Vor einer Woche hatte er mit 6,53 Metern den deutschen Rekord des Kaiserslauterners Wojtek Czyz aus dem Jahr 2008 geknackt, beim Integrativen Sportfest in Leverkusen trumpfte Heinrich Popow dann richtig auf. Erst bei 6,72 Metern landete der 32-jährige Weitspringer – und setzte damit einen neuen Weltrekord in den Sand. Zwei Zentimeter weiter als der Däne Daniel Jörgensen bei der Europameisterschaft im Juni, der Popow damals auf den Silberrang verwiesen hatte. Auf den deutschen Rekord folgte somit der Weltrekord – zwei Monate vor den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro ein echtes Ausrufezeichen des oberschenkelamputierten Sportlers des TSV Bayer 04 Leverkusen. „Ich bin unglaublich glücklich. Das gibt mir viel Vertrauen in meine eigene Leistung“, betont Popow. Nachdem er 2015 die Weltmeisterschaften verletzungsbedingt verpasst hatte und auch danach zunächst nicht recht in Tritt kam, hat er jetzt gezeigt, dass mit ihm in Rio wieder zu rechnen sein wird. „Ich hatte ein bisschen mit mir selbst zu kämpfen. Wenn es nicht so richtig läuft, dann hinterfragt man zu viel. Ich hatte den Wettkampfrhythmus durch die vielen Verletzungen verloren“, erklärt der Paralympicssieger von London 2012. Doch jetzt ist er wieder voll in der Spur. Besonders im Weitsprung, aber auch über 100 Meter. In dieser Disziplin gewann er Gold, hält noch den Weltrekord in seiner Startklasse mit 12,11 Sekunden. Bei der EM vor einem Monat sprang allerdings nur Platz fünf heraus mit 12,77 Sekunden. In Leverkusen gelang ihm über seine Paradestrecke eine Verbesserung auf 12,65 Sekunden. „Das war ein Schritt nach vorne. 60 Meter hat es sich richtig gut angefühlt, danach bin ich etwas verkrampft. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe“, sagt Popow.
Doch die Konkurrenz ist stark. Der Brite Richard Whitehead hätte den Weltrekord des Leverkuseners mit 12,06 Sekunden fast weggeschnappt, allerdings wurde dieser wegen zu starken Rückenwinds nicht anerkannt. Dafür stellte Whiteheard über 200 Meter eine neue weltweite Bestmarke in der Klasse der Oberschenkelamputierten auf. „Es wird bei den Paralympics extrem spannend, das Leistungsniveau ist sehr hoch, sowohl im Weitsprung als auch über 100 Meter“, sagt Popow und schiebt hinterher: „Ich möchte in beiden Disziplinen so erfolgreich wie möglich sein.“ Er habe alles andere ausgeblendet und nur noch Rio im Kopf. „Trainieren und regenerieren – nur das zählt. Und dann bei den Paralympics alles raushauen.“ Das Vertrauen in die eigene Leistung, es ist bei Heinrich Popow eindeutig wieder da.
Doch auch weitere deutsche Athletinnen und Athleten sorgten beim Integrativen Sportfest in Leverkusen für Aufsehen. Kugelstoßerin Birgit Kober verbesserte ihren eigenen Weltrekord von der EM 2016 auf 11,52 Meter. „Das war ein super Wettkampf. So kann es in Rio gerne weitergehen“, freute sich die Münchenerin, die am Sonntag ihren 45. Geburtstag feierte. Ebenfalls einen Weltrekord bejubeln durfte Hochspringer Timor Huseni mit 1,73 Metern. Allerdings zählt Hochsprung in seiner Startklasse – der 21-Jährige hat eine Dysmelie an beiden Armen – nicht zum Programm der Paralympics in Rio. Eine starke Leistung war es dennoch, schließlich knackte Huseni den Rekord von Matthias Berg aus dem Jahr 1984 bei den Spielen in New York.
Entsprechend zufrieden zeigte sich Jörg Frischmann, ehemaliger Paralympicssieger und Geschäftsführer der Abteilung Behindertensport bei Bayer Leverkusen, mit dem Integrativen Sportfest: „Das war beste Werbung für unsere Philosophie der gemeinsamen Wettkämpfe. Erstmals waren auch Gehörlose unter den rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Weltrekorde, eine Olympia-Norm sowie zahlreiche weitere Bestleistungen sprechen für die tollen Bedingungen. Wenn dann auch noch drei Weltrekorde von eigenen Athleten erzielt werden, kann man als Veranstalter nur zufrieden sein.“
Hintergründe zu den Sportlerinnen und Sportlern unserer Deutschen Paralympischen Mannschaft finden Sie auf www.deutsche-paralympische-mannschaft.de.