„Weltweit sind mehrere Millionen Menschen mit Behinderung auf der Flucht. Diese Menschen dürfen nicht vergessen werden. Für sie müssen ausreichend Hilfsmittel und eine bedürfnisgerechte Versorgung bereitgestellt werden“, appelliert Katja Horninger, Pressesprecherin der österreichischen Hilfsorganisation LICHT FÜR DIE WELT bei der gestrigen Diskussionsrunde „Im Rollstuhl nach Europa“.
Im Presseclub Concordia diskutierten Experten, politische Vertreter und Betroffene die Frage, ob Flüchtlinge mit Behinderungen in den aktuellen Versorgungs- und Betreuungsprogrammen in Österreich ausreichend berücksichtigt werden. „Flüchtlinge mit Behinderungen werden in humanitären Krisen oft übersehen. Insgesamt richtet sich nur ein Prozent der internationalen humanitären Hilfe spezifisch an behinderte und ältere Menschen. Als österreichische Fachorganisation, die sich für Menschen mit Behinderungen in Armutsgebieten einsetzt, möchten wir auf diese Situation aufmerksam machen“, so Katja Horninger.
Österreich: Derzeit keine offiziellen Daten über Flüchtlinge mit Behinderungen
Momentan gibt es in Österreich keine offiziellen Daten über Flüchtlinge mit Behinderungen. Da solche derzeit nicht registriert werden, scheinen sie in Statistiken nicht auf und bleiben als Konsequenz von Hilfe oftmals abgeschnitten. Dabei ist die Flucht für Menschen mit Behinderungen um ein Vielfaches beschwerlicher. Auf der Suche nach medizinischer Versorgung können Behinderungen, Kriegsverletzungen oder chronische Erkrankungen oft Motivator sein und zur Flucht-Entscheidung beitragen.
30 Prozent syrischer Flüchtlinge haben besondere Bedürfnisse
Nach einer Studie von Handicap International und HelpAge aus dem Jahr 2014 haben 30 Prozent der syrischen Flüchtlinge besondere Bedürfnisse aufgrund von Behinderung, Verletzung oder chronischer Krankheit. Gleichzeitig ist in der EU-Asylaufnahmerichtlinie festgehalten, dass Menschen mit Behinderung auf der Flucht angemessene Wohnräume, eine barrierefreie Versorgung sowie entsprechende medizinische Hilfe gewährleistet werden müssen.
Zudem hat sich auch Österreich mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um in humanitären Notlagen den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Als Fachorganisation, die sich für Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern einsetzt, spricht LICHT FÜR DIE WELT daher Handlungsempfehlungen für die Versorgung von Menschen mit Behinderungen auf der Flucht aus:
Identifizierung: Menschen mit Behinderungen sind keine homogene Gruppe. Um maßgeschneiderte Lösungen – je nach Kontext – zu finden, braucht es daher allen voran verlässliche Daten.
Bewusstseinsbildung: Die Sensibilisierung, Schulung und Vernetzung von Personal staatlicher und nicht-staatlicher Akteure im Umgang mit Flüchtlingen mit Behinderungen ist notwendig.
Barrierefreiheit: Die Barrierefreiheit von Registrierungs- und Aufnahmezentren sowie permanenten Unterkünften muss gewährleistet werden. Auch in Österreich fehlen Aufzüge, barrierefreie Räume und Toiletten in Erstaufnahmezentren und permanenten Unterkünften.
Versorgung und Betreuung: Versorgungs- und Betreuungsprogramme im Bereich Bildung müssen von Anfang an die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen mitdenken.
Finanzielle Mittel: Ausreichende Budgetmittel für die Inklusion von Flüchtlingen mit Behinderung müssen zur Verfügung gestellt werden. In diesem Zusammenhang müssen Österreich und die anderen EU-Staaten ihre Entwicklungshilfe und die Unterstützung für Länder wie den Libanon und Jordanien erhöhen. Denn die aktuelle Situation macht einmal mehr die enge Verknüpfung von humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit deutlich.
(pm)