Freundin kann ein Lied davon singen. Aber es gehörte noch etwas anderes dazu, sportlich so erfolgreich zu sein: Ich musste lernen, mich mit den strengen Vorgaben der Nationalen Dopingbehörde zu arrangieren. Denn wenn es dumm läuft, können zwei Mal, in denen man für die Dopingbehörde nicht erreichbar ist, eine Sperrung auf lange Zeit bewirken.

 

DC: Wie können wir uns das vorstellen?

VM: Egal was ich mache und wohin ich gehe, ich muss mich bei der Nationalen Dopingbehörde abmelden, und zwar an 365 Tagen im Jahr. Selbst wenn ich ins Kino gehe, heißt es abmelden und immer angeben, wo ich bin. Das ist der schlimmste Stress im Leistungssport. Eine Kollegin von mir hat einmal angegeben, sie wäre von 9-14 Uhr auf der Strecke. Sie war um 8.55 Uhr in ihrer Garage und ist in ihr Bike eingestiegen. Punkt 9 Uhr fuhr sie hinten raus los. Und Punkt 9 Uhr stand vor dem Haus die Nationale Dopingbehörde. Sie konnte zum Glück per SRM nachweisen, dass sie tatsächlich zum angegebenen Zeitpunkt aus der Garage gefahren war. Sonst hätte das zwei Jahre Sperre bedeutet. Naja, inzwischen habe ich mich sogar daran gewöhnt.

2011 war dann entscheidend für die Paralympics-Qualifikation innerhalb des A-Kaders.  Für eine WM-Teilnahme müssen drei Rennen im Jahr zur Qualifikation absolviert werden. Drei Chancen, mehr ist es nicht. Das ist echt mentaler Stress, denn wenn das nicht klappt, kommst du nicht zur WM und hast keine Möglichkeit zu den Paralympics zu fahren.  Bei der Weltmeisterschaft in Roskilde (Dänemark) wurde ich Vize-Weltmeister im Zeitfahren und Vierter im Straßenrennen. Damit kam ich zumindest in die engere Wahl. 2012 habe ich dann bei jedem Rennen meine Leistung bestätigt. Damit konnte ich auch meine Teilnahme in London sicherstellen. Ich war 2012 bis Mitte September  168 Tage nicht zu Hause. Das ist auch eine Belastungsprobe für Freunde, Familie und für die Freundin. Das hat mich einige Beziehungen gekostet, aber das Handbiken hat für mich Priorität, das kommt vor allem. Das wissen inzwischen alle.

 

EJ: Und dann war es so weit, die Paralympics in London standen an. Wie war das, was ging in dir vor?

VM: „Vico go for Gold“ – diese Worte las ich auf einer riesigen Fanflagge, als ich kurz aus der Box rausschaute. Da habe ich geschluckt, das hat mich umgehauen! Du denkst, du bist tough, du bist cool und dann ist das alles so emotional. Da half nur noch, mir selbst gut zuzureden. In dieser überwältigenden Stimmung versuchte ich die Startnummer am Bike zu befestigen und merkte plötzlich, dass die Gabel zu Dreiviertel gebrochen war. Genau 90 Minuten vor dem Start zum Zeitrennen!

 

EJ: Wie konnte so etwas denn überhaupt passieren?

VM: Ich hatte gepokert, wollte so wenig Gewicht und Schweißnähte wie möglich an meinem Bike. Errol hatte mich gewarnt und wollte verhindern, dass ich ein zu großes Risiko eingehe. Das hatte ich nun davon. Mitten in meinen absoluten Frust kam der Service-Mann vom Deutschen Behindertensportverband (DBS) und sagte völlig schockiert: „Oh Gott!“. Da hab ich gedacht „Ja genau, das brauch ich jetzt noch!“ Ich hab mich dann mit meinem Ersatzbike warm gefahren und der Service-Mann hatte 90 Minuten Zeit, den Riss zu beheben. Am Ende haben sie der Gabel einen „Plastikgips“ angelegt und diesen mit Karbonfasern umwickelt. Obwohl ich es für wahrscheinlich hielt, dass die Gabel halten würde, war mein Kopf nicht frei. Und so kam eben dieser vierte Platz heraus – Holzmedaille. Das war totaler Frust!

 

DC: Und dann der große Moment, das Straßenrennen – wie hast du das erlebt?

VM: Das Rennen lief super. Ich habe einfach gemerkt, dass ich meine Leistung abrufen kann. Alles hat gepasst: Ich fuhr vorneweg. Es war alles cool, bis ich in der sechsten Runde merkte, dass der Rafal (Anmerkung der Redaktion: Rafal Wilk, Polen, Goldmedaille) mich überholte. Meine Konzentration war kurz weg, und genau den Moment hat er genutzt. Als ich es realisiert habe, konnte ich nichts mehr machen. Ich wusste, was passiert. Rafal ist den Berg hoch gebrettert, ich ihm hinterher. Aber er ist mir stetig in kleinen Schritten weggefahren. Oben auf der Kuppe hatte er 50 Meter Vorsprung. Ich habe bis auf 10 Meter aufgeholt, dann waren meine Arme so dick, ich konnte nichts mehr machen. Ich wusste, den kriege ich nicht mehr. Also habe ich auf Schadensbegrenzung umgestellt. Ich war echt gewillt zu sterben, ich habe alles gegeben. Ich hatte am Ende 90 Sekunden Vorsprung auf den Joel (Anmerkung der Redaktion: Joel Jeannot, Frankreich, Bronzemedaille). Die Leute auf der Zielgerade sind ausgerastet, das Team, die Betreuer, das war unglaublich.

Am Ende der Strecke habe ich nicht geglaubt, dass ich im Ziel bin. Ich habe mich gefragt: „Kommt noch mal eine Runde?“. Ich habe ganz unsicher geschaut: „War es das jetzt?“ Es wäre nicht das erste Mal, dass einer vor lauter Adrenalin denkt, er wäre am Ziel, reißt die Hände hoch und plötzlich fahren die anderen Teilnehmer an ihm vorbei. Und dann bin ich tatsächlich über die Ziellinie gerast. Die ganze emotionale Last, die ich doch irgendwie aufgebaut hatte, fiel ab. Ich habe nur noch geschrien. Ich war heiser, bis ich in der Boxengasse war. Hey, ich habe so darum gekämpft, ich war so zufrieden, so glücklich.

EJ: Was kommt jetzt, was ist das nächste Ziel für Vico Merklein?

VM: Rio 2016, klar! Vielleicht aber nächstes Jahr erst mal wieder ein ‚Wildwestjahr’. Irgendwas, was noch keiner gemacht hat und von dem jeder glaubt, das funktioniert nicht. Wenn mir die Ideen ausgehen, vielleicht fällt Errol etwas Verrücktes für mich ein (lacht).

Generell steht für mich fest: Wenn ich selbst nicht mehr fahren kann, dann werde ich versuchen, jungen Talenten mitzugeben, was ich selbst erfahren durfte: Unterstützung dabei, die eigenen Grenzen auszuloten, konsequent sich (auch gern hohe) Ziele zu setzen und diese erreichbar zu machen. Auf diese Aufgabe freue ich mich richtig. Ich weiß nicht, wo ich bei all dem ohne einen Wegbegleiter wie Errol Marklein heute wäre.

Lebensfreude im Fokus

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Sitzt die Frisur? Beim Fotoshooting für den Jahreskalender wurde auf jedes Detail geachtet. Foto: Coloplast
Sitzt die Frisur? Beim Fotoshooting für den Jahreskalender wurde auf jedes Detail geachtet. Foto: Coloplast

Insgesamt zwölf Stomaträger und Anwender von Kontinenzprodukten standen im August für den neuen Coloplast Jahreskalender 2013 in Hamburg vor der Kamera. Das Ergebnis sind beeindruckende Porträts von Menschen, die vor allem eines zeigen: Auch mit Einschränkung kann man sein Leben aktiv, selbstbestimmt und positiv gestalten. „Die Lebensqualität unserer Anwender durch qualitativ hochwertige Produkte zu verbessern, ist unsere primäre Aufgabe“, erklärt Coloplast-Geschäftsführer Dr. Chima Abuba. „Dies ist die Voraussetzung für neuen Lebensmut und auch seelische Zufriedenheit.“

Und anderen Betroffenen Mut zu machen und Kraft und Zuversicht zu vermitteln, das ist auch das Ziel des Coloplast Jahreskalenders. Nach dem großen Erfolg der letzten beiden Ausgaben wurden im August bei Coloplast in Hamburg die Aufnahmen für den Jahreskalender 2013 gemacht. Dem Aufruf zur Teilnahme waren insgesamt über 150 Bewerber gefolgt, darunter Menschen mit Kontinenzversorgung, Wundversorgung und auch künstlicher Ernährung. „Wir hatten diesmal wieder deutlich mehr Bewerbungen als im Vorjahr, was die Auswahl der Kalendermodels besonders schwierig gemacht hat“, erläutert Nina Götz, Senior Market Manager. „Denn hinter jeder Bewerbung steht eine Person mit ihrer ganz persönlichen Geschichte. Und natürlich wäre jede dieser Geschichten es wert, erzählt zu werden.“

Auch mit Einschränkung das Leben genießen

In langen, intensiven Gesprächen wurden dann bei Coloplast die Models ausgewählt. Zu ihnen gehören auch Janna, die als Rollstuhlfahrerin anderen Betroffenen beim Berufsstart hilft, Rüdiger, der als Stomaträger mit seinem Kanu Flüsse und Gewässer in ganz Europa erkundet, oder Wolfgang, der als Cowboy und Westernreiter mit Kolostoma fest im Sattel seines Pferdes sitzt. Ebenfalls dabei waren die Stomaträgerin Janine sowie Michael, ein querschnittsgelähmter Stomaträger. „Heute kann ich als Stomaträger praktisch uneingeschränkt meinen Hobbys, dem Reisen und dem Sport, nachgehen“, erzählt Michael. „Ich habe mich als Kalendermodel beworben, um zu demonstrieren, wie man auch mit Einschränkung reisen, seinen Horizont erweitern und die Welt erobern kann.“ Auch Janine lässt sich von ihrem Handicap nicht unterkriegen: „Ich genieße jeden Tag und gehe mit einem Lächeln durchs Leben“, meint sie. „Natürlich war ich vor dem Shooting aufgeregt, aber die lockere, freundliche Atmosphäre hat meine Nervosität schnell verfliegen lassen“, so Janine nach den Aufnahmen.

