Die Qualität der Akutschmerzbehandlung nach Operationen ist in deutschen Kliniken aus Patientensicht sehr unterschiedlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Analyse von Daten aus dem weltweit größten Akutschmerzregister QUIPS („Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie“). Eine weitere Erkenntnis: Patienten sind zufriedener und empfinden die Behandlung als „besser“, wenn sie nicht nur Medikamente erhalten, sondern informiert und in die Therapieentscheidung mit eingebunden sind und ihre Schmerzen erfasst und dokumentiert werden. Das Thema „Qualität der postoperativen Akutschmerzversorgung“ diskutieren Experten auf der Pressekonferenz am 18. Oktober 2018 im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses 2018 (17. bis 20. Oktober) in Mannheim. In Deutschland kommt es pro Jahr zu etwa 18 Millionen operativen Eingriffen. Schmerzen nach Operationen erhöhen das Risiko für Komplikationen wie Thrombosen oder Lungenentzündungen, verzögern das Wiedererlangen der körperlichen Beweglichkeit und belasten den Patienten. „Hinzu kommt, dass etwa fünf Prozent aller operierten Patienten Monate nach der Operation chronische Schmerzen entwickeln“, sagt Professor Dr. med. Winfried Meißner, Leiter der Sektion Schmerztherapie an der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena. Die ersten Tage nach der Operation seien entscheidend in Bezug auf die Gefahr einer Chronifizierung. „Je stärker und anhaltender die akuten Schmerzen sind, desto höher das Risiko, dass daraus chronische Schmerzen werden“, weiß der Experte. Frühes Handeln zahle sich aus: Effektive und „finanziell erschwingliche“ Methoden zur Schmerzbehandlung seien an den meisten Kliniken vorhanden.
Nach wie vor berichten beispielsweise knapp die Hälfte aller Patienten nach einer laparoskopischen Gallenoperation, also der Entfernung der Gallenblase in „Schlüssellochtechnik“, über Schmerzen kleiner als fünf. Ein Wert, der als behandlungsbedürftig gilt. „Um die Qualität der Akutschmerzbehandlung zu verbessern, sind Empfehlungen und Leitlinien erarbeitet worden. Allerdings werden sie noch nicht überall konsequent umgesetzt“, erklärt Professor Dr. med. Carla Nau, Kongresspräsidentin des Deutschen Schmerzkongresses 2018 und Direktorin der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Campus Lübeck des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Es gebe noch erheblichen Nachholbedarf beispielsweise bei der Verfügbarkeit von Akutschmerzdiensten. Das sind spezialisierte Teams aus Pflegekräften und Ärzten. Nur zwei Drittel aller Kliniken haben solche Teams. Auch bei der Umsetzung der empfohlenen Therapien und der Schmerzdokumentation hapere es.
Defizite könnten nur dann erkannt werden, wenn Schmerzen regelmäßig gemessen und verglichen werden. Krankenhäuser können an Vergleichsprojekten wie dem Register der Initiative QUIPS („Qualitätsverbesserung in der postoperativen Schmerztherapie“) oder an Zertifizierungen (Certcom) teilnehmen. Eine aktuelle Analyse, bei der Meißner und Kollegen Struktur- und Prozessmerkmale und deren Auswirkung auf die Ergebnisqualität der postoperativen Schmerztherapie aus Sicht der Patienten untersuchten, brachte zwei wichtige Erkenntnisse: Die Schmerzintensität, schmerzbedingte Funktionseinschränkungen und die Zufriedenheit der Patienten mit der Behandlung variieren erheblich zwischen den 138 Kliniken, deren Daten für QUIPS erhoben und ausgewertet wurden. Auf einer Skala von null (= kein Schmerz) bis zehn (= stärkster Schmerz) berichteten Patienten der „schlechtesten“ zehn Prozent der Krankenhäuser über eine Schmerzintensität von 6,3; diejenigen der zehn Prozent „besten“ Kliniken von 3,6. Zweitens: In den Krankenhäusern, in denen die Schmerzen in der Krankenakte dokumentiert und die Patienten zu den verschiedenen Therapiemöglichkeiten informiert wurden, waren die schmerzbedingten Beeinträchtigungen geringer und die Zufriedenheit der Patienten höher. „Neben Medikamenten sind drei Faktoren für die Akutschmerzbehandlung nach Operationen wichtig: Patienten informieren, in die Therapieentscheidung mit einbeziehen und die Schmerzen regelmäßig erfassen“, bilanziert Meißner, Mitglied des Vorstands der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. Kongresspräsidentin Nau fügt hinzu: „Mit dem Messen der Qualität der postoperativen Schmerzbehandlung und einer leitliniengerechten Behandlung kann langfristig die Behandlungsqualität der Patienten deutlich verbessert werden.“
Thomas Isenberg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., sieht auch die Politik in der Pflicht: „Die Deutsche Schmerzgesellschaft hat den Antrag der Patientenvertretung beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) im vergangenen Jahr unterstützt. Der G-BA muss das Thema ‚Versorgungsqualität bei Akutschmerz‘ angehen und dazu ein Qualitätssicherungsverfahren entwickeln.“