Klinik Hohe Warte – Querschnittversorgung in Bayreuth

DSC_0186Vom 1. bis 4. Juni ist das Kloster Banz bei Bayreuth Veranstaltungsort für die 27. Jahrestagung der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie e.V. (DMGP). Ziel bei diesem Kongress ist es, Standards bei der Behandlung von Querschnittgelähmten vorzustellen und zu diskutieren. Neuer Vorsitzender der DMGP ist Priv. Doz. Dr. Rainer Abel, der Dr. Doris Maier aus Murnau abgelöst hat. Seit fast zehn Jahren leitet er die Klinik für Querschnittgelähmte, Hohe Warte Bayreuth. Aus aktuellem Anlass also blicken wir im Rahmen der RehaTreff-Klinikserie in dieser Ausgabe nach Bayreuth.

Das Akutkrankenhaus Hohe Warte, das sich selbst als „Vollversorger für ganz Oberfranken“ bezeichnet,  hat derzeit eine große Baustelle auf dem Gelände. Die Klinik erhält für rund 26 Millionen Euro ein neues Therapiegebäude. Dies ist ein weiterer Meilenstein der bereits in den 1980er Jahren gestarteten Gesamtsanierung und Erweiterung des Krankenhauses. Zum Projekt gehören der Neubau eines Schwimm- und Bewegungsbades sowie der Neubau und die Erweiterung der Therapie- und Medizintechnikbereiche. Damit soll unter anderem auch die ambulante Behandlung von Patienten ausgebaut werden.

Die Klinik Hohe Warte ist mit ihren 336 Betten und 10 tagesklinischen Plätzen im Rahmen der medizinischen Gesamtausrichtung der Klinikum Bayreuth GmbH als „Neuro- und Orthozentrum“ konzipiert. Hier befinden sich vorwiegend medizinische Fachrichtungen, die mit neurologischen Grunderkrankungen und Störungen des Bewegungsapparates im Kontext stehen.

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In Bayreuth stehen 72 Betten für Querschnittpatienten zur Verfügung.

Die Klinik für Querschnittgelähmte Hohe Warte hat die gleichen Standards wie andere Krankenhäuser auch und ist mit diesen anderen Querschnittkliniken gut vernetzt. Im Forschungsbereich besteht eine Zusammenarbeit mit der Uni Heidelberg, an der Dr. Abel vorher als Oberarzt tätig war. Die Akutklinik bietet sämtliche operativen Maßnahmen für Unfallopfer an. „Dadurch, dass wir ein eher kleineres Krankenhaus sind, geht es vielleicht ein wenig heimeliger zu“, meint Andreas Berghammer, Leiter des Sozialdienstes des Krankenhauses. „Und wir haben eine sehr geringe Personalfluktuation“, setzt er hinzu.

Ein Paraplegiker mit komplikationslosem Rehabilitationsverlauf wird nach Andreas Berghammers Worten nach etwa vier Monaten wieder aus der Klinik Hohe Warte entlassen. Das ist nach heutigem Standard eine relativ lange Verweildauer. Und die Experten der Klinik stehen auch weiterhin im Rahmen der Nachbehandlung beratend zur Verfügung. „Ich habe fast mehr mit Menschen, die bereits entlassen sind, zu tun, als mit denjenigen, die hier sind“, erklärt Berghammer den Anspruch des Krankenhauses, den Patienten auch dauerhaft als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Die Patienten bleiben in der ambulanten Behandlung.

Auch diese Klinik muss sich jedoch mit der Vorgabe der Krankenkassen nach dem SGB V auseinandersetzen, die Behandlung der Patienten ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu gestalten. „Und ausreichend ist einfach die Note 4“, erläutert Berghammer das Problem.„Ich empfinde die allgemeine Situation im Gesundheitssystem derzeit als dramatisch, weil durch den Sparzwang unter dem Strich sogar mehr Geld ausgegeben wird“, kritisiert Andreas Berghammer. Dies erkläre sich durch Folgekosten von Sparmaßnahmen, wie beispielsweiseeine zu frühzeitige Entlassung aus der Klinik.

„Ich behaupte, es kann durchaus gespart werden, aber dafür müssen sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen. Es kann nicht sein, dass von einer Seite eine Sparvorgabe erfolgt“, kritisiert der Sozialdienstleiter das System. Die Klinik Hohe Warte habe gute Erfahrungen damit gemacht, dass man sich mit der AOK und dem Medizinischen Dienst zusammengesetzt und Absprachen getroffen habe. Dies gelinge natürlich nur mit einer Kasse, die nicht zu zentralistisch organisiert ist. „Da sparen die Kassen und die Klinik tatsächlich viel Geld, es kommen weniger Rückfragen, und die Ärzte und Therapeuten können sich mehr mit den Patienten an Stelle von Schriftkram befassen“, meint der Leiter des Sozialen Dienstes. Ein solches Modell müsse auch auf Bundesebene umgesetzt werden.

Die Klinik Hohe Warte verfügt auch über Plätze für Beatmungspatienten. „Die stabil dauerhaft beatmeten Patienten kommen sehr bewusst schnell auf die normale Station, damit sie möglichst frühzeitig Normalität lernen und wegkommen von diesem Intensivgedanken“, erklärt Andreas Berghammer.

