Transport beatmeter Menschen mit schwerer Einschränkung

_MG_8033Schon mehrmals habe ich mich gefragt, was in einem plötzlichen Notfall passiert. Wenn mein Körper plötzlich verrückt spielt oder ich unterwegs mit meinem E-Rollstuhl einen schweren Unfall habe. Denn für einen dauerhaft heimbeatmeten Menschen wie mich ist ein Krankentransport in einem gewöhnlichen Krankenwagen nicht möglich. Ich lebe mit der schweren Muskelkrankheit Muskeldystrophie Duchenne und bin auf 24-Stunden- Assistenz durch eine Hilfsperson angewiesen.

Für mein selbstbestimmtes Leben zu Hause brauche ich umfangreiches technisches Equipment und Assistenten, die sich sehr gut mit meinem überlebensnotwendigen Beatmungsgerät auskennen. Stellt sich die Frage, wie der Krankentransport erst funktionieren soll bei beatmeten Menschen, die noch deutlich eingeschränkter sind und intensive Betreuung durch Fachpfleger mit Spezialkenntnissen in der Beatmungspflege brauchen, tracheotomierten Patienten mit hohem Querschnitt oder gar Wachkoma-Patienten?

Die Kronenhof Intensivpflege GmbH aus Kempten im Allgäu in Persona ihres Geschäftsführers Peter Schroeter und auch andere Pflegedienste aus Bayern waren mit massiven Schwierigkeiten beim Krankentransport konfrontiert. Nicht nur einmal hat der bayrische Rettungsdienst gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen. Bislang hat sich nichts getan, obwohl die Problematiken schon lange bekannt sind: Zum einen gibt es keine Heimbeatmungsgeräte im Krankenwagen und zum anderen ist eine Umdaptierung auf ein pneumatisch betriebenes Beatmungsgerät des Rettungsdienstes für den Betroffenen äußerst ungünstig.

Für Schroeter war es ein immens wichtiges Anliegen, sowohl Betroffene, als auch Rettungsdienste auf die erheblichen Risiken beim Krankentransport von Patienten mit Beatmung aufmerksam zu machen. Das von ihm in Auftrag gegebene fachärztliche Gutachten von Dr. Paul Diesener, leitender Arzt der Intensivmedizin des neurologischen Krankenhauses Hegau-Jugendwerk, spricht hierzu eine klare Sprache: „Selbst kleine Veränderungen an der Beatmungseinstellung oder der Wechsel auf ein anderes Gerät erfordert bei den meisten Patienten eine längere Umstellungsphase.“

Allein wenn die Beatmungspatienten ihr eigenes Gerät mitnehmen, sind die Schwierigkeiten lange nicht gelöst. Denn laut Diesener’s Gutachten gehören „die besonderen Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich von außerklinischen Beatmungspatienten nicht zur Grundausbildung und zum derzeitigen Berufsbild des nichtärztlichen Personals im Rettungsdienst.“ Dies ist nicht nur in der Praxis ein Problem, der Rettungsdienst macht sich laut Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) strafbar.

Hiernach dürfen Medizinprodukte nur von Personen angewendet werden, die eine dafür erforderliche Ausbildung und Erfahrung besitzen. Eine in jedem Fall adäquate Versorgung kann nur ein Pfleger mit dem notwendigen Fachwissen gewährleisten. Der Rettungsdienst hat indes nicht die nötigen Mittel, um sich eine Intensivpflegekraft zu leisten.

Ohne Hightech und Sorgfalt geht es nicht!

Das ist ein Dilemma, denn der Krankentransport von schwer eingeschränkten Menschen mit Beatmung funktioniert nur mit einem speziell dafür konzipiertem Einsatzfahrzeug. Dieses ähnelt zwar äußerlich einem Krankenwagen, ist aber technisch völlig anders konzipiert und mit Fachpflegepersonal besetzt. Von diesem Vorgang angespornt, entwarf Peter Schroeter ein Fahrzeug, das allen Ansprüchen genügt. Das Ergebnis ist eine gemeinsame Entwicklung der Firmen ResMed Homecare, MCS Medical Concept Solutions und der Firma Binz Ambulanz-und Umwelttechnik. Basis des Fahrzeugs ist ein Ford Transit.

Seine Fahrer haben eine Grundausbildung zum Rettungssanitäter und der zusätzliche Pflegebegleiter ist eine gelernte Fachpflegekraft mit Ausbildung zum Rettungsassistenten. “Sie verfügen selbstverständlich über sämtliche fachspezifischen Einweisungen von Geräten, die für die Beatmungspflege relevant sind“, erklärt Schroeter. Außer einem universalen Beatmungsgerät befindet sich auch der neue Cough-Assist E 70 von Phillip Respironics im Fahrzeug, welcher die Patienten von störenden Lungensekret befreit, das häufig durch Transporterschütterungen freigesetzt wird. Zusätzlich gibt es ein 230 V Wechselstrom-Anschluss, der auch auf längeren Fahrtstrecken einen sicheren Betrieb des Beatmungsgerätes gewährleistet.

Mit das wichtigste Ausstattungs-Feature ist die Universalhalterung für Beatmungsgeräte von der Firma MCS. Es erlaubt dem Patient, das eigene Gerät zu benutzen. Diese Verladetechnik entspricht der Norm und ist für den Krankentransport zugelassen. Ganz anders in den derzeit eingesetzten Krankenwagen, wie das medizinisch-technische Gutachten des Sachverständigenbüros Kühn Consulting vom August 2015, das Peter Schroeter zur Bewertung des Transportwagens seiner Firma in Auftrag gegeben hat, feststellt. Demnach sind die verbauten Gerätehalterungen und Befestigungsgurte nicht explizit für Heimbeatmungsgeräte konzipiert und geprüft worden.