Vorbild und Motivation für andere Betroffene

„Die porträtierten Menschen zeigen vor allem eines: dass man auch mit Handicap ein erfülltes, lebenswertes Leben führen kann“, so das Fazit von Jana Kara, Projektmanagerin KundenDialog. „Die Bereitschaft unserer Kalendermodels, ihre ganz persönliche Geschichte zu erzählen, hat damit eine tolle Vorbildwirkung für andere Betroffene.“ Das Fotoshooting bot dabei auch die ideale Gelegenheit, mit den jeweiligen Personen in Kontakt zu treten.

Weihnachtsgeschenk an SIEWA-Kunden

Neben dem Coloplast Kalender gibt es auch 2013 wieder einen eigenen SIEWA Jahreskalender. „Der Jahreskalender ist ein einzigartiges Projekt, und besonders gefreut hat mich, dass ich bei den Aufnahmen unsere Kunden auch einmal persönlich kennenlernen konnten“, berichtet Christine Henrich, Market Managerin bei SIEWA Coloplast Homecare. Sie fügt hinzu: „Wir freuen uns sehr, auch dieses Jahr unseren SIEWA-Kunden den Kalender als Weihnachtsgeschenk zu überreichen. Darüber hinaus stellen wir in dem Kalender jeden Monat einen SIEWA-Mitarbeiter vor.“ 

Weitere Informationen

Der Coloplast Jahreskalender 2013 kann kostenfrei bestellt werden unter www.jahreskalender.coloplast.de. Dort finden Sie auch einen Film über das Fotoshooting.

Rollstuhlgerechtes Wohnmobil

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Rollstuhlgerechtes Wohnmobil mieten
Hier gibt es den Artikel „Rollstuhlgerechtes Wohnmobil“ als PDF.

Ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil von der Stange? Gibt es das überhaupt? Kurze Antwort: Nein! Zwar sind die üblichen Umbauten wie Gas- und Bremsfunktion bei eingeschränkter oder komplett ausgefallener Fußfunktion in den meisten Fällen möglich. Auch ein automatisches Getriebe ist bei vielen Basisfahrzeugen der Wohnmobilhersteller inzwischen zu bekommen. Doch selbst wenn man mit einer Hebebühne die Höhe zum Fahrzeug überwunden hat, versperrt spätestens die 55 cm schmale Eingangstür dem Rolli die Einfahrt in den Wohnraum. Auch im Inneren des Mobiles ist beim normalen Grundriss, der wohl hauptsächlich für schlanke Reisende konzipiert zu sein scheint, das Rangieren mit einem Rollstuhl unmöglich. Trotzdem haben wir uns den Traum verwirklicht, ein Serien-Wohnmobil für unsere ganz speziellen Bedürfnisse in ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil für Selbstfahrer umbauen zu lassen. Wir, das sind meine Frau und ich, zwei Camper aus Leidenschaft und das seit über dreißig Jahren.

Eins rollstuhlgerechtes Wohnmobil als Wohnwagenersatz

Bisher waren wir mit Campingbussen unterwegs. Vor zehn Jahren haben wir uns zusätzlich einen rollstuhlgerechten Wohnwagen zugelegt und diesen so umbauen lassen, dass ich mit meinem Rolli darin gut zurecht kam. Seit sieben Jahren haben wir mit diesem Gespann, VW-Campingbus und Wohnwagen, die Wintermonate beim Camping in Spanien verbracht.

Urlaub im rollstuhlgerechten Wohnmobil
Bis es mit dem eigenen rollstuhlgerechten Wohnmobil auf die Reise gehen kann, ist es ein langer Weg.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

In den letzten Jahren geht der Trend weg vom Wohnwagen hin zum Reisemobil. Das Netz der Ver- und Entsorgungsstationen ist in Europa fast lückenlos. Beinahe an jeder Ecke findet man einen Wohnmobilstellplatz. Doch diese sind für Wohnwagen tabu. Nun gehören wir nicht zu den Menschen, die einen Campingplatz direkt ansteuern, dort über Monate bleiben und dann auf dem schnellsten Weg wieder nach Hause fahren. Wir reisen gerne, sind mal drei Tage hier oder bleiben eine Übernachtung dort. Im Winter aber, auf unserem Weg in den Süden, haben die meisten Campingplätze noch geschlossen. Und so reifte in uns der Entschluss, das Gespann gegen ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil einzutauschen.

Doch wie soll es aussehen und welcher Typ soll es sein? Wir wälzen Prospekte und surfen im Internet. Wir finden einige Hersteller, die rollstuhlgerechte Wohnmobile anbieten. Doch die meisten entsprechen nicht unseren Vorstellungen. Schließlich wollen wir mit einem Wohnmobil und nicht mit einem Badezimmer nach Rollstuhl-DIN-Norm durch die Gegend fahren. Andere Umbauten für ein behindertengerechtes Gefährt übersteigen unsere finanziellen Grenzen.

Breite Türen gibt es nicht von der Stange

Barrierefreie Türen sind eine Notwendigkeit im Wohnmobil
Eine breite Tür mit barrierefreiem Einstieg muss nachgerüstet werden, Serientüren sind zu schmal.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

Nachdem wir im Internet einen Hersteller finden, der für einen akzeptablen Preis Türen und Klappen auf Maß in Freizeitmobilen einbaut, richten wir unser Augenmerk auf den individuellen Umbau eines serienmäßigen Wohnmobils von der Stange in ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil. Die Firma Tegos in Ostrach verspricht, in nahezu jedes Wohnmobil Türen auch mit Überbreiten einzubauen, wenn der Platz dafür vorhanden ist. Die benötigten Teile dafür liefert zum Beispiel auch die Firma Hehn in Duisburg.

Also, mit einer breiteren Türe und einem Lift wäre ich ja immerhin schon einmal im Fahrzeug. Die weiteren Überlegungen sind: welcher Typ. Alkoven, Teilintegrierte und Vollintegrierte stehen zur Auswahl. Ein Alkovenmobil fällt ebenso aus wie eines mit einer großen Heckgarage, da das Bett im zweiten Stock für mich nicht zu erreichen ist. Bei der Hebebühne fällt unsere Entscheidung auf einen Kassettenlift, der unter dem Fahrzeug angebracht ist. Eine Hebebühne im Fahrzeug nähme zu viel Raum ein und ist zudem kein attraktives Möbelstück im Wohnbereich. Bei einer Anbringung der Hebebühne außerhalb des Fahrzeuges müssen jedoch die serienmäßigen Trittstufen an der Eingangstür entfallen. Und damit meine Frau nicht bei jedem Tankstopp erst die Hebebühne zum Aus- und Einsteigen betätigen muss, kommen für uns auch vollintegrierte Wohnmobile nicht mehr in Frage. In diesen ist nämlich im Fahrerhaus keine Türe auf der Beifahrerseite vorhanden, durch die man mal schnell raus und rein kann.

Somit bleibt der Teilintegrierte übrig mit einem Grundriss, der sich schon in unserem Wohnwagen bewährt hat: Schlafplätze hinten als Doppelbett mit daneben liegendem Toilettenraum. In der Mitte die Küche, gegenüber der Kleiderschrank und im Frontbereich die Sitzecke. Wesentlich ist bei der Aufteilung, dass der Toilettenraum nicht gegenüber von Schrank oder Küche zu finden ist. In diesem Fall ist Drehen selbst mit dem kleinsten Rolli nicht mehr möglich. Und auch wenn der Rollstuhlfahrer so fit ist, dass er sich frontal zum Bett stehend umsetzen kann, blockiert der Rollstuhl dann den Durchgang komplett. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass es dem Partner auf Dauer gefällt, über den Rollstuhl ins Bett zu steigen.

Ein barrierefreies Wohnmobil bietet reichlich Platz
Im Wohnraum des barrierefreien Wohnmobils kann man sich mit dem Rolli nahezu uneingeschränkt bewegen.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

Die Sitzgruppe ist in den meisten Mobilen so konzipiert, dass die Vordersitze im Fahrzeug drehbar sind und zusammen mit einer quer eingebauten Sitzbank im Fahrzeuginneren die Sitzgruppe bilden. Manchmal ist auf der Beifahrerseite dann noch eine Längsbank eingebaut, so dass alles zusammen zu einem zweiten Bett umgebaut werden kann. Da wir jedoch nur zu zweit reisen, planen wir die Quer-Sitzbank drehen zu lassen. Sie befindet sich dann längs der Fahrtrichtung hinter dem Fahrersitz. Und wenn man dann noch die Sitzbank gegenüber entfernt, entsteht ein komfortabler Wohnraum, in dem man sich
rollstuhlgerecht nahezu uneingeschränkt bewegen kann.

Ein barrierefreies Wohnmobil mit Automatikgetriebe ist schwer zu finden

Soweit steht unser neues rollstuhlgerechtes Wohnmobil also. Allerdings erst einmal auf dem Papier. Nun beginnt die Suche in vivo. Dabei merken wir bald, dass der anfangs erwähnte Boom der Reisemobile nicht unbedingt zu unserem Vorteil ist. Man hat das Gefühl, die Händler verkaufen so viel, dass das Bemühen um den Kunden nicht so wichtig ist. Schon im April kann man kein Fahrzeug aus dem laufenden Jahr mehr bestellen. Die Händler haben die kompletten Modellserien beim Hersteller aufgekauft. Man muss nehmen, was auf dem Hof steht. Und da findet man in der Regel erst einmal gar nichts mit einem automatischen Getriebe! Ein Modell vom kommenden Jahr könnte man zwar schon bestellen. Aber auf Nachfrage heißt es, Änderungen gäbe es bestimmt. Aber die kenne man noch nicht. Schließlich kommen die neuen Prospekte auch erst im Herbst.

Barrierefreies Wohnmobil mit Automatikgetriebe
Wohnmobile mit Automatikgetriebe, die sich für Fahrhilfen eigenen, sind bei den Händlern kaum zu bekommen.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

Da wir jedoch festgestellt haben, dass es bei den geplanten Umbauten unseres rollstuhlgerechten Wohnmobils auf jeden Zentimeter ankommen kann, können wir nicht blind bestellen. Haben wir, meist natürlich meine Frau, mit dem Zollstock doch schon unter so vielen Fahrzeugen gelegen, weil die schönste Inneneinrichtung nichts nützt, wenn unten drei Zentimeter für den Einbau der Hebebühne fehlen. Doch wir werden fündig. Im Internet entdecke ich bei einem Nürnberger Händler das Fahrzeug, welches unseren Bedürfnissen für ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil am ehesten entspricht. Einen Dethleffs Summeredition T 6701 auf Fiat Ducato mit 150 PS Dieselmotor und automatisiertem Getriebe. Sehr vorteilhaft für uns ist, dass wir dieses Fahrzeug über die Firma GÜMA in Friedrichsfeld, einem großer Dethleffs-Händler in der Nähe unseres Wohnorts, beziehen können.

