Rund 380.000 Verträge verwaltet allein die Abteilung Wirtschaft & Verträge des Bundesinnungsverbandes für Orthopädie-Technik (BIV-OT). Nur so dürfen nach derzeitiger Gesetzeslage die rund 4.500 orthopädietechnischen Betriebe und Sanitätshäuser der Innungen in jedem Hilfsmittelbereich Menschen versorgen. Das sind allein im Hilfsmittelbereich 380.000 Verträge, die vom BIV-OT und den 96 Gesetzlichen Krankenversicherungen verhandelt sowie von den Mitgliedsbetrieben gezeichnet, erfüllt und abgerechnet werden müssen. Den Gesetzlichen Krankenversicherungen obliegt dann wiederum die Kontrolle der 380.000 Verträge. Welche Verträge mit welchen Details zur Hilfsmittelversorgung für den einzelnen Patienten gelten, ist für diesen nicht nachvollziehbar.
„Was für eine Verschwendung von Ressourcen an Personal, Zeit und Kosten zulasten der Patienten, die wir uns als Gesellschaft angesichts steigender Versorgungskosten und des Fachkräftemangels nicht länger leisten können“, erklärte Alf Reuter, Präsident des BIV-OT, im Rahmen des Jahresauftaktes der Kanzlei Hartmann am 25. Januar 2024.
Die Zahlen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) von 2021 zeigen, dass der Fachkräftemangel im Bereich Orthopädietechnik und Sanitätshaus sogar größer ist als im Bereich der Pflege. Eine Umfrage des Bündnisses „Wir versorgen Deutschland“, zudem der BIV-OT gehört, ergab im November 2022, dass mehr als 90 Prozent der orthopädietechnischen Betriebe und Sanitätshäuser qualifizierte Mitarbeiter für die Versorgung der Patienten fehlen.
„Unseren Betrieben fehlt in der Hauptsache das Personal, um die wohnortnahe Versorgung der GKV-versicherten Patienten sicherzustellen. Sie brauchen Meister, die die Verordnungen der Ärzte verstehen, sich mit den Ärzten unterhalten und die Versorgung verantworten können – ebenso wie Gesellen, die unter ihrer Aufsicht die entsprechenden Hilfsmittel anfertigen oder als Sanitätshausfachverkäufer die bedarfsgerechte Auswahl aus dem Sortiment ebenso wie das Anmessen und Abnehmen beherrschen, statt sich mit einem Wust an Verträgen herumzuschlagen“, erläutert Alf Reuter. „Eine Reform der Hilfsmittelversorgung in Deutschland muss dringend auf den Weg gebracht werden, um diesen Irrsinn zu stoppen und endlich wieder die auf Hilfsmittel angewiesenen Millionen Menschen in den Vordergrund zu stellen.“
Nach längerer – unter anderem der Corona-Pandemie bedingten – Pause lud die Kanzlei Hartmann am 25. Januar 2024 wieder zu ihrer traditionellen Jahresauftaktveranstaltung ein. Das eintägige Programm dreht sich um die Digitalisierung im Gesundheitswesen mit Fokus auf die Hilfsmittelbranche sowie den Reformstau für die Hilfsmittelversorgung in Deutschland.Zu den weiteren Rednern des Tages gehörte Andreas Brandhorst, Diplom-Soziologe, Leiter des Referats 227 – Vertragszahnärztliche Versorgung, Heilmittelversorgung, Hilfsmittelversorgung, Rettungsdienst im Bundesministerium für Gesundheit. Unter der Überschrift „17 Jahre nach Einführung des Vertragsprinzips. Wie weiter mit der Hilfsmittelversorgung? • Entbürokratisierung • Finanzierung • Präqualifizierung • Qualitätssicherung“.
Dr. Jan Helmig, Chief Digital Officer, Bereichsleiter Projekt- und Produktmanagement Bereich Digitalisierung der opta data Group, und Prof. Dr. David Matusiewicz, Herausgeber von über 30 Büchern im Gesundheitswesen und Autor einer dreistelligen Zahl an Publikationen, informierten über die Digitalisierung in der Hilfsmittelbranche sowie der digitalen Transformation des Gesundheitswesens.