„All inclusive“, dieses Zauberwort der Tourismus-Industrie unserer Tage verheißt zum überschaubaren Preis Flug, Hotel und Komplettverpflegung. Und ob die Sonne dann in der Türkei oder in Spanien, in Tunesien oder in Griechenland scheint, ist für viele Erholungssuchende zweitrangig. Diese Sorte Urlaub war noch nie unser Ding, und so fiel unsere Wahl auf eine All-Inclusive-Reise der etwas anderen Art.
Mit Küche, Bett und Bad unterwegs
Donnerstag Nachmittag, drei Uhr. Etwas abseits vom Gewirr der dicht ineinander verschlungenen Autobahnen des Ruhrgebiets steuern wir eine Adresse in Oberhausen an, und erstaunlicherweise gibt es unweit vom Stadtkern einen grünen Flecken, Wald, Felder, ein paar dörflich anmutende Straßenzüge. Im Zielgebiet müssen wir nicht lange suchen. Unübersehbar steht vor einem Backsteinhaus das Objekt unserer Begierde: Sieben Meter lang, dreieinhalb Meter hoch und inklusive Spiegel mehr als zweieinhalb Meter breit. Unser Heim für die kommenden zehn Tage.
Mit Wohnmobil und Hund unterwegs
Es ist ein Experiment. Noch nie haben wir einen Wohnmobilurlaub gemacht. Nun wollen herauszufinden, ob das was für uns ist. Natürlich fährt man nicht von Stuttgart nach Oberhausen, um irgendein Wohnmobil zu mieten. Unseres, so verhieß die Website, die uns auf das Angebot aufmerksam gemacht hatte, ist komplett rollstuhltauglich, und somit auch von mir zu fahren. Und, weiterer wesentlicher Punkt: Hunde sind als Mitfahrer willkommen. Wer schon einmal als Rollstuhlfahrer mit Hund versucht hat, spontan eine Woche Urlaub zu machen wird verstehen, dass uns der Gedanke verlockend erschien, ein paar Tage ohne Sorge um ein jeweils passendes Quartier durch die Gegend zu reisen.
Das Übergabeprozedere verlief problemlos. Der Besitzer und Vermieter des barrierefreien Wohnmobils, Heiko, wies uns im Schnelldurchgang in alles Wissenswerte ein, und ich konnte mich rasch davon überzeugen, dass ich mit Grundriss und Konstruktion der rollenden Behausung bestens zurechtkam. Auf Anhieb begeistert war ich von dem an der seitlichen Eingangstür angebrachten Kassettenlift, der so leise, schnell und unkompliziert arbeitete, dass das Ein- und Aussteigen genauso schnell vonstatten ging wie bei unserem PKW.
Unsere Habseligkeiten und Vorräte für eine Zehntagestour entlang der niederländischen und belgischen Nordseeküste wechselten vom Kofferraum unseres Caddy in die geräumigen Staufächer des Wohnmobils, und schließlich fand sich auch noch ein sicherer Stellplatz für die Schlaf- und Wohnbox unserer Whippethündin Libby, die keinerlei Berührungsängste zeigte, und unverzüglich mit einer gründlichen Inspektion sämtlicher Ecken und Winkel der noch ungewohnten neuen Umgebung begann. Zwei Stunden nach unserem Eintreffen in Oberhausen rollten wir in Richtung Niederlande los, einstweilen erst mal sehr vorsichtig und mit wachem Blick für alle möglichen Hindernisse, denn an die Abmessungen so eines Klein-LKWs muß man sich halt erst mal gewöhnen.
Viel Platz für das Wohnmobil
Schon kurze Zeit später war uns der Umgang mit dem Dreieinhalbtonner selbstverständlich geworden. Große Spiegel, Rückfahrkamera und eine übersichtliche Karosserie leisteten dazu ebenso ihren Beitrag wie der durchzugskräftige und angenehm leise Diesel. Die Nordsee war rasch erreicht, und in den folgenden Tagen genossen wir Frühstücke mit Ausblick aufs Meer, ausgedehnte Spaziergänge über befestigte Deiche und die pittoresken Örtchen der Provinz Zeeland. Unsere anfänglichen Bedenken in Sachen Parkplatzsuche waren rasch zerstreut. An der Nordsee war einfach immer genug Platz. Zur Not mussten halt auch mal zwei Parkbuchten hintereinander herhalten. Diesbezüglich vertrauten wir natürlich auch auf den Schutz des blauen Parkausweises. Jedenfalls wurden wir nie behelligt.
Einige Eigenheiten der niederländischen Nordseeküste kamen uns sehr entgegen. So gibt es an etlichen Stellen Fahrwege auf der Seeseite der Deichkronen mit entsprechenden Parkmöglichkeiten. Tagsüber fand sich also immer ein Stellplatz mit Meerblick. Außerdem ist ein Strandaufenthalt mit Hund in den Niederlanden viel unkomplizierter als in Deutschland. Kompliment an unsere Nachbarn.