Individueller Umbau des Caravan: Für jedes Problem gibt es eine Lösung

Nun machen sich die vielen eigenen Recherchen im Vorfeld bezahlt. Ich bespreche meine Umbaupläne für unser rollstuhlgerechtes Wohnmobil mit  dem Werkstattmeister Barrenpohl und stoße bei GÜMA auf ein Team von erfahrenen Leuten, die meine Wünsche gut umsetzen können. Insbesondere von den Ideen und Arbeiten des Schreinermeisters Schmid, der unseren Innenraum umgestaltet, sind wir beeindruckt.

Umbau eines Wohnmobils für Rollstuhlfahrer
Auf dem Weg zum barrierefreien Wohnmobil sind die Umbaumöglichkeiten nahezu unendlich.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

Unsere Hauptaufgabe ist die Koordination zwischen den verschiedenen Firmen, die unser Wohnmobil „schnitzen“ sollen. Schließlich muss alles sehr genau aufeinander abgestimmt werden. Ingo Berberich, der Technische Leiter des Mobilcenters Zawatzky, nimmt sich die Zeit und 40 Kilometer Anfahrt in Kauf, um direkt vor Ort mit dem Werkstattmeister von GÜMA den Einbau der Hebebühne zu besprechen. Und wie wichtig das ist, zeigt sich direkt im Anschluss. Plötzlich ergibt sich ein Problem, welches zunächst unlösbar scheint. Ich bin schon sehr enttäuscht, als ich von AMF erfahren muss, dass mein Wunschkassettenlift K90 activ nicht möglich ist, da er nicht die geforderte Hubhöhe von 70 cm erreichen kann. Nun muss ich auch noch feststellen, dass der größere Bruder K90 wegen zwei Zentimetern nicht neben den Abwassertank unter dem Unterboden passt. Wir haben soviel gemessen, aber als das Mobil dann auf der Hebebühne steht, ist es auf einmal ein paar Zentimeter kürzer! Doch der Werkstattmeister von GÜMA findet im Internet auch hierfür mit dem Tankbauer Amalric plastic die Lösung. Dessen Slogan lautet: ihr Fahrzeug ist nicht von der Stange, unsere Tanks auch nicht. Unser Tank wird ausgebaut, dort hingeschickt, in der Mitte durchgeschnitten, um die entsprechenden Zentimeter gekürzt und wieder zusammengeschweißt.

Während der Tank abgeändert wird, fahren wir zur Firma Tegos. Zuvor wird bei GÜMA die Eintrittstufe ausgebaut und die Bodenplatte geschlossen. Da somit die Originaltüre ja nicht mehr zu schließen ist, wird auch diese ausgebaut. Man hebt mich mit samt dem Rollstuhl ins Fahrzeug und hinter mir wird die Türöffnung mit einem Bretterverschlag geschlossen. So kommen wir nach Ostrach und Tegos baut uns innerhalb von zwei Tagen eine breitere Tür ein, die sich zudem perfekt elektrisch öffnen und schließen lässt. Nachdem GÜMA den gekürzten Abwassertank wieder eingebaut hat, kann im Mobilcenter  Zawatzky die AMF Hebebühne K90 perfekt positioniert werden. Mit dem Handgerät Heidelberg RS (Handgas und Bremse) auf der linken Seite eingebaut kann ich nun zum ersten Mal unser neues rollstuhlgerechtes Wohnmobil spielend leicht selbst bewegen.

Urlaub am Meer mit Rolli und Wohnmobil
Mit dem fertig umgebauten Wohnmobil geht es nun in den Urlaub.
(Foto: Peter und Uli Barthel)

Die restlichen Schreinerarbeiten im Innenraum erscheinen uns nun nur noch wie Kosmetik. Ein kleines, zusätzliches Schränkchen auf der einen Seite, ein Bord auf der anderen und ein schwenkbarer, mit dem Rollstuhl unterfahrbarer Tisch. Die Öffnung in der Wand zwischen Bett und Toilettenraum ermöglicht mir den Zugang vom Bett aus an das Waschbecken und zur Toilette. Nun ist es fertig, unser neues Wohnmobil. Es hat uns schon einige Mühen und auch ein paar Nerven gekostet. Aber wir sind jetzt Besitzer eines Reisemobiles genau nach unseren Wüschen und Bedürfnissen. Die ursprüngliche Idee, ein Mobil unter sechs Meter Länge und trotzdem mit Komfort zu bekommen, hat sich zwar nicht verwirklichen lassen. Aber auf sieben Meter Länge haben wir alles, was wir für einen längeren, angenehmen Aufenthalt benötigen.

Wahrscheinlich erscheint manchem diese Vorgehensweise sehr aufwendig und kostspielig. Nach unseren Recherchen sind wir jedoch der Meinung, dass der Preis von ca. 80.000,- Euro für ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil inklusive aller erdenklichen Extras mit Automatik und allen behinderungsbedingten Umbauten akzeptabel ist. Und sollte jemand Ähnliches wie wir vor haben, so kann er/sie aus diesem Artikel ja eventuell ein paar Tipps entnehmen. Dann allerdings sollte auch unbedingt diese letzte Empfehlung beherzigt werden: So ein Mobil mit Umbauten niemals unter Zeitdruck planen! Vor einem Umbau empfiehlt es sich, ein barrierefreies Reisemobil zu mieten und das Camping und die Ausstattung zu testen. Anbieter, die Wohnmobile vermieten, finden Sie im Anschluss.

Hier gibt es den Artikel „Rollstuhlgerechtes Wohnmobil“ als PDF zum Runterladen.

Lesen Sie auch unseren Erfahrungsbericht: Barrierefreies Wohnmobil für Rollstuhlfahrer

Hier finden Sie Angebote von rollstuhlgerechten Wohnmobilen in den RehaTreff Kleinanzeigen.

 

Ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil kann man auch mieten. Anbieter mit Wohnmobilvermietung:

Liste von Unternehmen, die Wohnmobile barrierefrei umbauen:

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Wasser marsch für Inklusion

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Bei der Feuerwehr gibt es viele verschiedene Aufgabengebiete. Jeder wird nach seinen Stärken und Interessen eingesetzt. Foto: privat
Bei der Feuerwehr gibt es viele verschiedene Aufgabengebiete. Jeder wird nach seinen Stärken und Interessen eingesetzt. Foto: privat

Die Deutsche Jugendfeuerwehr (DJF) ist mit mehr als 240.000 jugendlichen Mitgliedern einer der großen Jugendverbände Deutschlands. Das „typische“ Jugendfeuerwehrmitglied: männlich, deutsch und körperlich unversehrt. Als Rollifahrer bei der Feuerwehr? Warum eigentlich nicht?, dachte sich die DJF. Ihr Ziel: Eine bewusste Ansprache und Integration aller Jugendlichen. „Die Feuerwehr möchte ein Spiegel der Gesellschaft sein, und in einer solchen offenen und demokratischen Gesellschaft gehören Menschen mit Behinderung ganz selbstverständlich dazu“, erklärt Uwe Danker, Bildungsreferent der Deutschen Jugendfeuerwehr. Er kümmert sich hauptamtlich um das Thema Inklusion, das in der DJF bereits seit 2007 mit der Kampagne „Unsere Welt ist bunt“ groß geschrieben wird. Das Projekt setzte seine Schwerpunkte zunächst auf die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sowie die stärkere Einbindung von Mädchen bei der Feuerwehr, richtete sein Augenmerk aber schnell auch darauf, wie Jugendliche mit Behinderung bei der Feuerwehr stärker einbezogen werden können.

Positive Grundeinstellung ist wichtig

Außerdem hat die Deutsche Jugendfeuerwehr mit Unterstützung der Aktion Mensch ein zweijähriges Bundesprojekt ins Leben gerufen, das das Thema Inklusion durch Aufklärungsarbeit und den Aufbau eines umfassenden Netzwerkes mit anderen Institutionen anpackt. „Sowohl Jugendliche mit als auch ohne Behinderung können voneinander lernen und gemeinsam Spaß haben. Es ist uns wichtig, jeden Menschen mit seinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren – ganz gleich, ob jemand behindert ist oder nicht“, erläutert Uwe Danker. Das Wichtigste dabei sei eine positive Grundeinstellung. „Statt zu denken: Der kann das sowieso nicht, sollten sich die Jugendwarte immer fragen: Was gibt es für Aufgaben und welche Stärken und Interessen hat der Jugendliche“, sagt der Bildungsreferent. Denn Feuerwehrarbeit bedeutet nicht ausschließlich Einsätze zu fahren und Löscharbeiten zu leisten, sondern eben auch Schläuche auszurollen, einen Notruf entgegenzunehmen, und an allgemeiner Jugendarbeit, wie Spielen, Gruppenabenden oder Ausflügen teilzunehmen. „Viele haben das Bild vom Feuerwehrhelden im Kopf, also einem Feuerwehrmann, der alles kann. Dabei ist es viel wichtiger, gute Teamarbeit zu leisten und das Können der Einzelnen in unterschiedlichen Arbeitsbereichen einzusetzen“, betont Danker.

Den Schalter im Kopf umlegen

Seit Ende März ist das Kooperationsprojekt zwischen DJF und Aktion Mensch nun bereits ausgelaufen. Und obwohl die Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung an der Feuerwehr vorangetrieben wurde, gibt es noch einiges zu tun. Noch immer gibt es bei Jugendwarten und Feuerwehren erst einmal einige Bedenken, wenn es um die Aufnahme eines Mitglieds mit Behinderung geht. Wie sieht der Versicherungsschutz aus? Wie verhalte ich mich bei einem Anfall? Was ist, wenn etwas passiert? „Da gilt es, gemeinsam Verhaltensweisen zu entwickeln und sich schlau zu machen. Immerhin stehen wir ja nicht alleine da. Wir können uns Hilfe von außen suchen, mit den Jugendlichen mit Behinderung selbst sprechen, ihre Eltern ansprechen oder Verbände und Selbsthilfeorganisationen um Rat und Tat fragen“, zählt Danker auf. Manche Jugendfeuerwehren hätten auch Angst, mit der Betreuung überfordert zu sein oder hätten anfänglich Berührungsängste, weil sie im ersten Moment einfach nicht wüssten, wie sie mit der Behinderung umgehen sollen. „Da hilft eigentlich nur eines. Den Schalter im Kopf umlegen und sich sagen: Wir probieren das einfach mal aus!“, sagt er.

Wer nicht mal auf eine Leiter steigen kann, hat bei der Feuerwehr nichts verloren?

