#InklusiveBildungJetzt!

Offener Brief an den Arbeitsminister der Bundesrepublik Deutschland im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Hubertus Heil und die Bildungsministerin der Bundesrepublik Deutschland im Bundesministerium für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger.

Zum offenen Brief „#InklusiveBildungJetzt!“, den ein Bündnis aus Eltern und Verbänden heute der Bundesbildungsministerin und dem Bundesarbeitsminister übergeben hat, erklärt Corinna Rüffer, behindertenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Alle Kinder haben ein individuelles Recht auf inklusive Beschulung (Art. 24 UN-BRK). Der Bund darf nicht länger zulassen, dass Kinder auch 14 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention darunter leiden müssen, dass die Bundesländer nicht willens und in der Lage sind, dieses Recht umzusetzen.

Viele Familien haben das staatliche Versagen im Bereich der inklusiven Bildung satt. Das haben sie kürzlich in Genf bei der Staatenprüfung Deutschlands vor dem der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.

Bereits der Parallelbericht zur Staatenprüfung des Deutsche Instituts für Menschenrechte hat deutlich kritisiert, dass die nötige Transformation hin zu einem inklusiven Bildungssystem bislang praktisch nicht stattgefunden hat. Der UN-Fachausschuss hat das in seinen „Abschließenden Bemerkungen“ vollumfänglich bestätigt und insbesondere das deutsche Förderschulsystem kritisiert. Zurecht: Förderschulen bedeuten soziale Exklusion und rauben Kindern systematisch ihre Zukunft. Ein großer Teil der dort Lernenden sind Kinder aus Familien mit geringem Einkommen. Etwa 50 Prozent aller Jugendlichen, die ohne Schulabschluss dastehen, kommen von Förderschulen. Sie haben kaum Chancen auf einen Ausbildungsplatz oder anständig bezahlte Arbeit.

Der Bund steht in der Verantwortung, aus dem Ergebnis der Staatenprüfung jetzt die notwendigen Konsequenzen zu ziehen und ein inklusives Bildungssystem endlich voranzutreiben. Nötig sind ein konkreter Zeitrahmen, ausreichend Personal und Geld sowie eine entsprechende Überwachung, um den Übergang vom Sonderschulmodell zur inklusiven Bildung systematisch voranzutreiben.

Es ist wichtig, dass die Zivilgesellschaft das mit Nachdruck einfordert. Die Forderungen des offenen Briefs unterstütze ich deshalb vollumfänglich.

Hier lesen Sie den Offenen Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Minister Heil, sehr geehrte Frau Ministerin Stark-Watzinger,

seit einigen Wochen liegen die Ergebnisse der Staatenprüfung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland vor – ein Ergebnis, in dem der UN-Fachausschuss Deutschland vor allem im Bereich Inklusive Bildung ein sehr schlechtes Zeugnis ausstellt. Es gab Rügen und Empfehlungen, die sich auch im Bereich der inklusiven Bildung nicht nur an die Länder richten, sondern an Deutschland als Ganzes, also an den Bund, also an Sie!

Gemeinsam mit Vertretern aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Bildungspraxis haben wir uns zusammengeschlossen und fordern Sie auf, die Empfehlungen des UN-Fachausschusses anzuwenden:

1. Umfassende Aktionspläne für inklusive Bildung

Wir fordern Sie auf, darauf zu dringen, dass die Bundesländer umfassende Aktionspläne für den Aufbau des inklusiven Bildungssystems entwickeln. Diese Aktionspläne müssen klare Ziele, verbindliche Zeitpläne und angemessene Ressourcenzuweisungen enthalten und ihre Umsetzung im Sinne der Konvention ist laufend zu evaluieren (vgl. die abschließenden Bemerkungen des UN-Fachausschusses).

2. Einheitliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich

Wir fordern Sie auf, den Rahmen für eine einheitliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Bildungsbereich zu schaffen und damit gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland sicherzustellen. Alle jungen Menschen mit Behinderungen müssen – unabhängig von ihrem Wohnort – ihr Recht auf inklusive Bildung unter angemessenen Bedingungen wahrnehmen können.

3. Die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention offensiv vertreten

Wir fordern Sie auf, auf jeder Ebene von Politik und Verwaltung deutlich zu machen, dass die Schaffung inklusiver Strukturen von höchster Bedeutung ist. Der UN-Fachausschuss kritisiert, dass Fehlvorstellungen und negative Wahrnehmungen zur inklusiven Bildung auch in staatlichen Stellen von Bund, Ländern und Kommunen verbreitet sind. Es obliegt Ihrer Verantwortung, diesen Vorurteilen entgegenzutreten und sicherzustellen, dass der Aufbau eines inklusiven Bildungssystems uneingeschränkt unterstützt und gefördert wird.

4. Bundesweite Aufklärungskampagne

Wir fordern Sie auf, eine umfassende bundesweite Aufklärungskampagne gemäß Artikel 8 der UN-Behindertenrechtskonvention zu starten. Inklusion ist ein Menschenrecht, und das Ziel ist ein inklusives Schulsystem. Allen öffentlichen Stellen muss deutlich werden, dass sie zur aktiven Verwirklichung dieser Vereinbarung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet sind. Die Öffentlichkeit ist über die Ziele und den menschenrechtlichen Gehalt der UN-Behindertenrechtskonvention und der inklusiven Bildung zu informieren.

Das ist Pflicht, keine Kür.

Stellen Sie sich Ihrer Verantwortung und sorgen Sie dafür, dass die UN-Behindertenrechtskonvention in ganz Deutschland umfassend umgesetzt wird und alle jungen Menschen mit Behinderung überall im Land ihr Recht auf inklusive Bildung in einem inklusiven Schulsystem wahrnehmen können!

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