Langläuferin, Biathletin und Handbikerin Andrea Eskau ist im Winter wie im Sommer eine Ausnahmeathletin. Das liegt nicht nur an ihrem großen Talent und dem enormen Ehrgeiz, sondern auch an der Bereitschaft, immer Neues auszuprobieren. Die mehrfache Paralympics-Siegerin erforscht den Sport, als Athletin und im Job.
So sieht Andrea Eskau das. Es muss weiter gehen, man muss besser werden. Leistung optimieren, an Kleinigkeiten tüfteln, das Maximale herausholen. Forschen an den Möglichkeiten. Das ist nicht nur ihr Job am Bundesinstitut für Sportwissenschaft in Bonn, das macht die sechsfache Paralympics-Siegerin auch in ihrem privaten sportlichen Leben. „Ich frage mich immer, was kann ich wie umsetzen. Das ist stets eine neue Herausforderung“, sagt die querschnittgelähmte Athletin, „in Rio hat das sehr gut geklappt, darauf bin ich schon ein bisschen stolz“.
Gold im Straßenrennen und Silber im Zeitfahren brachte die 45-jährige Handbikerin von den Spielen an der Copacabana mit – doch längst schweift ihr Blick Richtung Tokio, wo 2020 die nächsten Paralympischen Spiele im Sommer stattfinden. Und dazwischen? Klar: Die Winter-Paralympics 2018 im südkoreanischen Pyeongchang. Sommer, Winter, Straße, Loipe, Handbike, Langlaufschlitten – Eskau macht alles, immer volle Pulle. Nur Pausen macht sie wenige. „Ich brauche meinen Sport“, betont Eskau, die auch wieder dem Top Team für die Spiele 2018 angehört.
Und so bereitet sie sich jetzt natürlich schon wieder auf die Nordische Ski-Weltmeisterschaft vor, die vom 10. bis 19. Februar im bayerischen Finsterau ausgetragen wird. Im Langlauf und Biathlon will sie dann an den Start gehen, ihr Saisoneinstieg ist für den Weltcup Mitte Januar in der Ukraine geplant. Den Auftakt in Finnland am 9. Dezember schafft sie nicht. „Ich habe nicht genug Schneekilometer, das hat keinen Sinn“, sagt sie, ganz Perfektionistin. Das lag auch an den vielen Verpflichtungen nach dem großen Erfolg im Sommer: „Es gab wirklich viele Ehrungen und Termine. Das war sehr schön. Mein Winter-Grundlagentraining mache ich jetzt im Dezember in Italien.“
Die Hightech-Materialien nützen nur was, wenn die körperlichen Grundlagen stimmen
Das alles muss quasi nebenbei gehen. Denn Andrea Eskau arbeitet sechs Stunden am Tag im Bundesinstitut. Ihr Privileg als Leistungssportlerin ist, dass sie Fulltime bezahlt und für Lehrgänge freigestellt wird. Und doch: „Ich müsste keinen Sport treiben, um meinen Tag zu füllen“. Eskau prüft und bewertet in ihrem Job eingehende Forschungsanträge insbesondere aus dem Bereich des Behindertensports. „Es geht um eine finanzielle Unterstützung für technologische oder trainingswissenschaftliche Projekte, die den Sport voranbringen können.“ Ein Beispiel: „Für Goalball gibt es einen neuen, spezifischen Boden, der in Deutschland bisher nicht zu finden war. Der wurde zum Teil bezahlt und in Marburg installiert.“ Ein wichtiger Baustein in der Vorbereitung der Goalballer auf die Paralympics in Rio – schließlich hängt das Sprungverhalten des Balles ganz entscheidend auch vom Boden ab.
Forschen. Probieren. Neues wagen, um besser zu werden. So macht sie es auch selbst. Sie benutzt die Höhenkammer an der Deutschen Sporthochschule, optimiert gemeinsam mit Technikern ihres Sponsors Schlitten und Handbike. Die Sportgeräte wurden aus neuen, ultraleichten Materialien gefertigt, Sitzpositionen müssen erkundet werden, Kraftübertragungen. Das ist Hightech – was aber nichts nützt, wenn die Grundlage nicht stimmt. Und auch die erforscht Andrea Eskau inzwischen selbständig an sich. „Ich mache meine Trainingsplanung selbst, arbeite sehr viel mit hochintensivem Training“, sagt sie, „ich glaube, wenn ich viele Stunden täglich Ausdauertraining machen würde, wäre ich schnell leer“.
Derzeit läuft noch die Umstellungsphase. Skilanglauf und Handbike brauchen zwar beide viel Ausdauer, die Technik aber unterscheidet sich fundamental, „und es werden unterschiedliche Muskelgruppen angesprochen. Beim Handbike muss man hohe Wattwerte gleichmäßig erreichen, beim Ski haut man kraftvoll mit den Stöcken auf den Boden, um schnell voranzukommen“. In Rio ist es ihr technisch sehr gut gelungen, für den Winter will sie sich noch weiter verbessern, um die Kraft effizienter einzusetzen. Und die Schusszeiten im Biathlon müssen auch noch schneller werden. Es ist ein Forschen und Probieren. Es soll immer weiter gehen. Denn Andrea Eskau hat zwar schon unheimlich viel erreicht – aber Stillstand bedeutet eben Rückschritt.
Quelle: Andreas Hardt (Medienmannschaft)