Die Deutsche Jugendfeuerwehr (DJF) ist mit mehr als 240.000 jugendlichen Mitgliedern einer der großen Jugendverbände Deutschlands. Das „typische“ Jugendfeuerwehrmitglied: männlich, deutsch und körperlich unversehrt. Als Rollifahrer bei der Feuerwehr? Warum eigentlich nicht?, dachte sich die DJF. Ihr Ziel: Eine bewusste Ansprache und Integration aller Jugendlichen.
„Die Feuerwehr möchte ein Spiegel der Gesellschaft sein, und in einer solchen offenen und demokratischen Gesellschaft gehören Menschen mit Behinderung ganz selbstverständlich dazu“, erklärt Uwe Danker, Bildungsreferent der Deutschen Jugendfeuerwehr. Er kümmert sich hauptamtlich um das Thema Inklusion, das in der DJF bereits seit 2007 mit der Kampagne „Unsere Welt ist bunt“ groß geschrieben wird. Das Projekt setzte seine Schwerpunkte zunächst auf die Integration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, sowie die stärkere Einbindung von Mädchen bei der Feuerwehr, richtete sein Augenmerk aber schnell auch darauf, wie Jugendliche mit Behinderung bei der Feuerwehr stärker einbezogen werden können. Außerdem hat die Deutsche Jugendfeuerwehr mit Unterstützung der Aktion Mensch ein zweijähriges Bundesprojekt ins Leben gerufen, das das Thema Inklusion durch Aufklärungsarbeit und den Aufbau eines umfassenden Netzwerkes mit anderen Institutionen anpackt. „Sowohl Jugendliche mit als auch ohne Behinderung können voneinander lernen und gemeinsam Spaß haben. Es ist uns wichtig, jeden Menschen mit seinen Stärken und Schwächen zu akzeptieren – ganz gleich, ob jemand behindert ist oder nicht“, erläutert Uwe Danker. Das Wichtigste dabei sei eine positive Grundeinstellung. „Statt zu denken: Der kann das sowieso nicht, sollten sich die Jugendwarte immer fragen: Was gibt es für Aufgaben und welche Stärken und Interessen hat der Jugendliche“, sagt der Bildungsreferent. Denn Feuerwehrarbeit bedeutet nicht ausschließlich Einsätze zu fahren und Löscharbeiten zu leisten, sondern eben auch Schläuche auszurollen, einen Notruf entgegenzunehmen, und an allgemeiner Jugendarbeit, wie Spielen, Gruppenabenden oder Ausflügen teilzunehmen. „Viele haben das Bild vom Feuerwehrhelden im Kopf, also einem Feuerwehrmann, der alles kann. Dabei ist es viel wichtiger, gute Teamarbeit zu leisten und das Können der Einzelnen in unterschiedlichen Arbeitsbereichen einzusetzen“, betont Danker.
Den Schalter im Kopf umlegen
Seit Ende März ist das Kooperationsprojekt zwischen DJF und Aktion Mensch nun bereits ausgelaufen. Und obwohl die Teilhabe von Jugendlichen mit Behinderung an der Feuerwehr vorangetrieben wurde, gibt es noch einiges zu tun. Noch immer gibt es bei Jugendwarten und Feuerwehren erst einmal einige Bedenken, wenn es um die Aufnahme eines Mitglieds mit Behinderung geht. Wie sieht der Versicherungsschutz aus? Wie verhalte ich mich bei einem Anfall? Was ist, wenn etwas passiert? „Da gilt es, gemeinsam Verhaltensweisen zu entwickeln und sich schlau zu machen. Immerhin stehen wir ja nicht alleine da. Wir können uns Hilfe von außen suchen, mit den Jugendlichen mit Behinderung selbst sprechen, ihre Eltern ansprechen oder Verbände und Selbsthilfeorganisationen um Rat und Tat fragen“, zählt Danker auf. Manche Jugendfeuerwehren hätten auch Angst, mit der Betreuung überfordert zu sein oder hätten anfänglich Berührungsängste, weil sie im ersten Moment einfach nicht wüssten, wie sie mit der Behinderung umgehen sollen. „Da hilft eigentlich nur eines. Den Schalter im Kopf umlegen und sich sagen: Wir probieren das einfach mal aus!“, sagt er.