Die Möglichkeit, Halterungssysteme an das jeweilige Medizinprodukt anzupassen, bietet laut Gutachten nur Schroeters‘ Fahrzeug. Dann ist auch die Sicherheit gewährleistet, wenn der Fahrer ein unvorhergesehenes Ausweichmanöver macht oder eine Vollbremsung hinlegt. Auch das Thema Stromversorgung ist im normalen Krankenwagen nicht zufriedenstellend gelöst.

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Das Fahrzeug der Kronenhof Intensivpflege ist optimal ausgestattet.

Die offene Frage der professionellen Patientenbegleitung

Mit Panikmache hat das für Peter Schroeter überhaupt nichts zu tun, was er an zwei Beispielen festmacht. In einem Fall sei es zu einem großen Schaden in Höhe von 16.200 € gekommen. Die Besatzung des Krankentransporters habe den Gurt einer Kundin verwendet, um das Beatmungsgerät provisorisch zu fixieren. Diese sei einfach gar nicht angeschnallt gewesen! Ihre Tasche mit Pulsoxymeter und einem Zusatzgerät befand sich ungesichert auf dem Patientenstuhl. Zu allem Überfluss sei der ungesicherte Umfeldmonitor umgestürzt und zerbrochen.

Einmal in Fahrt schildert uns Schroeter gleich einen weiteren Vorfall: „Bei einer anderen Kundin, die in einer WG lebt, trat ein Notfall auf und sie musste ins Krankenhaus transportiert werden. Bei der ambulanten Wohnform dieser Kundin gibt es keine 1:1-Versorgung, eine Pflegekraft ist für zwei Kundinnen zuständig. Es wurde von uns ganz selbstverständlich erwartet, dass wir für den Transport die Pflegekraft stellen, obwohl es gar nicht unsere Aufgabe ist. Letztlich mussten wir einen Mitarbeiter unseres Hintergrunddienstes abstellen, der eigentlich für unvorhergesehene Krankheitsausfälle vorgesehen war. Unsere Kundin konnte schließlich erst mit 50 Minuten Verspätung ins Krankenhaus fahren. Schneller schaffte es der Mitarbeiter unseres Pflegedienstes nicht. Bei einem Apoplex mit fraglicher Lysetherapie ist das äußerst riskant.“

Deshalb plädiert er schon lange vehement dafür, dass für solche Fälle eine separate Planstelle geschaffen werden muss. Dann könnten entweder Sanitätsdienst oder Pflegedienst problemlos einen geschulten Pflegebegleiter abstellen. Im Schreiben vom 25.04.2014 beschäftigte sich das bayerische Innenministerium mit der Problematik und präsentierte einen Lösungsansatz. Der geht auch nach Ansicht anderer Pflegedienste allerdings längst nicht weit genug und ist sehr bürokratisch. Eine geeignete Begleitperson soll der Pflegedienst stellen und von der Krankenkasse bezahlt werden. Allerdings muss dieser die Abrechnung im Einzelfall mit der Krankenkasse selbst klären. „Die Verantwortung bleibt so beim Pflegedienst und hilft uns überhaupt nicht weiter“, kommentiert Peter Schroeter.

Der perfekte Beatmungskrankenwagen, aber keine Lösung!

Auch das Problem der Ladungssicherung bleibt bestehen. Denn die Universalgerätehalterung, die das Ministerium vorsieht, ist ungeeignet. Sie ist seitlich an der Krankentrage befestigt und überschreitet die zulässige Kapazitätsgrenze der Trage. Zumal die Halterung je nach Gerät mehr als 20 cm in den Krankenraum ragt. Obwohl kein dynamischer Crashtest durchgeführt worden sei, lehne der Hersteller Schroeter zufolge die Verantwortung ab!

Trotz dieser unbefriedigenden Situation lehnte es das bayerische Innenministerium bislang ab, Sonder-Fahrzeuge der Kronenhof Intensivpflege in den bayerischen Rettungsdienst aufzunehmen. Begründung: Der Bedarf für Fahrzeuge dieser Art ist nicht erkennbar und aus gesetzlicher Sicht auch gar nicht möglich. Eine äußerst fragwürdige Begründung, zumal der Heimbeatmungstransport von Kostenträgern, Fachärzten, Beatmungszentren, Patienten und Pflegediensten als einzig sinnvolle Lösung gesehen wird.

Dennoch erstatteten etablierte Hilfsorganisationen sogar Anzeige gegen Schroeter und unterstellten ihm illegale Krankentransporte. „Dass es dabei ausgerechnet die öffentlichen Rettungsdienste sind, die mehrfach bei einer Transportdurchführung gegen zahlreiche Rechtsvorschriften verstoßen und wissentlich die Gesundheit der Patienten riskieren, wird vom verantwortlichen Innenministerium ignoriert“, resümiert Schroeter verärgert. Deshalb blieb ihm keine andere Wahl, als vor Gericht zu ziehen. Gleich bei den ersten Gerichtsverhandlungen in Augsburg und Kempten bekam er Recht auf der ganzen Linie. Bei weiteren Gerichtsterminen ist Ähnliches zu erwarten. Der Pflegedienst klagte in Bayern und Nordrhein-Westfalen. Inzwischen hat sich in Bayern der zuständige Staatssekretär im Innenministerium eingeschaltet. Peter Schroeter ist zufrieden mit dem bisherigen Verlauf…

Marcel Renz

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