Mit der Devise „Probieren geht über Studieren“ ist auch Thomas Burghart in die Feuerwehr gekommen und nun schon seit 2001 Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Jettingen. Der 31-Jährige leidet an Muskeldystrophie vom Typ Batten-Turner und sitzt daher im Rollstuhl. Ein Leben ohne die Feuerwehr kann er sich nicht mehr vorstellen. „Ich denke, jeder Junge hat den Traum, Feuerwehrmann zu werden“, glaubt er. „Die Feuerwehr bedeutet für mich Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, jedem zu helfen, der in Not ist. Ich bin einfach stolz, mich hier behaupten zu können“, erzählt er.

Am aktiven Wehrdienst kann Thomas zwar nicht teilnehmen, dafür aber in der Einsatzleitung den Funk besetzen oder die Dokumentation führen, die Internetseite der Freiwilligen Feuerwehr Jettingen und des Kreisfeuerwehrverbands Günzburg e.V. betreuen und natürlich Öffentlichkeitsarbeit leisten. „In ein brennendes Haus kann ich natürlich nicht rollen, das würde der Rollstuhl nicht überleben“, scherzt er. Doch dann wird der 31-Jährige ernst: Obwohl er sich seiner Einschränkungen in der Feuerwehrarbeit klar bewusst ist, gibt es einige Grenzen, mit denen er sich nicht so einfach abfinden möchte. „Es gibt z.B. sehr wenige barrierefreie Gerätehäuser“, bedauert er. Problematisch findet er aber besonders „die schwammige Aussage im Feuerwehrgesetz, dass man für den Einsatzdienst körperlich und geistig geeignet sein muss“.

Vielfalt als Chance

Besonders, als Thomas im Feuerwehrforum erfahren möchte, wie andere Kameraden zu dem Thema „Behinderte im Einsatzdienst“ stehen,  sieht sich der passionierte Feuerwehrmann mit vielen Vorurteilen konfrontiert: Wer nicht mal auf eine Leiter steigen könne, habe bei der Feuerwehr nichts verloren, hieß es dort. Und: Thomas sei verantwortungslos, weil er seine Kameraden gefährde. „Für viele ist die Feuerwehr ein Eliteverein, in der körperlich Benachteilige nichts verloren haben. Für mich ist ein übergewichtiger Mensch oder ein Brillenträger aber auch schon körperlich benachteiligt. Deshalb ignoriere ich solche Aussagen einfach. Ich unterscheide die Menschen auch nicht zwischen behindert und nicht behindert, sondern zwischen behindert und noch nicht behindert. Nur eine Sekunde kann einen Fußgänger in den Rollstuhl bringen. Sollten die Feuerwehr-Kameraden einen dann ausschließen, nur weil die Beine nicht mehr richtig funktionieren?“, fragt er.

„Unser Anliegen, Vielfalt als Chance zu sehen, ist leider noch nicht überall angekommen“, gibt auch Bildungsreferent Uwe Danker zu. „Diesen Widerstand gilt es zu überwinden, denn wenn man nur will, findet man immer einen Weg.“ Für Thomas Burghart steht jedenfalls fest, dass die Feuerwehr etwas für alle ist, egal ob behindert oder nicht behindert. Deswegen hat er sich entschlossen, mit seiner Website www.handicap-firefighters.com Aufklärungsarbeit zu leisten. „Es würde mir das Herz zerreißen, wenn ich nichts mehr für die Feuerwehr tun könnte, wenn die Gänsehaut nicht mehr käme, wenn ein Löschzug mit Sondersignal an mir vorbei fährt.“

Mehr PS für Handbike-Profis

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In einem nagelneuen silbernen BMW X3 verließen jetzt Torsten Purschke und Matthias Schilling vom Handbike Team Otto Bock die BMW Welt. Der BMW X3 xDrive 20d mit einer eingebauten Handbedienung und einem Lenkradknauf wird den Handbike Profis aus Baden-Württemberg für die Rennsaison bis Oktober 2012 überlassen. Das Otto Bock Team trägt seit 2009 das BMW Logo auf den Trikots. Und bereits in der letzten Saison war das Handbike Team mit einem BMW 535i Touring unterwegs.  Neben der Unterstützung des Otto BockTeams tritt die BMW AG dieses Jahr als Hauptsponsor des Handbike Cuprennens in Lobbach nahe Heidelberg auf. Die vom European Handbike Circuit ausgerichtete Veranstaltung ist eine der wichtigsten in Deutschland.

„Wir freuen uns sehr, dass BMW uns mit dieser Unterstützung die Möglichkeit gibt, den Sport einfacher ausüben zu können und den Bekanntheitsgrad dieser spannenden Sportart zu erhöhen. Und natürlich ist es einfach Freude am Fahren, wenn man am Steuer des neuen BMW X3 sitzt!“, schwärmt Torsten Purschke. Das 2002 gegründete Otto Bock Team gewann eine Gold- und eine Silbermedaille bei den Paralympics und mehrere Weltmeistertitel. Es nimmt seit Jahren regelmäßig am BMW Berlin-Marathon teil. 2009 gewann Torsten Purschke als Handbiker den größten Marathon Deutschlands.

BMW Deutschland ist seit 2011 ein wichtiger Partner des Laufsports in Deutschland und bei allen großen Marathon-Veranstaltungen prominent vertreten. In Berlin ist BMW Titelsponsor des Laufevents. Der BMW Berlin-Marathon ist der Höhepunkt des Laufsports in Deutschland, und zwar nicht nur für Läufer. Auch Inlineskater, Rollstuhlfahrer, Handbiker und Power-Walker stellen sich in eigenen Wettbewerben der Herausforderung der Marathon-Distanz. Auch dieses Jahr ist das Handbike Team Otto Bock mit am Start in Berlin.

Sir Ludwig Guttmann

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Sir Ludwig Guttmann revolutionierte die Behandlung von Querschnittgelähmten – und initiierte die Paralympics

Es gibt Geschehnisse, die prägen einen Menschen und bestimmen seinen künftigen Lebensweg. Als der 18 Jahre alte Ludwig Guttmann 1917 in einer Bergwerksklinik im damaligen Schlesien als freiwilliger Krankenhelfer arbeitete, wurde auf seiner Station ein Bergmann eingeliefert. Er war nach einem Grubenunfall querschnittgelähmt. „Da brauchst Du Dich nicht groß drum zu kümmern“, sagte ihm ein Pfleger, „der stirbt in ein paar Wochen.“ Und in der Tat. Fünf Wochen später war der gelähmte Kumpel verstorben, an einer Harnwegsentzündung und am Wundfieber.

Das Erlebnis in der Klinik habe, wie er später erzählte, seinen Berufswunsch wesentlich beeinflusst. Aber noch ein anderes Ereignis brannte sich in sein Gedächtnis ein: Während des Studiums wurden Guttmann und seine jüdischen Kommilitonen mit einem zu dieser Zeit nicht untypischen, auch gewalttätigen studentischen Antisemitismus konfrontiert. Daraus zog der angehende Mediziner mentale und körperliche Stärke. „Niemand braucht sich zu schämen, Jude zu sein“, sagte er sich und stellte sich der Auseinandersetzung, durch Kampfsport und Krafttraining körperlich vorbereitet. Nicht ducken, hinnehmen und wegschauen, sondern hinschauen, zupacken und kämpfen.

Sport bei der Rehabilitation

Kaum zehn Jahre nach diesen beiden Ereignissen war aus dem jungen freiwilligen Helfer ein namhafter Neurologe an einer Klinik in der schlesischen Bergbauregion geworden und aus dem sportlichen Studiosi drei Jahrzehnte später der Begründer nicht nur des Behindertensports, sondern der Gründervater der sogenannten Paralympics. „Wenn ich etwas Gutes in meiner medizinischen Laufbahn getan habe, dann war es das, dass ich den Sport zur Rehabilitation von behinderten Menschen genutzt habe“, sagte Guttmann, der nicht gerade groß gewachsen, aber von kräftiger Statur war, später in einer Rückschau auf sein Lebenswerk.

Ludwig Guttmann wurde am 3. Juli 1899 im oberschlesischen Tost, dem heutigen polnischen Toszek geboren. Er wuchs in einem orthodox jüdischen Elternhaus auf, in dem gegenseitige Hilfe und Wohltätigkeit eine religiöse, aber vor allem auch menschliche Verpflichtung waren. Deshalb engagierte er sich auch schon früh sozial und arbeitete als freiwilliger Krankenpfleger in einem Bergwerkshospital.

Die Verhältnisse konnten trostloser nicht sein. Bergunfälle waren an der Tagesordnung und oft konnten die Untertagearbeiter nach einer Verschüttung nur mit Lähmungen der Extremitäten geborgen werden. Die Überlebensperspektive war damals nicht nur aufgrund des apparatemedizinischen Standes nicht groß. Nierenversagen, Harnwegsentzündungen, das „Durchliegen“ der bewegungslos in den Betten ruhenden Patienten und deren psychisches „Versinken“ aufgrund der vermeintlichen Hoffnungslosigkeit, all dies lernte Guttmann schon vor seinem Studium kennen.

Ausreise aus Deutschland und Neubeginn in Oxford

Nachdem er 1924 sein Studium der Medizin als Neurologe in Freiburg beendet hatte, arbeitete er in einer Hamburger Klinik. 1929 wechselte er dann als Chefarzt an das Wenzel-Hanke-Krankenhaus in Breslau, wo er bis 1933 tätig war. Weil die Nationalsozialisten nach der Machtübernahme ein Berufsverbot für jüdische Ärzte verfügten und diese nur noch „jüdische Patienten“ behandeln durften, wechselte der Neurochirurg und Präsident der jüdischen Medizinervereinigung, der von seinen Freunden „Poppa“ gerufen wurde, ans Jüdische Krankenhaus in Breslau. Schon damals war sein Name in Fachkreisen bei der Behandlung von Verletzten mit Lähmungserscheinungen so groß, dass Nazi-Außenminister Joachim von Ribbentrop ihn – den Juden – im staatlichen Auftrag 1938 nach Lissabon schickte, um einen Freund des damaligen Diktators Salazar zu behandeln.

Seine Rückreise nutzte Guttmann, um in London Kontakt mit der „Society for the Protection of Science and Learning“ aufzunehmen, die jüdischen Ärzten die Ausreise aus dem Deutschen Reich ermöglichte. Gerade richtig, denn mit der „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ von 25. Juli 1938 wurde die Approbation aller jüdischen Ärztinnen und Ärzte mit dem 30. September für „erloschen“ erklärt. Am 14. März 1939 konnte Ludwig Guttmann dann „ohne einen Pfennig“, wie sich seine Tochter Eva erinnert, gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern Deutschland verlassen. Mithilfe der Schutzgemeinschaft fand er eine Anstellung als Neurologe in Oxford. Mit seiner Kritik an der Behandlung von Paraplegikern und Tetraplegikern in England machte er schnell auf sich aufmerksam.

