DDG: Verpasst die Krankenhausreform die Chance für echte Patientenorientierung?
Daseinsfürsorge, Sicherung und Steigerung der Behandlungsqualität sowie Entbürokratisierung – das sollen die erklärten Ziele der von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angestoßenen Krankenhausreform sein. Mit der in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Arbeitsfassung zum sogenannten Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) liegen nun erstmals seit dem Eckpunktepapier von Bund und Ländern nähere Anhaltspunkte vor, wie die Reform ausgestaltet werden soll. In dem Entwurf spielt die konkrete Verbesserung der Patientenversorgung eine zu geringe Rolle, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG). Außerdem drohe das Nebeneinander von Vorhaltevergütung und Fallpauschalen ein Bürokratiemonster für Kliniken zu werden. Die Fachgesellschaft bekräftigt ihre Forderung an die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, das Patientenwohl und die Patientensicherheit in den Mittelpunkt der Reform zu stellen und die Perspektive der Fachgesellschaften stärker zu berücksichtigen.
Mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten auf der einen und weniger Bürokratie und ökonomischen Druck auf der anderen Seite: Dies sind zwei zentrale Versprechen der Krankenhausreform, an der die Regierungskommission sowie die Gesundheitsminister von Bund und Ländern seit mehreren Monaten arbeiten. Seit vergangener Woche kursiert der Text der ersten Arbeitsfassung des BMG, der die Vorhaben in groben Zügen schildert, allerdings noch zahlreiche Leerstellen enthält. „Dieser Entwurf enttäuscht nach dem ersten Lesen meine Hoffnung, dass die Krankenhausreform die Sprechende Medizin stärken und eine an den Patientenbedürfnissen orientierte Versorgung etablieren wird“, sagt DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche aus Tübingen.
Damit Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte dem Patienten mehr Zeit widmen können, seien einschneidende Maßnahmen zur Entbürokratisierung notwendig, so der DDG Präsident. Dieses Thema kommt nach Meinung des Diabetes-Experten in der aktuellen Arbeitsfassung des Gesetzes zur Krankenhausreform deutlich zu kurz. Maßnahmen, die zeitaufwendige Prozesse etwa im Bereich der Dokumentation oder der Abrechnung verschlanken, fehlen bislang gänzlich. „Im Gegenteil: Die an sich zu begrüßende Einführung der an Leistungsgruppen gebundenen Vorhaltevergütung als zentrale Finanzierungssäule macht das System sogar noch komplexer“, so Fritsche.
Denn die Vergütung nach Diagnosebezogenen Fallgruppen (Diagnosis-related group oder auch DRG) sollte zwar an Bedeutung verlieren, wird de facto aber beibehalten. „Die neu geschaffenen Pauschalen für die Vorhaltung der Leistungsgruppe Diabetologie/Endokrinologe wird über DRG definiert werden. Das DRG-System wird damit nur in ein gröberes Leistungsgruppenbudget gepresst und deswegen droht trotz oder mit dem neuen System erhebliche Mehraufwände in der Verwaltung – genau das Gegenteil, was die Reform verspricht!”, kritisiert der Tübinger Diabetologe. Wie eine Analyse des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV) zeigte, erhöht sich mit jeder Komplexitätssteigerung auch das Missbrauchspotenzial und damit der notwendige Kontrollaufwand. „Auch diese zusätzlichen Strukturen können sich die Kliniken bei weiterhin gedeckelten Budgets weder personell noch finanziell leisten“, so Fritsche. „Insgesamt entsteht der Eindruck, dass bei dieser Reform nicht die Verbesserung der Patientenversorgung im Vordergrund steht, sondern nur wieder eine neue Abrechnungsstruktur eingeführt wird.“
Fritsche hofft, dass sich im Verlauf der weiteren Ausarbeitung des Reformgesetzes noch umfangreiche, auch grundlegende Änderungen ergeben werden. „Wir als Fachgesellschaft werden unsere Perspektive weiter konstruktiv in den Prozess einbringen, um die Versorgung der Millionen Menschen mit Diabetes tatsächlich zu verbessern“, versichert der DDG-Präsident. Mindestens jeder fünfte stationär behandelte Patient im Krankenhaus hat einen Diabetes mellitus, der bei der Behandlung der Aufnahmediagnose ins Krankenhaus mitberücksichtigt und behandelt werden muss. Die DDG gestalte den Prozess unter Federführung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) aktiv mit.