Ob Therapie-Apps, Online-Coaching, Tracking- oder Chatbot-Apps: Gesundheits-Apps bahnen sich ihren Weg zum Kunden, sowohl über die Massenmedien als auch vermittelt über die Gesundheitsberufe. Wachsende Startups wie beispielsweise Ada Health (Chatbot für Symptome), DIPAT (Digitale Patientenverfügung), Selfapy (Online-Coaching) oder vimedi (App für Medikamente) investieren inzwischen bis zu siebenstellige Beträge in direkte Kundenwerbung. Und auch Ärzte, Kliniken und Therapeuten empfehlen ihren Patienten immer öfter digitale Anwendungen. Beispielsweise wird Caspar Health (Online-Reha) als stationäre Nachsorge auf dem Tablet des Patienten integriert, Neolexon (digitale Sprachtherapie nach Schlaganfall) ist Bestandteil der Sprachtherapie der Logopäden. „Während Politik und medizinische Selbstverwaltung noch über das ,ob und wie‘ von Gesundheits-Apps diskutieren, werden diese längst integriert und genutzt“, analysiert Alexander Schachinger, Autor des nunmehr fünften Digitalen Gesundheitsmarkt Reports (DGM Report) 2018 der EPatient RSD GmbH, die Situation: „Was funktioniert, lässt sich nicht aufhalten“.
Apps konsolidieren und profilieren sich
Gesundheits-Apps haben im vergangenen Jahr enorm an Tiefe und Breite gewonnen. Anwendungsarten verschmelzen untereinander (Bsp.: Coaching, Tracking, Chatbots als Teil einer Gesamtlösung) und bieten für breitere wie auch spezifischere Zielgruppen digitale Versorgungslösungen an (z.B. Digitale Nachsorge oder Therapeuten-Chats direkt nach Klinikentlassung). Diagnostik und Sensorik können in diversen Szenarien ohne zusätzliche Hardware zunehmend vom Smartphone übernommen werden. Die Online-Videosprechstunde sowie neue Formen von Chatbots werden einzeln oder miteinander kombiniert in der Versorgung eingesetzt. Ein Chatbot-Pilot in England (Babylon Health und NHS) zeigte massive Auswirkungen auf die Patientenströme in der Testregion London. 2018 und 2019 werden die Startjahre der Online-Gesundheitsakte sein. Werden sie eine kritische Nutzermasse in der deutschen Bevölkerung erreichen?
Startups investieren mehr (und erfolgreich) Ressourcen in den Weg zum Nutzer
Da die Produkte inzwischen ausgereift sind, konzentrieren Startups jetzt mehr und mehr Ressourcen auf den Marktzugang. Werbebudgets steigen bei Apps, die sich direkt an den Verbraucher wenden, andere haben sich über Ärzte, Kliniken und Therapeuten den Weg in die Versorgung gebahnt. Krankenversicherungen bieten über ihre Kanäle Millionen von Versicherten digitale Versorgungslösungen an. Die Prognose: Deutschland wird auch künftig dem Trend in anderen Ländern folgen, in denen Apps beispielsweise schon über Apotheken (als Point of Sale) bezogen werden können.
Digitale Therapien sind zunehmend erforscht
Mit jedem Jahr wächst die Anzahl an Publikationen mit einem Nutzennachweis für digitale Anwendungen langsam aber stetig. Sie werden zum Role-Model für eine Best Practice in der Versorgung. Drei exemplarische Erkenntnisse: a) Optimierung: Die App fußt auf einem wissenschaftlich anerkannten Modell der Verhaltensänderung und erzielt durch Produktoptimierung laufend bessere Ergebnisse, b) Individualisierung: Digitale Anwendungen individualisieren sich automatisch durch die Berücksichtigung von Nutzerdaten und steigern somit den Effekt, c) Integration in die Versorgung: Die App wird vom Arzt oder Therapeuten (ergänzend) in der Therapie eingesetzt und führt dadurch zu besseren Ergebnissen.
Bleibt schwierig: Digitale Geschäftsmodelle
Trotz des zunehmenden Hypes stellt eine nachhaltige Finanzierung von digitalen Gesundheitsanwendungen auch zukünftig noch eine Herausforderung dar. Drei Umsatzquellen haben sich auch dieses Jahr verstärkt manifestiert: 1. Verbraucher als Selbstzahler: die Zahlungsbereitschaft für digitale Therapien beim Gesundheits-Surfer ist in den vergangenen vier Jahren von 4 Prozent auf 10 Prozent gestiegen (Quelle: EPatient Survey 2010-2018), und Anbieter mit zahlungspflichtigen Produkten verzeichnen steil wachsende Nutzerzahlen; 2. Krankenversicherungen: sowohl die Anzahl der Anbieter, die eine Form der Erstattung erhalten, sowie umgekehrt die Anzahl der Krankenversicherungen, die dies ermöglichen, ist in den letzten Jahren exponentiell gestiegen; 3. ambulante und stationäre Versorger: ob als Eigeninvestition oder als abzurechnende Leistung – Ärzte, Therapeuten und Kliniken verwenden zunehmend digitale Versorgungslösungen für ihre Patienten im Versorgungskontext vor Ort.