Ende 1943 wurde Guttmann befragt, ob er bereit sei, eine Klinik für Querschnittgelähmte zu eröffnen, deren Zahl durch die kriegerische Auseinandersetzung zur Befreiung Deutschlands von der Nazidiktatur täglich anstieg. Er willige ein, jedoch mit einer Vorbedingung. Er forderte, dass „er die Behandlung in seiner Form durchführen dürfe.“ Die britische Regierung akzeptierte, und am 1. Februar 1944 wurde das National Spinal Injuries Centre, das Nationale Zentrum für Wirbelsäulenverletzungen im Stoke Mandeville Hospital eröffnet.

Neue Ideen und Therapien

Das Krankenzentrum in Aylesbury, der Hauptstadt der südenglischen Grafschaft Buckinghamshire, verfügte über 26 Betten und einen Patienten. In den Jahren danach waren „Poppa“ und seine ärztlichen Kollegen, darunter sehr viele jüdische Migranten aus Deutschland, im Stoke Mandeville Krankenhaus fast ausschließlich mit der Behandlung querschnittverletzter britischer Soldaten des Zweiten Weltkrieges beschäftigt.

„Als ich zum ersten Mal nach Stoke kam, galten die Patienten mit Rückenmarksverletzungen als hoffnungslose Krüppel. Ich akzeptierte diese defätistische Haltung nicht. Meine Philosophie war, dass diese Komplikationen nicht nur kontrolliert, sondern auch ganz vermieden werden können“, erinnerte sich Guttmann. Er riss im wahrsten Sinne die mobilen Raumteiler ein, hinter denen die Bewegungsunfähigen mehr oder minder sich selbst überlassen waren. Er gab den eingelieferten Patienten wieder Lebensmut im Rahmen ihrer schweren Verletzung, denn es gab noch ein anderes Problem innerhalb des Rehaprozesses: „Schwer gelähmte Patienten verlieren das Selbstvertrauen, ihre geistige Aktivität und ihre Würde, sie kapseln sich ab und werden unsozial.“

Mit neuen Ideen und Therapien rückte er den körperlichen Beeinträchtigungen sowie den körperlichen und seelischen Nebenwirkungen der Querschnittlähmung zu Leibe. Guttmann wollte, dass die Paralytiker so schnell wie möglich wieder ein ganz normales Leben führen konnten. Teamwork war dabei seine Devise. Nicht Ärzte, Therapeuten und Krankenschwestern „machten ihren Job am Patienten“, sondern gemeinsam arbeiteten sie „mit dem Patienten“. „Poppa hat die Aufteilung in Krankenpfleger und Physiotherapeuten aufgehoben und hat sie zu einem Team gemacht“, beschrieb später einer der Physiotherapeuten der ersten Stunde die Leistung Guttmanns.

Die ersten „Stoke Mandeville Games“

Vor allem auf körperliche Aktivitäten legte Guttmann während des Therapieaufenthalts seiner Patienten Wert. Muskelaufbautraining für Rollstuhlsitzer sollte nicht nur die körperliche Situation des Behandelten verbessern, sondern auch seinen psychischen Zustand. Dart, Bogenschießen, Snooker und Tischtennis wurden so adaptiert, dass sie als Teil der Reha-Therapie eingesetzt werden konnten. „Wir waren so beschäftigt an diesem verfluchten Ort“, beschreibt ein ehemaliger Patient seinen Aufenthalt, „dass wir keine Zeit hatten, krank zu sein.“

Als Klinikleiter in England entwickelte Ludwig Guttmann bis heute gültige Behandlungsmethoden für Querschnittgelähmte und verbesserte deren Rehabilitation auch durch sportliche Förderung. Dabei achtete er nicht nur auf die positive körperliche Wirkung der sportlichen Betätigung während des Heilungsprozesses eines Gelähmten, sondern auch auf die psychische Mobilisierung mit dem Ziel Folgeerkrankungen zu vermeiden, beziehungsweise zu begrenzen und Hilfestellung bei der Bewältigung des Alltags zu geben.

Am 28. Juli 1948 fanden in Aylesbury die ersten „Stoke Mandeville Games“ im speziell adaptierten „Behindertensport“ statt. An diesem Tag begannen in London die XIV. Olympischen Sommerspiele. 14 im Rollstuhl sitzende Männer und zwei Frauen, ehemalige Soldatinnen und Soldaten der britischen Armee, beteiligten sich an diesem ersten sportlichen Wettstreit. Mit Absicht hatte Guttmann das Datum ausgesucht, um den „Behindertensport“ bekannt zu machen.

Seit 1960 Paralympics

1960 trafen sich in Rom bereits 400 gelähmte Sportlerinnen und Sportler aus 23 Nationen, um sich offiziell im Anschluss an die Olympischen Spiele bei den sogenannten Paralympics zu messen. Seit dem spricht seltener jemand von den „Stoke Mandeville Games“, den „Weltspielen der Gelähmten“ oder der „Olympiade der Behinderten“, die der zum britischen Ritter geschlagene Sir Ludwig Guttmann ins Leben gerufen hatte. „Das Ziel ist es, gelähmte Männer und Frauen aus allen Teilen der Welt in einer internationalen Sportbewegung zu vereinen und durch den Geist wahrer Sportlichkeit Tausenden von gelähmten Menschen Hoffnung und Inspiration zu geben.“

Die Behandlungsmethode Guttmanns, nach dem in Deutschland inzwischen zwei Straßen, eine Schule und Sportzentren benannt sind, lernte auch der Unternehmer Manfred Sauer kennen. Ein verunglückter Kopfsprung in die Themse machte den jungen Deutschen bei einem Studienaufenthalt in England zum Tetraplegiker. „Ich bin, glaube ich, der einzige Deutsche, der seine Erstrehabilitation im Stoke-Mandeville-Hospital erhalten hat. Das war für mich 1963 Glück im Unglück“, betont Sauer.

„Wenn die Strenge Methode hatte, dann war es ein wohlüberlegtes Mittel, mit Autorität effizient eine Lebensumstellung einzupauken“, urteilte Sauer im Rückblick auf Guttmann bei der Einweihung der Ludwig-Guttmann-Halle in Heidelberg im vergangenen Oktober. „Stoke war, so wie ich es erlebt habe, eine gute Diktatur. Das Diktat der Notwendigkeit aus fundiertem Wissen, Verantwortungsbewusstsein und Überzeugung.“

„Das Leben im Rollstuhl ist Kampf“, sagt Sauer. Und diesen Kampf habe Sir Ludwig Guttmann, der am 18. März 1980 an den Folgen eines Herzinfarktes starb, mit militärischem Reglement begleitet.

„Entdecker“ Raul Krauthausen

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Raul Krauthausen (Foto: Sozialhelden)

Potentiale in Dingen und anderen Menschen sehen

Batman, Superman, Raul Krauthausen. Der überraschendste Name in dieser Liste ist zugleich der vielleicht größte Held – mit Sicherheit aber der realste, auch wenn Raul sich selbst nie als Held beschreiben würde. „Ich bin einfach nur jemand, der die glückliche Chance hat, seine Ideen umzusetzen und dabei auf ein tolles Team zurückgreifen kann“, sagt er bescheiden. Sein tolles Team, das sind die „Sozialhelden“, ein Zusammenschluss aus einem Netzwerk für Freiwillige und einem gemeinnützigen Verein mit vielen Projekten. „Unser Vereinsname ist natürlich ein bisschen übertrieben, aber damit wollen wir darauf hinweisen, dass jeder ein Held sein kann“, erklärt Raul Krauthausen.

Das Konzept dahinter: Auf soziale Probleme aufmerksam machen, ohne dabei Mitleid zu erzeugen, sondern lieber innovative Lösungen anbieten. Die meisten „Sozialhelden“ kommen aus dem Kommunikations- und Internetbereich oder sind Entwickler, so wie Raul. Er studierte an der Universität der Künste Berlin Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und am Hasso-Plattner-Institut der Uni Potsdam „Design Thinking“. „Ich habe immer gedacht, dass ich gerne „DIE“ erfolgreiche Idee entwickeln möchte, und obwohl ich mich schon immer politisch links eingeordnet habe, hatte ich nicht die große Weltveränderung im Auge“, verrät er. Ein Urlaub in Südamerika änderte alles: „Als ich gesehen habe, wie schlecht in Südamerika manche Menschen leben, wurde mir klar, dass man seine Energie und Kreativität besser für soziale Sachen einsetzen sollte“, erzählt der 31-Jährige, der in Peru geboren wurde und bereits seit seinem ersten Lebensjahr in Deutschland lebt. „Aber vom Brunnenbauen in Südamerika hatte ich einfach keine Ahnung. Stattdessen wollte ich etwas in Deutschland machen“, erläutert er.

Deutschland sucht den Superzivi

Zu dieser Zeit suchte Raul gerade einen neuen Zivi, denn er hat „Osteogenesis imperfecta“, besser bekannt als Glasknochen, und benötigt deshalb einen Rollstuhl. Doch anstatt auf der Suche nach einem Zivi Plakate zu kleben, oder zu Behörden zu rennen, veranstaltete er mit dem Jugendhörfunksender Fritz kurzerhand ein Casting im Stile von „Deutschland sucht den Superstar“. So fand er seinen Superzivi. Schnell war klar: Dabei konnte es nicht bleiben. Schließlich gab es noch so viele weitere Möglichkeiten, Spaßiges mit Sozialem zu verbinden. Und so gründete Krauthausen 2004 mit seinem Cousin Jan Mörsch die Aktionsgruppe Sozialhelden. Seitdem räumen die Sozialhelden regelmäßig so gut wie alle Sozialpreise Deutschlands ab – und stecken das Geld sofort wieder in neue Projekte. Stillstand kennt Raul nicht. Er sprudelt vor kreativen Ideen nur so über. Diese Ideen sind oft einfach und genial zugleich: So wie das Projekt „Pfandtastisch Helfen!“, bei dem man Flaschenpfandbons in Boxen neben dem Automaten wirft und das Pfandgeld so spendet. Die Bilanz: 100.000 Euro Spenden pro Jahr für die Berliner Tafeln.

Auch hinter dem neusten Projekt der Sozialhelden verbirgt sich eine Geschichte, die durch ihre Einfachheit verblüfft: Weil Rauls Freund irgendwann schlichtweg die Nase voll hatte, sich immer im selben rollstuhlgerechten Café mit ihm zu treffen, kam den beiden der Gedanke, eine virtuelle Karte zu erschaffen, mit der man erkennen kann, welche Locations rollstuhlgerecht sind und welche nicht. Wheelmap.org war geboren. Auf dieser Online-Karte kann jeder Informationen zur Barrierefreiheit öffentlicher Orte eintragen.

