Barrierefreiheit: Testfahrt mit dem Fernbus

Bis 2016 müssen alle Fernbusse barrierefrei sein. Für ältere Modelle gilt eine Übergangsfrist bis 2019. Foto: Autor
Bis 2016 müssen alle Fernbusse barrierefrei sein. Für ältere Modelle gilt eine Übergangsfrist bis 2019. Foto: Autor

Eine Zeit lang schien es so, als seien Fernreisebusse das Nonplusultra des modernen Reiseverkehrs. Inzwischen sind viele mit den Bussen gefahren, haben Vor- und Nachteile kennengelernt. Einer, der es genau wissen wollte, ist Oliver Kuckuk, Rollstuhlnutzer und eigentlich bekennender Autofahrer. Er fuhr gemeinsam mit Begleiterin Jennifer Ulrich von München nach Zürich, und zwar mit dem IC-Fernbus der Deutschen Bahn.

Der IC-Bus ist nur mit Platzreservierung und Anmeldung des Rollstuhls nutzbar. Die Mitnahme von Gepäck ist begrenzt. Der Bus ist an diesem Tag nicht ausgelastet, von den 74 verfügbaren Plätzen im Bus sind nur 15 besetzt. Für Olis umfangreiches Gepäck, er hat einen zusätzlichen Duschrollstuhl mitgenommen, ist deshalb genügend Platz vorhanden. Die Gepäckablage befindet sich in Brusthöhe des Servicepersonals. Ottmar Brunner, der Fahrer des Busses, hievt anstandslos das Paket mit dem Duschrollstuhl in den Bus. Bei dessen Gewicht hätte er sich leicht verheben können, und man darf sich fragen, ob jeder Busfahrer dieses Risiko auf sich genommen hätte. Ein Koffer in der gleichen Größe hätte schon zur Hälfte mit Büchern gefüllt sein müssen, um auf das gleiche Gewicht zu kommen.

Ottmar Brunner hat es geschafft, und er bemüht sich auch sonst fürsorglich um seinen behinderten Fahrgast. Oliver gelangt über eine anlegbare Rampe in den Bus. Im IC-Bus befindet sich der Rollstuhlplatz im hinteren Bereich, direkt neben der Toilette und einem Kaffee- und Snackautomaten. Normalerweise sind hier zwei Sitzbänke. Meldet sich aber ein Rollifahrer in der Mobilitätsservicezentrale der Deutschen Bahn an, werden die beiden Bänke für die entsprechende Fahrt ausgebaut, und es entsteht so Platz für den Rollstuhl.

Fahrer Brunner schiebt in diesem Fall Olivers Rollstuhl in Position, holt die Gurte hervor und schnallt ihn fest. Die Handgriffe sitzen, schnell ist der Rollstuhl verkehrssicher eingeparkt. Das ist umso beachtlicher, da es sich um Ottmar Brunners ersten Rollstuhl handelt. Wie die Vergurtung funktioniert, hat er bislang nur auf Fotos gesehen. Diese allerdings scheint er genau betrachtet zu haben. In nur wenigen Minuten ist Oli sicher untergebracht. Das muss zügig gehen, denn der Bus ist ein Linienbus und hat nur einen kurzen Moment Aufenthalt.

 

Eine Rampe macht einen Fernbus noch lange nicht Barrierefrei. Toilettenstops sind möglich, passen jedoch nicht immer in den Zeitplan. Foto: Autor
Eine Rampe macht einen Fernbus noch lange nicht barrierefrei. Toilettenstops sind möglich, passen jedoch nicht immer in den Zeitplan. Foto: Autor

Keine Zeit für Toilettenstopps

Der Zeitplan ist für Rollifahrer der kritische Punkt. Busfahrer Ottmar Brunner schafft es, die Strecke München – Zürich mit nur zwei Minuten Verspätung zu absolvieren. Immer wieder wird von Fahrgästen im Rollstuhl die Frage nach einer Toilettenbenutzung gestellt. Und immer wieder erhalten sie mantramäßig folgende Antwort: „Der behinderte Fahrgast meldet sich, der Bus fährt die nächste Raststätte an, und dort kann der Rollstuhlfahrer dann die behindertengerechte Toilette benutzen.“ Und tatsächlich, Oli hat neben seinem Sitz ein Telefon, das ihn im Fall der Fälle mit dem Fahrer verbindet. Alles wäre gut, wäre da nicht dieser Fahrplan.

Olis Bus hat in Zürich nur 45 Minuten Aufenthalt, dann fährt er weiter nach Nürnberg. Die Pause braucht der Fahrer, um sich um Fahrgäste und Bus zu kümmern und sich selbst etwas zu erholen. Ottmar Brunner ist zu diesem Zeitpunkt schon viele Stunden unterwegs. Sein dringend notwendiger Aufenthalt in Zürich wäre dahin, würde er unterwegs die Autobahn verlassen, Oli ab- und anschnallen und den Toilettengang abwarten. Dies ist übrigens eine Erfahrung, die ein Vertreter des ADAC-Postbusses bei der ITB in Berlin bestätigte: Bei einer Verspätung fallen möglicherweise Entschädigungen für die Fahrgäste an. Der Bus ist von München nach Zürich nur dreieinhalb Stunden unterwegs. Oliver Kuckuk benutzt auf dieser Fahrt keine Toilette. Aber was für alle anderen Fahrgäste normaler Service ist, sollte doch für den Rollifahrer ebenso gelten.

Siegurd Seifert

 

Dieser Artikel erscheint im RehaTreff (3/2014) und kann hier als PDF heruntergeladen werden.
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