Wer nicht mal auf eine Leiter steigen kann, hat bei der Feuerwehr nichts verloren?
Mit der Devise „Probieren geht über Studieren“ ist auch Thomas Burghart in die Feuerwehr gekommen und nun schon seit 2001 Mitglied bei der Freiwilligen Feuerwehr Jettingen. Der 31-Jährige leidet an Muskeldystrophie vom Typ Batten-Turner und sitzt daher im Rollstuhl. Ein Leben ohne die Feuerwehr kann er sich nicht mehr vorstellen. „Ich denke, jeder Junge hat den Traum, Feuerwehrmann zu werden“, glaubt er. „Die Feuerwehr bedeutet für mich Zusammenhalt, Hilfsbereitschaft, jedem zu helfen, der in Not ist. Ich bin einfach stolz, mich hier behaupten zu können“, erzählt er. Am aktiven Wehrdienst kann Thomas zwar nicht teilnehmen, dafür aber in der Einsatzleitung den Funk besetzen oder die Dokumentation führen, die Internetseite der Freiwilligen Feuerwehr Jettingen und des Kreisfeuerwehrverbands Günzburg e.V. betreuen und natürlich Öffentlichkeitsarbeit leisten. „In ein brennendes Haus kann ich natürlich nicht rollen, das würde der Rollstuhl nicht überleben“, scherzt er. Doch dann wird der 31-Jährige ernst: Obwohl er sich seiner Einschränkungen in der Feuerwehrarbeit klar bewusst ist, gibt es einige Grenzen, mit denen er sich nicht so einfach abfinden möchte. „Es gibt z.B. sehr wenige barrierefreie Gerätehäuser“, bedauert er. Problematisch findet er aber besonders „die schwammige Aussage im Feuerwehrgesetz, dass man für den Einsatzdienst körperlich und geistig geeignet sein muss“. Besonders, als Thomas im Feuerwehrforum erfahren möchte, wie andere Kameraden zu dem Thema „Behinderte im Einsatzdienst“ stehen, sieht sich der passionierte Feuerwehrmann mit vielen Vorurteilen konfrontiert:Wer nicht mal auf eine Leiter steigen könne, habe bei der Feuerwehr nichts verloren, hieß es dort. Und: Thomas sei verantwortungslos, weil er seine Kameraden gefährde. „Für viele ist die Feuerwehr ein Eliteverein, in der körperlich Benachteilige nichts verloren haben. Für mich ist ein übergewichtiger Mensch oder ein Brillenträger aber auch schon körperlich benachteiligt. Deshalb ignoriere ich solche Aussagen einfach. Ich unterscheide die Menschen auch nicht zwischen behindert und nicht behindert, sondern zwischen behindert und noch nicht behindert. Nur eine Sekunde kann einen Fußgänger in den Rollstuhl bringen. Sollten die Feuerwehr-Kameraden einen dann ausschließen, nur weil die Beine nicht mehr richtig funktionieren?“, fragt er.
„Unser Anliegen, Vielfalt als Chance zu sehen, ist leider noch nicht überall angekommen“, gibt auch Bildungsreferent Uwe Danker zu. „Diesen Widerstand gilt es zu überwinden, denn wenn man nur will, findet man immer einen Weg.“
Für Thomas Burghart steht jedenfalls fest, dass die Feuerwehr etwas für alle ist, egal ob behindert oder nicht behindert. Deswegen hat er sich entschlossen, mit seiner Website www.handicap-firefighters.com Aufklärungsarbeit zu leisten. „Es würde mir das Herz zerreißen, wenn ich nichts mehr für die Feuerwehr tun könnte, wenn die Gänsehaut nicht mehr käme, wenn ein Löschzug mit Sondersignal an mir vorbei fährt.“
Verena Zimmermann