Nicht behindert, sondern behindernd

Gerade die Rechte körperbehinderter Menschen liegen Raul am Herzen: „Menschen mit Behinderung sind in unserer Gesellschaft leider immer noch unsichtbar“, sagt er und schaut ernst unter seiner charakteristischen Schiebermütze hervor. „In Deutschland können Menschen mit Behinderungen durch das Sonderschul-System sehr gut aus der Gesellschaft herausgehalten werden: Sie gehen oft auf Schulen, die nur Menschen mit Behinderung besuchen, und danach in sogenannte Behindertenwerkstätten. Im Alltag sind kaum Menschen mit Behinderungen sichtbar, weil sie jahrelang in einer Parallelgesellschaft versteckt wurden. Obwohl statistisch jeder zehnte Mensch in Deutschland eine Behinderung hat, sieht man sie kaum in Cafés, Restaurants oder Kinos“, beschreibt er. Für ihn gibt es einen klaren Unterschied zwischen „behindert“ und „behindernd“. Mit Letzterem kennt er sich leider nur zu gut aus. „Die meisten behindernden Situationen habe ich mit unflexiblen Behörden oder auch in Kinos, die nur einen Platz für Rollstuhlfahrer haben und in denen man mit Freunden im Rollstuhl nicht gemeinsam einen Film anschauen kann. Was ich aber am Schlimmsten finde, sind Stufen an Eingängen von Bars, Cafés oder anderen Orten, wo man sich gerne aufhält. Das sind Probleme, die mich wirklich nerven, weil es Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht erst seit gestern gibt!“

Das Recht, ein Arsch zu sein

Darüber kann sich Raul richtig aufregen. Mit seiner Behinderung ist er aber trotzdem im Reinen. Glasknochen seien für ihn so etwas wie Haarfarben für andere Menschen, sagt er beiläufig. Beides sei nun einmal angeboren. Seine Knochenbrüche zählt er schon lange nicht mehr. In der Jugend hat er sich öfters mal etwas gebrochen, inzwischen passiert dies noch etwa einmal im Jahr. Auch in seiner Berliner WG spielt die Glasknochenkrankheit keine Rolle. „Bei uns ist jeder so, wie er ist. Ich würde es auch nicht mögen, wenn ich eine Sonderbehandlung bekäme. In meiner WG lebt neben mir noch eine zweite Rollstuhlfahrerin und daher ist das bei uns ganz normal. Wir sind kein Sozial-Projekt, sondern eine stinknormale WG“, stellt er klar. Raul will weder bevorteilt, noch benachteiligt werden, sondern lediglich gleichberechtigt leben. Und zu dieser Gleichberechtigung gehört auch das Recht, sich ab und zu mal als Arsch aufführen zu dürfen – und auch als solcher von anderen Menschen wahrgenommen zu werden. „In manchen Situationen glaube ich, dass Menschen mich nicht kritisieren, weil ich im Rollstuhl sitze, und das will ich nicht. Auch ich mache Fehler oder trete mal jemandem auf den Schlips und da möchte ich genauso zurechtgewiesen werden, wie man es bei jedem anderen machen würde. Mein Rollstuhl oder meine Behinderung können mich nicht vor Fehlverhalten schützen“, erklärt er.

Wenn Raul so erzählt und seine wachen Augen durch die große Brille blicken, fällt es schwer, zu glauben, dass der 31-Jährige auch stille oder sogar zweifelnde Momente kennt. „Natürlich. Ich denke, das hat jeder. Vielleicht habe ich einfach gelernt, mit Herausforderungen umzugehen und mich wieder psychisch aufzurichten, wenn ich einmal unten bin“, sagt er. Raul versteht es, sich immer wieder neu zu (er)finden. Als Telefonseelsorger, Freelancer, Programmmanager bei Radio Fritz, ehrenamtlicher Vorstand der Sozialhelden, Webdesigner und Synchronsprecher hat er bereits viele Erfahrungen gesammelt. Er selbst bezeichnet sich aber am liebsten als „Entdecker“. „Also jemand, der sich selber gerne geistig herausfordert und Potentiale in Dingen und in anderen Menschen entdecken will“. Und als Entdecker ist Raul Krauthausen Thomas Edison gar nicht mal so unähnlich, denn schon diesem war klar: „Man muss Ideen einfach nur die Chance geben, sich zu verwirklichen.“

Verena Zimmermann

 

Rollstuhlgerechter Wohnwagen

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rollstuhlgerechter Wohnwagen
Hier können Sie sich den vollständigen Artikel als PDF downloaden.

In vorherigen Ausgaben haben wir uns in der Serie „Überwintern im Süden“ auch mit dem Thema rollstuhlgerechter Wohnwagen auseinander gesetzt. Dabei haben wir erfahren, dass viele mit einem mehr oder weniger umgebauten Wohnmobil reisen. Doch es gibt auch einige, die für ihren Urlaub einen Wohnwagen bevorzugen. Für alle, die mit diesem Gedanken spielen, hier einige Tipps zur Nutzung eines Wohnwagens für Rollstuhlfahrer.

Welcher Wohnwagen sollte es sein?

Größe und Typ sind wie bei Nichtbehinderten zuerst ein- mal abhängig von der Art des Reisens. Möchte man damit wirklich reisen, das heißt auch Nebenstrecken fahren und Ortsdurchfahrten meistern, dann sollte das Gespann nicht zu lang und vor allem nicht zu breit sein. Steuert man das Urlaubsziel jedoch direkt ausschließlich über die Autobahn an, dann sind auch Länge und Breite kein Thema. Das Fahr-verhalten eines größeren Wohnwagens ist nicht schlechter als bei kleineren. Im Gegenteil, ein schwerer Wohnwagen, even-tuell sogar mit einer Doppelachse, liegt ruhiger auf der Stra- ße und ist manchmal weniger Seitenwind anfällig.

 

Rollstuhlgerechter Wohnwagen – Was muss umgebaut sein?

Das Wichtigste für den Rollstuhlfahrer ist natürlich erst einmal, dass er in sein mobiles Heim hinein kommt! Das bedeutet: der Wohnwagen braucht eine breitere Tür. Nun gibt es inzwischen einige Hersteller, die Wagen mit breiteren Türen anbieten. Dabei haben sie weniger an Rollstuhlfahrer gedacht, als mehr an den Aktivurlauber, der Fahrräder oder gar ein Motorrad während der Fahrt im Wohnwagen verstauen möchte. Jedoch sind diese Wohnwagen mit ihrem Ausbauund der teilweise spartanischen Ausstattung nicht jedermanns Geschmack. Wen es nicht stört, dass sich die Tür im Design etwas von der Wohnwagenseitenfront abhebt, kann sich auch nachträglich eine breitere Türe einbauen lassen. Dieses macht allerdings nicht der Hersteller, sondern der Händler. Darauf zu achten ist, dass sich im gewünschten, grö ßeren Türausschnitt keine tragenden Teile des Aufbaus oder Fenster befinden und dass das Fahrgestell nicht verändert werden muss. Dieses sollte unbedingt vor dem Kauf mit dem Händler besprochen werden!
Der Einstieg
Ist die Tür breit genug, bleibt das Problem: Wie komme ich hoch? Ich habe manche gesehen, die sich aus dem Rollstuhl auf den Boden setzten, auf dem Gesäß ein Stück in den Wagen rutschten, den Rollstuhl hinterher zogen und sich dann auf die Sitzbank hochdrückten. Für mich wäre dieses allerdings keine Dauerlösung. Ich möchte selbständig ohne Hilfe und großen Umstand auch mal eben eine Cola oder einen Pulli aus dem Wagen holen können!
Rampe?
Eine einigermaßen preiswerte Lösung stellt eine Rampe dar. Aber nicht unbedingt die praktischste. Um den Höhenunterschied von ca. 50 Zentimeter selbständig zu überwin-
den, benötigt der sportlich gut trainierte „Para“ mindestens2,50 Meter Rampenlänge, der Normalrollstuhlfahrer drei Meter oder mehr. Dazu braucht man unbedingt ein Podest
vor dem Eingang, denn würde man die Rampenschienen direkt am Türeintritt auflegen, kann man die Tür nicht mehr schließen. Und hängt man sie unterhalb der Tür ein, so
schafft man es nicht, in der steilen Auffahrt noch über eine Schwelle zu kippen. Außerdem hat das Potest den Vorteil, dass man die Rampe an verschiedenen Seiten anlegen kann
und somit nicht unbedingt den Nachbarplatz als Auffahrt benutzen muss.
Oder Hebebühne?
Eleganter geht das Ganze natürlich mit einer transportablen oder fest installierten Hebebühne. Allerdings ist diese Variante kostspielig. Schnell erreichen damit die Umbauko-
sten Größenordnungen in halber Höhe eines Wohnwagenneupreises oder sogar noch mehr. Entscheidet man sich den noch dafür, muss man unbedingt vorher abklären, ob der
Wohnwagen den Einbau einer solchen Hebebühne zulässt. Die Platzeinteilung Der Aus- oder Umbau im Wohnwageninneren hängt von den Bedürfnissen des Benutzers ab. Angenehm ist es, wenn
der Rollstuhl neben der Sitzgruppe am Tisch so platziert werden kann, dass er nicht den gesamten Durchgang versperrt. Ebenso nicht, wenn er nachts vor dem Bett steht. Irgendwann nervt es jeden Partner, wenn er ständig etwas aus dem Weg äumen muss, um sich ein paar Schritte zu bewegen. Aus meiner Erfahrung eignen sich daher besser Wohnwagen mit einem Grundriss, bei dem sich Toilettenraum und Kleider-schrank, die beiden Einrichtungen mit der größten Tiefe, nicht direkt gegenüber liegen. Die Wohnwagenbreite indessen sollte wohl Mini- mum 2,30 Meter betragen. Wasch- und Toilettenraum Die meisten Wohnwagen sind heutzutage mit einem Wasch-/Toilettenraum ausgestattet. Hier muss man darauf achten, dass man die Toilette und das Waschbecken vom Rollstuhl aus erreichen kann. Es ist eventuell auch möglich, eine komplette Toilettenraumwand zu entfernen und durch einen Vorhang oder eine Schiebetür zu ersetzen. Bei manchen Grundrissen kann man dann direkt vom Bett aus ans Waschbecken oder auf die Toilette. Eine Dusche ist im Wohnwagen erfahrungsgemäß nicht so wichtig wie die Toilette. Normalerweise steht man mit einem Wohnwagen auf einem Campingplatz.
Sehr viele Campingplätze bieten heute einen Waschraum für Behinderte, wie ihn sich mancher zu Hause wünschen würde. (Behindertenwaschräume sind in den ADAC-Campingführern vermerkt. Ein paar Beispiele aus verschiedenen Regionen im Heft)
Im Zweifel für die Eigenständigkeit
In der Regel sind dort Waschbecken und Dusche komfor tabel zu benutzen. Die Normmaße der Behindertentoiletten sind allerdings oftmals eher „abnorm“. Die Toilette ist häufig
so erhöht, dass, noch dazu unter Benutzung eines gepolsterten Toilettenrings, auch die Beine eines groß gewachsenenRollstuhlfahrers in der Luft baumeln, wie bei kleinen Kin-
dern. Stabilität können dann auch links und rechts und oben und unten angebrachte Haltegriffe nicht mehr bieten. Im Süden dagegen sind die Schüsseln der Rollstuhltoiletten oft-
mals in einer solchen Größe, dass man darin kleine Kinderbaden könnte! Also, trotz toller Behindertenwaschräume auf Campingplätzen, eine nutzbare Toilette und ein zugängliches
Waschbecken im Wohnwagen vorhanden sein sollten. Das Bett als Stauraum nutzen Zum Bett gibt es nicht viel zu sagen. Natürlich muss es so sein, dass man vom Rollstuhl aus übersetzen kann. Dies ist in
der Regel aber kein Problem. Anders beim Stauraum für Kleidung und Sonstiges. Während der Kleiderschrank normalerweise für den Rollstuhlfahrer zu erreichen ist, hat er meist keine Chance, an die oberen Staufächer zu gelangen. Abhilfe lässt sich jedoch leicht mit einer Tür im Staukasten unter den Sitzbänken oder unter dem Bett schaffen. Mit einem Rollauszug kann der Rollstuhlfahrer sich hier seinen eigenen Stau-
raum schaffen.
Keine Angst bei der Stellplatzsuche.

