Freiheit auf dem Liegedreirad

Seit einigen Jahren organisiert die Multiple Sklerose Selbsthilfegruppe „mit-MS-aktiv“ Bad Brückenau ehrenamtlich einmal im Jahr eine mehrtägige Fahrrad-Begegnungsfahrt.

Die diesjährige Fahrrad-Begegnungsfahrt führte vom 26. August bis 1. September mit 35 Personen am Starnberger See, der Loisach und der Isar entlang. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen aus dem Umkreis von Bad Brückenau, aber auch verteilt aus dem Bundesgebiet unter anderem aus Lübeck, Hamburg, Köln, Regensburg, Augsburg, München, Freiburg.
Mit motorisierten Liegedreirädern, Sesselrädern, Handbikes, Zweirad- und Dreiradtandems war die Gruppe jeden Tag rund 30 Kilometer unterwegs und dies trotz der verschiedenen individuellen Einschränkungen.
Übernachtet wurde immer gemeinsam im Haus der Begegnung der DMSG Bayern auf dem Gelände der auf Multiple Sklerose spezialisierten Marianne-Strauß-Klinik. Von hier aus startete auch die erste Etappe, die am Ostufer des Starnberger Sees entlang führte.
Ansonsten ging es jeden Morgen mit dem Reisebus zum jeweiligen Etappenstart. Auch für die Rollstuhlfahrer war dies mit der tatkräftigen Unterstützung der Gruppe möglich. Als sie dann auf ihre eigenen individuell angepassten Liegedreiräder umgestiegen waren beziehungsweise das Handbike an den Rollstuhl gekoppelt war, sind sie in der Gruppe der Liegedreiräder und Sesselräder ebenso agil unterwegs gewesen.
Einige Teilnehmer und Teilnehmerinnen brachten ihre eigenen Spezialräder mit, andere wiederum hatten noch nie auf einem Liegedreirad oder Sesselrad gesessen. Für diese Teilnehmer und Teilnehmerinnen hatten die Veranstalter auch wieder eine große Auswahl an verschiedenen Liegedreirädern und Spezialrädern dabei, die die Hersteller HP-Velotechnik, Van Raam und Anthrotech für die Tour zur Verfügung gestellt hatten. Für eine der Teilnehmerinnen wurde ein Handbike-Rollstuhl-Gespann von Speedy gestellt und für eine andere das Reise-Liegedreiradtandem der Firma Bambuk. Gefahren wurde das Tandem abwechselnd von zwei ehrenamtlichen Helfern, die sich dafür extra freigenommen haben.

Und wenn für jemanden eine Steigung dann doch nicht alleine zu bewältigen war oder an einer Stelle der tiefe Kies ein Weiterfahren der Dreiräder erschwert hatte beziehungsweise irgendeine kleine Unterstützung erforderlich wurde, half mindestens einer aus der Gemeinschaft weiter.

Es ist ein wunderbares Gefühl, sich auf dem Rad wieder frei zu fühlen, sich selbst und die Umwelt zu spüren und die vertraute Atmosphäre der Gruppe zu genießen. Durch den offenen, rücksichtsvollen Umgang stellte sich diese Vertrautheit sehr schnell ein. Bereits am zweiten Tag konnte man hören, dass es sich so anfühlen würde, als wäre man schon immer gemeinsam unterwegs gewesen. Und dies, obwohl sich viele der Teilnehmer und Teilnehmerinnen vielleicht vorher nur in einem der Vorbereitungs-Video-Treffen gesehen hatten.

Am Abend, bevor es zur ersten gemeinsamen Tagesetappe aufbrachen, bot sich die Möglichkeit, einen Vortrag des Leitenden Oberarztes Dr. Feneberg der Marianne-Strauss-Klinik zum Thema Sport und Bewegung bei Multipler Sklerose verfolgen zu können. Anschließend ließ die Gruppe den Abend auf der Terrasse des Klinik-Bistros mit Blick in die schöne Parkanlage ausklingen.

Der erste Streckenabschnitt der Begegnungsfahrt führte von der Marianne-Strauß-Klinik entlang des herrlichen Ostufers des Starberger Sees. Der Wege führten dabei häufig direkt am Wasser entlang.
Auf der zweiten Etappe wechselten die Freizeitradler dann ins Loisachtal, um die Firma Tretzeug in Eurasburg zu besuchen, die ein Allrad-Handbike entwickelt hat, mit dem einer der Konstrukteure zur Dreizinnenhütte auf 2405 Meter Höhe in den Dolomiten gefahren war, die eigentlich nur zu Fuß erreichbar ist. Schon alleine diese außergewöhnliche Fahrt mit dem Handbike ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, dass man sich mit diesem Quad auch die Natur wieder neu erschließen kann.

Die dritte Tagesetappe führte dann durch das Naturwaldreservat Pupplinger Au und weiter entlang des Isarkanals bis Mühltal. Hier erwartete die Radler der Anstieg aus dem Isartal nach Straßlach. Es galt nun 60 Höhenmeter auf einer Distanz von 2,75 Kilometer zu überwinden und dies überwiegend auf Waldwegen. Erstaunlicherweise hatten alle aus eigener Kraft und ohne Zwischenhalt die Höhe bis zum herrlichen Blick auf das Kloster Schäftlarn erklommen. Oben angekommen, galt es nun erst einmal etwas zu verschnaufen.

Viele der Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren das erste Mal mit einem Dreirad unterwegs, einige sind stark geheingeschränkt und dauerhaft auf den Rollstuhl angewiesen, andere haben Gleichgewichtsprobleme oder sind seheingeschränkt.

Bei diesem Anstieg mitten in der herrlichen Natur des Isartals hatte sich wieder einmal gezeigt, was mit entsprechenden Hilfsmitteln alles möglich sein kann.
Das Tagesziel, die Brunnenterasse des „Treffpunkts“ der Nachbarschaftshilfe in Grünwald, war nun nicht mehr weit.
Am folgenden Tag ging es auf der letzten Etappe von Grünwald zuerst am Isarsteilufer entlang zur Großhesseloher Brücke, die einen außergewöhnlich schönen Blick ins Isartal gewährt. 
Anschließend fuhr man durch den Forstenrieder Park und an der Villa Rustica vorbei. Über die Holzstege im Leutstettener Moos ging es schließlich zurück zur Marianne-Strauß-Klinik am Starnberger See.
Damit die große Gruppe mit bis zu 35 Zwei- und Dreirädern möglichst sicher unterwegs sein konnte, wurde die gesamte Tour von zwei zertifizierten TourGuides des ADFC Bad Tölz-Wolfratshausen geführt.
Die Fahrradtechnik betreute der fachliche Leiter der Fahrradgarage der Diakonie Schweinfurt und kümmerte sich unterwegs auch um die kleinen und teilweise auch etwas größeren Reparaturen der Fahrzeuge.

Nach circa 120 Kilometern in vier Tagen und trotz der individuellen Beeinträchtigungen kamen alle wieder mit den Rädern am Haus der Begegnung an, auch dank der Vielfalt der Räder mit den individuellen Ausstattungen und der fantastischen gegenseitigen Unterstützung in der Gruppe.

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