Starke Unterstützung bei der Hilfsmittelversorgung

„Der soziale Dienst ist mit zwei Stellen für die 72 Querschnittpatienten in Bayreuth relativ gut besetzt“, meint Andreas Berghammer. „Das liegt daran, dass bei uns als einzige Klinik in Deutschland die gesamte Hilfsmittelversorgung über den Sozialen Dienst läuft. Das heißt, wir schreiben auch die Begründungen auf den ärztlichen Verordnungen, wir formulieren die Widersprüche bei Ablehnungen, wir machen die Hausbesuche“, sagt er.Das Besondere an der Klinik ist nach Berghammers Worten, dass es in der Hohen Warte einen sehr gut funktionierenden informellen Austausch unter den Mitarbeitern gibt. Und dies erleichtere die Arbeit natürlich auch in diesem Bereich.

Technische Neuheiten

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Die Erfahrungen mit einem Roboterarm für hochgelähmte Patienten sind durchaus positiv.

Als Hilfsmittel, nach Dr. Rainer Abels Worten ausdrücklich nicht als Therapiegerät, wird in Bayreuth demnächst auch ein Exoskelett zur Verfügung stehen. Zudem wurde im Auftrag des Medizinischen Dienstes bereits ein Roboterarm für hochgelähmte Patienten in der Hohen Warte getestet. Die Ergebnisse seien durchaus positiv, so Dr. Abels Einschätzung, deshalb soll das Gerät auch weiterhin eingesetzt werden. „Wir wollen in unserer Klinik herausfinden, bei welchen Patienten der Einsatz eines Roboterarmes sinnvoll ist und welche Funktionalitäten noch verbessert werden müssen. Moderne Technologien sollen die Patienten unterstützen und unabhängiger werden lassen“, so der bayrische Chefarzt. Nach kurzer Zeit und etwas Übung mit dem Roboterarm können Hochgelähmte ein Glas Wasser eingießen, Gegenstände aus einem hohen Regal heben oder die Tasten in einem Fahrstuhl bedienen. Die Finanzierung des etwa 50.000 Euro teuren Roboterarms wird im Einzelfall entschieden, denn genau wie die ebenfalls im fünfstelligen Eurobereich liegenden Exoskelette sind diese Hilfsmittel für den Durchschnittspatienten noch nicht ganz einfach finanzierbar.

Historisches

Die Klinik Hohe Warte ist 1936 auf Initiative von Adolf Hitler gebaut worden. Sie war ursprünglich als Entbindungs- und Kurklinik für Frauen gedacht, wurde jedoch im 2. Weltkrieg Lazarett. Später übernahmen die Amerikaner die Klinik, die aufgrund der engen Verbindung zwischen Adolf Hitler und dem Komponisten Richard Wagner bis dahin Richard-Wagner-Krankenhaus hieß. Das Bayrische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung bekam nun die weitere Leitung  des von da an freistaatlichen Krankenhauses übertragen. Im so genannten Versorgungskrankenhaus  wurden zunächst ausschließlich Kriegsversehrte behandelt. Die Versorgung von Querschnittgelähmten erfolgte erstmals 1956, allerdings verbotenerweise. Der Träger des Krankenhauses hatte dies, möglicherweise aufgrund der damals noch sehr geringen Lebenserwartung von Querschnittgelähmten, untersagt. Der damalige Chefarzt Dr. Karl Ludwig Lemberg, ein Schüler des berühmten Sir Ludwig Guttmann, setzte sich jedoch über dieses Verbot hinweg und versorgte die Querschnittpatienten heimlich. 1974 hatte die Klinik dann endlich auch offiziell ein Zentrum für Querschnittgelähmte, und zwar unter der Leitung des Neurologen und Psychiaters  Prof. Werner Grüninger. Seit zehn Jahren gehört das Querschnittzentrum zur Klinikum Bayreuth GmbH. Heute gibt es zwei Chefärzte. Prof. Dr. Patrick Oschmann ist für die Klinik für Neurologie (Stroke Unit, Schädel-Hirn-Trauma), PD Dr. Rainer Abel seit neun Jahren für die Klinikbereiche Orthopädie/Rheumatologie und das Behandlungszentrum für Querschnittgelähmte zuständig. Früher auch Rehabilitationskrankenhaus, ist man heute offiziell nur noch für die Akutversorgung da. Vor 30 Jahren waren noch etwa 80 Prozent Unfallopfer, aktuell sind es etwa 50 Prozent. Die andere Hälfte sind Patienten, die aufgrund von Krankheit querschnittgelähmt sind.

Katja Rosdorff

Fotos: Klinik Bayreuth, Katja Rosdorff

Kontakt:

Klinikum Bayreuth GmbH
Betriebsstätte Klinik Hohe Warte

Zentrum für Querschnittgelähmte
Hohe Warte 8
D-95445 Bayreuth
Tel.:+49 921 400 4702
Fax: +49 921 400 4709

Mail: querschnitt@klinikum-bayreuth.de

 

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