Das Von-Hand-Rangieren eines abgekoppelten Caravans zu seinem Stellplatz sollte auch für den rollstuhlabhängigen Urlauber kein Thema sein. Wer einmal auf einem Campingplatz war, der weiß: Wenn ein „Neuer“ kommt, sind gleich so viele Leute zur Stelle, dass der Wohnwagen manchmal schneller an seinem Platz steht, als einem lieb ist. Und reist man in einer Nebensaison, wo der Campingplatz nicht belegt ist – na dann hat man genügend Zeit und Raum, den Wagen mit dem Zugfahrzeug dorthin zu jonglieren, wo es eben möglich ist. Wer trotzdem Bedenken hat, kann sich in seinen Wohnwagen den „EuroMover“ einbauen lassen. Per Fernbedienung lässt sich der Wohnwagen dann wie ein ferngesteuertes Spielzeug- auto bewegen. Mit knapp 2.000,- Euro ist dieser Komfort allerdings nicht gerade billig. Meiner Meinung nach ist dieses Zusatzteil aus oben genannten Gründen nicht nötig. Leistet man es sich dennoch, ist man bei An- und Abreise auf dem Campingplatz sicher eine Attraktion

Hier gibt es den vollständigen Artikel „Rollstuhlgerechter Wohnwagen“ als PDF. Eine echte Alternative zum Wohnwagen ist ein rollstuhlgerechtes Wohnmobil.

 

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Eröffnung des Zentrums für Querschnittgelähmte der Manfred-Sauer-Stiftung

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Manfred Sauer bei der Eröffnung. Foto: AWS
Manfred Sauer bei der Eröffnung. Foto: AWS

Die Leistungsbereitschaft fördern –ein Anspruch nur an Querschnittgelähmte?

Ich habe oft darüber nachgedacht, wie es in der heutigen Konsumgesellschaft gelingen kann, Werte wie Verantwortung und Leistungsbereitschaft zu vermitteln. Wie kann man – vor allem für junge Menschen – Perspektiven schaffen in einer Zeit, in der es nicht genug bezahlte Arbeit für alle gibt? Ich habe mir in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, was geschehen würde, wenn ein Unfall mein Leben plötzlich dramatisch verändern würde. Wenn ich bestimmte Dinge des täglichen Lebens nicht mehr allein bewerkstelligen könnte. Was würde ich dann mit meinem Leben anfangen? Könnte ich es überhaupt noch sinnvoll gestalten?

Wir schreiben den 20. Mai 2006, Tag der Eröffnung des Zentrums für Querschnittgelähmte der Manfred-Sauer-Stiftung in Lobbach bei Heidelberg. Ich stehe in der riesigen Empfangshalle und betrachte die neugierigen Gesichter der etwa 300 geladenen Gäste. Auch ich bin voller Erwartung, frage mich, wie hier wohl die Visionen des Manfred Sauer umgesetzt werden. Diejenigen, die sich bereits genauer umgeschaut haben, zeigen sich beeindruckt. Mein Blick wandert von den durcheinander schwatzenden Leuten in die Mitte des Raumes zum Pendel aus geschlagenem Metall, verweilt dort eine Weile, wird dann aber unweigerlich nach oben geleitet zum Dach, das vollständig aus Glas und Stahlstreben besteht. Dieses Glasdach, das so viel Helligkeit herein lässt, gibt dem Raum etwas Besonderes, Großzügiges. Von hier unten kann ich den Himmel mit den vom starken Wind angetriebenen, schnell vorbeiziehen Wolken sehen, die der Stimmung etwas Dramatisches verleihen.

Schließlich erscheint Manfred Sauer, nicht wie die anderen in elegantem Anzug und Krawatte; er trägt einen schlichten Pullover in Anthrazit, sein Aktenkoffer ruht auf den Knien. Obwohl dieser Tag mit Sicherheit ein sehr aufregender für ihn ist, wirkt er besonnen und konzentriert. Manfred Sauer hat sich ganz bewusst und offensiv der Frage nach einem sinnerfüllten Leben gestellt. Nach seinem eigenen Unfall 1963 hat er diese Frage zunächst für sich selbst beantworten müssen. Doch für ihn war es nach eigenen Aussagen Glück im Unglück, dass er als Frischverletzter im Hospital in Stoke Mandeville (Großbritannien) bei Dr. Guttmann nicht nur seine Erstrehabilitation erhielt, sondern auch eine Erziehung im Sinne der Förderung von Leistungsbereitschaft trotz Behinderung.

Ausgehend von dem Gedanken, dass Verantwortung und selbst erbrachte Leistung zu einem zufriedenen und selbstbestimmten Leben führen, gründete er – durch damalige Versorgungsengpässe angetrieben – die Firmen Sauer Continence und Rolli Company, um Hilfsmittel für Blaseninkontinenz und später Kleidung für Rollstuhlfahrer herzustellen. Der wirtschaftliche Erfolg blieb nicht aus und so zählt sich Manfred Sauer heute zu „den immer weniger werdenden Behinderten, die zwar nicht erfreut, aber dennoch stolz darauf sind, Steuern zu zahlen“.

Um den Erfolg seiner fast 30-jährigen Arbeit denjenigen zurückzugeben, die ihn ermöglicht haben, gründete Manfred Sauer im Jahre 2001 eine Stiftung unter dem Motto „Die Leistungsbereitschaft Querschnittgelähmter fördern“. Er wollte die Ergebnisse seiner Arbeit in etwas Sinnvolles investieren. Doch Geld, so sagt er, ist dabei nicht das Einzige, was man braucht; eine Idee muss hinzukommen und die Verwirklicher, die diese Idee umsetzen. Heute, am Tag der Eröffnung des Zentrums, möchte Manfred Sauer all diesen Verwirklichern Dank sagen, sie alle sind seine Gäste.

Zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung begrüßt Karola Schwarz vom Stiftungsvorstand offiziell die Anwesenden. Sie sagt, dass sie stolz darauf sei, einen solchen Chef zu haben, der alle auf Trapp hält und oft in Rage bringt, der Leistungsbereitschaft fördert, weil es ohne Leistung keine Freude gibt.

Dann lässt sich Manfred Sauer mit Hilfe eines Hebelifts auf die kleine Bühne hochfahren. Nicht ohne Stolz sagt er, dass es ihm mit der Errichtung des Zentrums vor allem auch darum ging, den Standort Lobbach für seine Mitarbeiter verlässlich zu erhalten. Auch Ministerialdirektor Rainer Arnold vom Ministerium für Ernährung und ländlichen Raum unterstreicht, dass hier ganz bewusst die Rechtsform der Stiftung gewählt wurde, um den Standort Lobbach zu garantieren. Dieses beispielhafte Projekt habe die Landesregierung gern unterstützt. Und Lobbachs Bürgermeister Heiner Rutsch fügt hinzu, dass die Gemeinde stolz auf ihren größten Arbeitgeber sei, der einst mit 11 Mitarbeitern begann und jetzt insgesamt über 300 Menschen in Voll- und Teilzeit beschäftigt.

Die Idee für dieses Zentrum wurde bereits vor Jahren in der Schweizer Paraplegiker-Stiftung in Nottwil geboren und wendet sich vor allem an Querschnittgelähmte, die aufgrund ihrer Behinderung aus dem Gleichgewicht geraten sind und mit ihrem Schicksal hadern, aber auch an deren Angehörige. Die körperliche Versorgung nach dem Unfall erfolgt zwar in speziellen Kliniken, doch gerade die seelische Stabilisierung bleibt oft auf der Strecke. Und bei fünf Millionen Arbeitslosen könne man, so Manfred Sauer, nicht unbedingt damit rechnen, wieder ins Arbeitsleben zurückzukehren. Trotzdem sei es wichtig, abends mit dem Gedanken ins Bett zu gehen, etwas Sinnvolles getan zu haben. Die breite Angebotspalette im Haus solle dabei helfen, eine mögliche Neuorientierung für sich zu finden. Doch Neuorientierung sei nicht nur ein Thema für Rollstuhlfahrer, sondern für alle Menschen, besonders für die Jugend.

Der Bildhauer Professor Andreas Kienlin lenkt nun unseren Blick auf die Symbole, die er für das Haus geschaffen hat. Er gibt dem 1,2 Tonnen schweren Pendel einen Stoß und mir wird klar, wie ein Unfall das Leben eines Menschen dramatisch aus dem Lot bringen kann. Doch je länger ich auf das Pendel starre und beobachte, wie seine Schwingungen immer kleiner werden, umso deutlicher wird mir auch, dass ich die Dinge im Leben wieder einpendeln können. Dieses Pendel sei, so betont Kirsten Bock, Geschäftsleiterin von Rolli Company, nicht nur ansprechende Kunst, sondern symbolisiere die Impulse, die die Stiftung geben wolle.