Wildcampen ist verboten
„Eigentlich“ ist das Übernachten im Wohnmobil fern von Campingplätzen in den Niederlanden nicht gestattet. Ein Polizist, den ich dieserhalben fragte antwortete mir vielsagend, die Kontrollen seien allerdings nicht sehr streng. Sei’s drum – es wäre gewiss keine gute Idee gewesen, wochenends das Wohnmobil mitten in einem Urlaubsort am Straßenrand zu parken. Auch einsame Strandparkplätze wollten wir lieber meiden. Wir zogen es vor, für wenig Geld und ganz legal die „Minicampings“ an Bauernhöfen zu nutzen, die meist nur das Notwendigste boten.
Da unser Wohnmobil in Bezug auf Strom- und Frischwasserversorgung sowie Abwassertank gut und gerne fünf Tage autark war, stellte das für uns kein Problem dar. Hätte uns der Sinn nach mehr Luxus gestanden, hätten wir auch die großen, in der Regel exzellent ausgestatteten Campingplätze ansteuern können. Stellplatz- und Wohnmobilmiete addieren sich dann freilich zu einer Summe, für die auch ein sehr komfortables Hotelzimmer zu haben ist.
Urlaub mit dem Wohmobil ist großartig
Das vermissten wir während unserer zehn Tage aber keine Sekunde. Im Gegenteil: Wir fanden‘s großartig, zwanglos, spontan und ganz nach Belieben an den schönsten Plätzen verweilen zu können. Rasch hatten wir uns an unser Wohn-Schlaf-Ess-Badezimmer gewöhnt. Nachmittags mal eben ein Schläfchen halten? Nichts leichter als das. Die Seeluft hereinlassen und mit Blick auf’s große Blau einen Kaffee genießen? Jederzeit. Und der Hund fand’s toll, immer ganz nah dabei zu sein und zwischendurch nach Herzenslust am Strand herumtollen zu können.
Mit dem Wohnmobil in die Stadt
Für den zweiten Teil unserer Reise standen einige Stadtbesichtigungen in Belgien auf dem Programm. Oostende, Brügge und Gent sind sehenswerte, typisch flandrische Städte, die mit ganz eigenem Charme locken. Auch wenn Belgien als Urlaubsland immer ein wenig im Schatten des niederländischen Nachbarn zu stehen scheint: Ich finde, ein Land, in dem zu Muscheln mit der größten Selbstverständlichkeit konkurrenzlos gute Pommes Frites serviert werden, und in dem es Kneipen mit 240 Biersorten im Angebot gibt, muss man einfach lieben.
Auch bei unseren Stadtaufenthalten erwies sich das Wohnmobil als zweckmäßig. Wir fanden stets relativ zentral einen Stellplatz. Und nachdem ich schon manche Stunde meines Lebens mit der Suche nach behindertengerechten Toiletten verschenkt habe, fand ich es ausgesprochen angenehm, mir in diesem Urlaub einmal keine Gedanken über dieses Problem machen zu müssen.
Die Rückgabe des Wohnmobils fällt schwer
Dass wir alles Lebensnotwendige, wenn auch auf sehr kompaktem Raum, mit uns führten, verlieh uns eine wohltuende Gelassenheit. So trotzten wir einem 36-stündigen Starkregen, gottlob dem einzigen in zehn Tagen, mit einer ausgedehnten Lesepause auf einem belgischen Campingplatz. Kühlschrank und Gasherd sei Dank kamen dabei selbst unsere kulinarischen Bedürfnisse nicht zu kurz.
Es fiel uns nicht leicht, nach eineinhalb Wochen wieder Oberhausen anzusteuern, und von Urlaub auf Alltag umzustellen. Nach ein paar Tagen des Umherziehens waren wir so sehr in dieser Art des Reisens „angekommen“, dass es gut und gerne noch ein paar Wochen hätte weitergehen können.
Unser Fazit: Experiment geglückt. Urlaub im Wohnmobil hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, und wenn man sich mit denen anfreunden kann, ist es eine sehr reizvolle Art des Reisens. Wer unter „All inclusive“ rundum bedient werden versteht, wird sich kaum damit anfreunden. Unser All inclusive hieß Bett, Bad und Küche dabei, und war für uns genau das richtige. Der Bonus, den ich als Rollstuhlfahrer genoß war es, mir einmal einen ganzen Urlaub lang keine Gedanken um all die Dinge machen zu müssen, die sonst schon mal gerne lästig fallen. Im von uns gemieteten WoMo paßte einfach alles.
Wir überlegen schon, wo’s das nächste Mal hingehen soll.
Werner Pohl
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