Sozialberater ermutigt bei eklatanten Fehleinschätzungen zum fristgerechten Widerspruch. Die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland steigt. Damit nimmt auch die Zahl der Anerkennungsverfahren auf eine Pflegebedürftigkeit, die wiederum zum Bezug von Leistungen aus der Pflegekasse befugen, deutlich zu. Mit diesen Prüfungen gehen verständlicherweise auch Fehlentscheidungen einher, weshalb die bundesweit tätige Psychosoziale Sprechstunde als ehrenamtliche Beratungsstelle für Familien dazu aufruft, Bescheide und Gutachten ausgiebig auf ihre Richtigkeit abzuklopfen. Entsprechend sagt der Leiter des Angebots, Dennis Riehle (Konstanz), dass zwar gerade durch das neue Begutachtungsverfahren deutlich mehr gesundheitliche, soziale und pflegerische Funktionsbereiche in der Beurteilung abgefragt werden und somit ein umfassenderes Bild über die Hilfsbedürftigkeit des Betroffenen entsteht. Dennoch können auch weiterhin Einschränkungen in der Selbstständigkeit des Patienten unberücksichtigt bleiben, obwohl sie erhebliche Auswirkungen auf die Pflegebedürftigkeit haben. „Man sollte als Angehöriger oder Betroffener stets das MD-Gutachten einsehen und die durch den Gutachter des Medizinischen Dienstes vergebenen Punkte sorgfältig studieren. Kommt man zu der einhelligen Einschätzung, wonach die Einordnung nicht angemessen ist oder deutlich unterbewertet zu sein scheint, sollte man nicht allzu lange zögern, Widerspruch einzulegen. Das gilt auch dann, wenn im Bescheid mögliche Rechtshilfebelehre ausgeblieben sind oder die Pflegekasse aus nicht erfindlichen Gründen zur einer anderen Meinung als der Gutachter gekommen ist“, führt der Psychologische Berater aus. Sollte die Eingabe fristgerecht innerhalb eines Monats bei der Krankenversicherung eingegangen und danach nochmals konkret begründet worden sein, wird eine von der ersten unabhängige Zweitbegutachtung durch einen erneuten Besuch eines Gutachters oder nach Aktenlage vorgenommen, die die vorgebrachten Einwände aufklären soll: „Es ist nicht selten, dass die Perspektive des Betroffenen von der des Gutachters abweicht. Daher kann der Widerspruch hilfreich sein, um nochmals einen anderen Blick auf die eigene Situation werfen zu lassen. Gerade, wenn es bei den Punkten in den einzelnen Bereichen wie Mobilität, psychische Verfassung, kognitive Fähigkeiten, Pflegebedarf oder gesundheitliche Versorgung erhebliche Differenzen zwischen der eigenen Sichtweise und der des Gutachters geben sollte, lohnt sich ein Einspruch, weil dieser im Zweifel doch zum höheren Pflegegrad führen kann“, so Riehle. Werde der Widerspruch abgelehnt, bleibe noch der Gang vor das Sozialgericht: „Für solch eine Klage sollte es allerdings gute Gründe und belastbare Argumente geben. Auch wenn die erstinstanzlichen Verfahren nicht mit größeren Kosten verbunden und damit zumindest finanziell nicht belastend sind, kann ein solcher Prozess aber sehr anstrengend sein. Im Zweifel sollten deshalb schlagkräftige Arztbefunde vorliegen, die konkret beschreiben, an welchen Stellen genau der Pflegebedarf die Einordnung durch den Gutachter übersteigt und welche Unterstützungsnotwendigkeit im Alltag aus Sicht des Haus- oder Facharztes tatsächlich besteht.“ Riehle weist darauf hin, dass sich eine Sozialberatung jedenfalls lohnt, um eine erste Einschätzung über die Sachlage zu bekommen.