In einer Ecke des großen Raumes befindet sich ein weiteres Symbol: ein riesiger, 42 Tonnen schwerer Granitstein, an dem langsam das Wasser aufsteigt und der schließlich umspült wird. Das Wasser steht hier als Zeichen für das Belebende in der Natur; Wasser kann nicht nur Sauberwaschen, Wasser kann auch einen Stein brechen, ihn formen. Es ist in ständiger Bewegung ebenso wie das Leben. Symbolisch ist auch die Schlüsselübergabe durch die Architekten Gerardo De Gioia und Matthias Uhl an Manfred Sauer. Damit ist die Stiftung offiziell eröffnet. Es bleibt mir nun Zeit, mich in den drei Schwerpunktbereichen des Hauses näher umzusehen.

Da geht es zum einen um das Körperbewusstsein. Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwer es mitunter sein kann, den eigenen Körper in seiner scheinbaren Unvollkommenheit zu akzeptieren, ihn nicht zu verfluchen, wenn er nicht so funktioniert, wie man es möchte, sondern zu versuchen, sich darin wohlzufühlen. Wie kompliziert muss es aber erst sein, wenn man – plötzlich, von einem Tag auf den anderen – im Rollstuhl sitzt und man das Gefühl hat, nicht mehr so leistungsfähig und attraktiv zu sein?

Ich laufe durch die vielen Räume des auf 1400 Quadratmetern geschaffenen Fitnessbereiches, schaue mir die für Rollstuhlfahrer adaptierten Fitnessgeräten, das Bewegungsbad mit seiner Gegenstromanlage und den Massagedüsen an. Besonders gut gefallen mir die verschiedenen Saunen und einladend gestalteten Räume mit Aromadüften und leiser Entspannungsmusik, in denen man zu sich selbst finden kann. Ganzheitliche Körpertherapien aus unterschiedlichen Kulturen, z. B. das indische Ayurveda, sowie weitere klassische und alternative Anwendungen. Unterstützt und begleitet werden die Gäste hier von ausgebildeten Sportlehrern und Physiotherapeuten, die für die Gäste ein passendes Konzept entsprechend ihren persönlichen Zielen zusammenschneiden. Ich denke, hier kann man viel für seine körperliche Ertüchtigung und sein Wohlbefinden tun und Gedanken der Unzufriedenheit und Unsicherheit mit dem eigenen Körper begegnen.

Wenn es um Fragen des Wohlbefindens geht, ist es – so glaube ich – auch immer wichtig, sich praktisch und dennoch schön zu kleiden, insbesondere, wenn man im Rollstuhl sitzt. Das erhöht meines Erachtens das Selbstwertgefühl enorm. In der Boutique von Rolli Company -geschickt in das Herz der Stiftung integriert – erhält man Kleidung, die speziell für Rollstuhlfahrer geschneidert ist. Hilde Richter ist zum Beispiel vom Schnitt der Hosen begeistert. Die Oberteile allerdings, so erzählt sie mir, entsprechen nicht ihren modischen Vorstellungen, die kauft sie in ganz normalen Läden, dort sind sie billiger und sie findet eher etwas, was ihr gefällt. „Aber die Hosen hole ich mir immer bei Rolli-Moden. Die sind zwar ziemlich teuer, aber für das, was sie bieten, leiste ich sie mir.“

Mein Weg führt mich nun zu den exemplarischen Werkstätten. In diesen liebevoll gestalteten Werkstätten bekomme ich regelrecht Lust mitzumachen, zu weben, zu malen, zu sägen und zu bohren. Auf den Tischen liegen Filzarbeiten, Blumengestecke, wunderschön gestaltete Grußkarten. Frau Geng, Pflegewissenschaftlerin aus dem Paraplegiker-Zentrum in Nottwil, ist gerade dabei, ein Seidentuch mit Filzblumen herzustellen. Sie ist in der letzten Woche nach Lobbach angereist, um hier Kreativkurse anzubieten.

Aber kann man, so frage ich mich, all diese Dinge als Rollstuhlfahrer, vielleicht sogar mit einer eingeschränkten Handfunktion tun?

Frau Geng hat viele Erfahrungen aus der Schweiz mitgebracht. Sie will deshalb mit Themen anfangen, die schnell zum Erfolg führen, damit der Kursteilnehmer ein relativ schnelles Erfolgerlebnis hat. Das ist bei Kindern so, betont sie, aber auch bei allen anderen Menschen, vor allem bei Menschen, die auf der Suche nach einem neuen Job sind. Die mal ausloten wollen, was sie für Talente und Fähigkeiten haben.

„Manche kommen zu mir in den Malkurs“, berichtet Frau Geng, „und sagen, dass sie nicht zeichnen können. Aber ich antworte, dass man zum Malen nicht zeichnen können muss. Ich glaube, dass jeder Mensch Farben in sich hat, die er versuchen sollte, auf Papier zu bringen.“

Frau Geng ist davon überzeugt, dass ein Mensch über ein Hobby die gleiche Bestätigung findet, die er auch sonst im Leben braucht. Mit den ersten Kursen wollen die Mitarbeiter zunächst die Leute aus der Umgebung ins Zentrum holen, sie wollen schauen, welche Interessen diese haben, um dann das Angebot auszubauen. Kontakte bestehen auch zu Schulen im Rahmen von themenorientiertem Unterricht. Hauptschüler können zum Beispiel handwerkliche Berufe kennen lernen und für sich als Berufsziel entdecken, wozu sie im normalen Schulalltag meist keine Gelegenheit haben.

 

In das Haus ist auch ein IT-Fortbildungszentrum integriert. Fünf großzügige Seminar- und Schulungsräume stehen mit umfangreicher Tagungstechnik zur Verfügung. Durch die Landesförderung dieses Zentrums mit 600.000 € wird ein beispielhaftes IT-Projekt im ländlichen Raum unterstützt, das Menschen mit Behinderung neue Perspektiven und Chancen in Beruf und Gesellschaft eröffnet. Manfred Sauer will mit diesem Fortbildungszentrum querschnittgelähmten Menschen den Zugang zu neuen Informationstechnologien eröffnen, es ist aber auch gleichzeitig für jedermann offen.

 

Für Menschen, die in ihren Bewegungsabläufen eingeschränkt sind, ist neben Bewegung und Fortbildung auch eine gesunde Ernährung äußerst wichtig. Deshalb wird im Haus eine Mehrwert-Ernährung aus hochwertigen, der Jahreszeit entsprechenden frischen Nahrungsmitteln, einige davon im eigenen Gartenbau erzeugt, angeboten.

Doris Hesse, staatlich anerkannte Diätassistentin und Leiterin der Kreativküche, betont, wie wichtig eine kluge Ernährungsweise gerade für Menschen im Rollstuhl ist und welche große Bedeutung der Gewichtsregulierung und der Verdauungsförderung zukommt. Sie möchte mit verschiedenen Kursen die Gäste des Hauses motivieren, wegzugehen von der Fast-Food-Ernährung, von Fertigprodukten, möchte ihnen zeigen, dass man auch mit ganz normalen Zutaten schnell etwas Gesundes auf den Tisch bringen kann.

Frau Hesse betont dabei: „Wir haben dabei kein Dogma, so dass wir sagen, alles darf nur biologisch, alles darf nur frisch sein. Wir wollen die Leute dort abholen, wo sie stehen und versuchen, sie immer einen Schritt nach vorn zu bringen.“

Für die Zeit ihres Aufenthaltes stehen den Gästen, egal ob als Tages-, Kurz- oder Langzeitgast, sowohl 29 Zimmer sowie – insbesondere für einen Langzeitaufenthalt – 20 Pavillons zu Verfügung, die in einen Landschaftsgarten integriert sind. Natürlich sind alle Unterkünfte barrierefrei gestaltet. Allerdings hat man sich dabei nicht in jedem Fall an die DIN-Norm gehalten, denn gerade für Menschen mit einer Querschnittlähmung sind die extrem hohen Toiletten oft gar nicht nutzbar. Diese Freizügigkeit beim Bauen wurde von vielen Besuchern des Hauses als sehr positiv bewertet.

 

Nun habe ich mir einen recht guten Eindruck vom Haus verschafft. Inzwischen steht ein nächster Programmpunkt an: Vor dem Abendessen wird das erste frisch gebraute Bier aus hauseigener Produktion gezapft. Dann wird zu Tisch gebeten. Zwischen den einzelnen Gängen erklingen immer wieder Jazzstücke aus dem Saxophon von Klaus Kreuzeder. Durch das Glasdach ist jetzt zu erkennen, dass sich Wolken und Regen verzogen haben, die Sonne zeigt sich für eine kurze Weile, als habe sich alle Energie entladen.

 

21. Mai, Tag der offenen Tür in Lobbach. Ab 11 Uhr strömen unzählige Besucher aus nah und fern in die Empfangshalle des Zentrums der Manfred-Sauer-Stiftung, um zu sehen, was hier in den letzten Monaten geschaffen wurde, und um die Angebote des Hauses genau in Augenschein zu nehmen. Von der Bühne hört man die kraftvolle Stimme der Jazz- und Soulsängerin BKey, zum Teil begleitet von einer Big Band. Überall wird Essen und Trinken angeboten, zeitweise ist es nicht möglich, einen Sitzplatz zu finden.

 

Mir wird klar, welchen Stellenwert Manfred Sauer und seine Firmen hier in der Region haben. Er verfolgt dabei ganz bewusst das Ziel, dass Menschen mit einer Behinderung Menschen ohne Behinderung in ihr Leben lassen, damit sie spüren, sie leben nicht allein in dieser Welt. Er will Verständnis füreinander und gegenseitige Rücksichtnahme fördern.

Es ist sicherlich eine große Herausforderung, Menschen zu motivieren, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, es bewusst zu gestalten, für jeden, unabhängig von einer Behinderung. Manfred Sauer ist das Wagnis eingegangen, dies in die Tat umzusetzen. Möge es ihm und all seinen Mitstreitern gelingen!

Endlich finde ich doch einen freien Platz an der – speziell auf die Höhe von Rollstuhlfahrer zugeschnittenen – Bar. Auf den extravaganten Barhockern mit Traktorsitz kann ich richtig gut sitzen – ohne hochzuklettern, wie sonst bei Barhockern üblich.

 

Neben mir sitzt eine Kontrolleurin aus der Urinalproduktion, die bereits seit neun Jahren hier in der Sauer Continence GmbH arbeitet und mir vom guten Arbeitsklima in der Sauer Continence GmbH berichtet, davon, dass Manfred Sauer ein Chef zum Anfassen sei. „Mit dem kannste babbeln“, sagt sie.

 

Margit Glasow