Menschen mit Behinderungen können großartige Leistungen vollbringen – im Alltag wie im Sport, sowohl im paralympischen Leistungssport als auch im Breitensport. Allerdings wird im Sprachgebrauch die Leistungsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen, häufig unbewusst, herabgewürdigt. Viel zu häufig hört man in der Öffentlichkeit die Floskel „Bist du behindert!?“ – als Synonym dafür, dass man etwas nicht kann, nicht versteht oder nicht weiß. Dem wollte der Deutsche Behindertensportverband (DBS) am Tag der Menschen mit Behinderungen mit klaren Botschaften entgegenwirken.
„Alter, bist du behindert?“ – steht in einer Sprechblase neben einem jungen Fußballer mit Beinprothese. Die Antwort: „Ja – und der Sport ist ein wichtiges Standbein für mich!“ Weitere Motive dieser Art gibt es mit einer Rennrollstuhlfahrerin, einem Schwimmer mit Beinamputation und aus dem Wintersport. „Wir haben uns bewusst für diese provokante Herangehensweise entschieden, um den häufig abwertenden Ausspruch „Bist du behindert“ zu konterkarieren und den ein oder anderen Nadelstich zu setzen hin zu einem anderen Umgang mit dem Wort Behinderung – und somit auch mit Menschen mit Behinderungen“, erklärt DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher und fügt an: „Wir brauchen bessere Teilhabemöglichkeiten im Sport, wir brauchen viel mehr Begegnungen von Menschen mit und ohne Behinderungen im Alltag. Ich bin mir sicher, dass sich dann die Barrieren in den Köpfen wie Berührungsängste oder Vorurteile allmählich lösen und sich dadurch auch der Sprachgebrauch verändern kann.“ Die Paralympics in Paris waren der Startschuss für die Kampagne „Bist du behindert?“, nun sollen auch weitere Bereiche des Sports von Menschen mit Behinderungen mit einfließen. „Ein Gewinn sind nicht nur die paralympischen Top-Athleten und Athletinnen, sondern auch die Vielzahl an Menschen mit Behinderungen, die im Breitensport aktiv sind – in aller Regel abseits der Kameras und Zuschauertribünen“, betont Friedhelm Julius Beucher. Nach und nach solle dazu beigetragen werden, für mehr Respekt zu sensibilisieren. Schließlich leben in Deutschland nach Angaben des statistischen Bundesamtes fast acht Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung, noch weitaus mehr haben eine Beeinträchtigung. „Als Gesellschaft sollten wir alle gemeinsam dafür kämpfen, dass das Wort ,behindert‘ nicht gleichgesetzt wird mit Unvermögen oder Ahnungslosigkeit. Menschen mit Behinderungen sind eine Bereicherung“, so Beucher. Damit Teilhabe und Begegnungen ermöglicht werden und Menschen mit Behinderungen sportlich aktiv sein können, müssen wesentliche Verbesserungen her: „Die Herausforderungen sind benannt und bekannt. Neben fehlender Barrierefreiheit und noch immer schwieriger Hilfsmittelversorgung ist das größte Problem, dass es schlichtweg viel zu wenig Angebote für Menschen mit Behinderungen im Sport gibt. Das muss sich ändern – bundesweit und mit dem festen Willen auf allen Ebenen. 15 Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention müssen endlich Taten folgen – hin zu einer offenen, inklusiven und vielfältigen Gesellschaft“, sagt DBS-Präsident Beucher und nimmt den Sport, die Medien, die Politik und die Wirtschaft in die Pflicht: „Der Sport von Menschen mit Behinderungen gehört ohne Wenn und Aber in die Mitte der Gesellschaft.“ Die Paralympics in Paris waren ein wichtiger und großer Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel. Doch weitere Schritte müssen folgen, damit eine nachhaltige Wirkung entsteht. „Es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die bei der Eröffnungsfeier in Paris ausgerufene Inklusions-Revolution auch in Deutschland spürbar in Schwung kommt. Wir brauchen kontinuierliche Sichtbarkeit, um zu zeigen, dass Vielfalt und Teilhabe unsere Gemeinschaft bereichern“, betont Beucher. Die Kampagne „Bist du behindert?“ soll bei diesem Vorhaben ein weiterer Baustein sein – nicht nur am Tag der Menschen mit Behinderungen.
Foto: DBSJ TalentTage / Christian Christes