Soeben hat uns die Nachricht erreicht, dass der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle im Alter von 54 Jahren an den Folgen seiner Krebserkrankung verstorben ist. Im Herbst hatte Westerwelle sein Buch „Zwischen zwei Leben“ vorgestellt.
Im Folgenden lesen Sie die Buchrezension unseres Autors Reinhardt Rüdel, welche im aktuellen RehaTreff abgedruckt wurde.
Et kütt, wie et kütt…
Seit der Abwahl der FDP aus dem Bundestag 2013 ist der ehemalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle ganz von der Bühne der Öffentlichkeit verschwunden gewesen, denn er war an Akuter Myeloischer Leukämie (AML) erkrankt, der schlimmsten Form von „Blutkrebs“, die wir kennen. Jetzt hat er die Heilung geschafft und ein Buch über seinen Leidensweg veröffentlicht, das es sofort auf die SPIEGEL-Bestsellerliste geschafft hat. Man kann es tatsächlich nicht ohne Betroffenheit lesen. Manches ist ähnlich wie bei der den meisten RT-Lesern vertrauten Querschnittlähmung, manches ist wieder ganz anders.
„Es kommt, wie es kommt…“, dieser rheinische Spruch kennzeichnet die wichtige Grundeinstellung Westerwelles zu Fragen, die sich jeder mit einer schlimmen Krankheit Geschlagene sogleich stellt, etwa wie: „Warum gerade ich?“ Oder: „Werde ich das überstehen?“ Es ist besser, wenn man solche Grübeleien gar nicht zulässt, ist seine Antwort; das gilt wohl für jeden großen Schicksalsschlag.
Als zweiten, ganz wichtigen Punkt für den positiven Verlauf seiner Krankheit sieht Westerwelle an, dass er den „besten Arzt“ für seine Behandlung bekam, einen, der nicht nur die allerneusten Behandlungstechniken zur Verfügung hatte, sondern einen, der seine Patienten auch psychologisch richtig betreut, mit der stets wiederholten Aufforderung: „Nie aufgeben!“ Last, but not least ist für Westerwelles Gesundung auch die seelische Unterstützung durch die Angehörigen entscheidend. Sie war bei ihm vor allem durch seinen Ehemann Michael Mronz vorbildlich gegeben. Das bringt schon der erste Begriff im Untertitel dieses ergreifenden Berichtes zum Ausdruck, nämlich die Nennung der Liebe.
Beiden Arten von Krankheit, Blutkrebs und Querschnittsbeschädigung, gemeinsam ist das meist völlig unerwartete Auftreten. Wenn die schreckliche Diagnose dann klar und auch verstanden ist, geht es beim Querschnitt normalerweise langsam, aber stetig aufwärts. Dem Krebspatienten dagegen ist jetzt ein Höllenweg vorgezeichnet, auf dem wiederholte Chemotherapie, Ganzkörperbestrahlungen, das Auffinden eines geeigneten Knochenmarkspenders sowie der komplizierte Umgang mit der Immunabwehr liegen. Die Ängste, die der Patient beim Beschreiten dieses Weges bewältigen muss, sind nur mit nahezu übermenschlichen Kräften zu besiegen.
Tatsächlich muss der Krebspatient sich aktiv dafür entscheiden, seinen Körper (durch Zerstörung des eigenen Knochenmarks) bis an den Rand des Todes führen zu lassen. Was, wenn der Spender einen Rückzieher macht? Was, wenn das gespendete Knochenmark das eigene Gewebe angreift? Was, wenn fremde Keime den Körper erobern, bevor die neu entstehende Immunabwehr ihre lebenswichtige Aufgabe übernimmt? Das Expertenteam der „Knochenmarkstransplanteure“ ist gerüstet für alle diese Eventualitäten.
Aber auch heute noch kann es vorkommen, dass nach dem eingeleiteten Erlöschen des ersten Lebens das zweite Leben (im Sinne des Buchtitels) nicht beginnt oder dass es nur von sehr kurzer Dauer ist.
Reinhardt Rüdel
Guido Westerwelle
mit Dominik Wichmann
Zwischen zwei Leben
Von Liebe, Tod und Zuversicht
Hoffmann und Campe, Hamburg,
2. Aufl. 2015
ISBN 978-3-455-5090-6
Kartoniert, 20,00 Euro