Die Baden-Württembergische Landesregierung hat den Gesetzentwurf des Sozialministeriums zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Landesbehindertengleichstellungsgesetz, L-BGG) zur Anhörung freigegeben. Nach den Worten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Sozialministerin Katrin Altpeter wird mit dieser grundlegenden Neufassung des Gesetzes der Paradigmenwechsel vollzogen, wie er im Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) festgeschrieben ist. Das neue Gesetz orientiere sich durchgängig am Prinzip der Inklusion und nicht mehr wie bisher am Prinzip der Fürsorge, so Ministerpräsident Kretschmann und Sozialministerin Katrin Altpeter. „Unser Ziel ist, dass Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam in allen Lebensbereichen selbstbestimmt leben und zusammen leben. Es geht uns um die gleichberechtigte Teilhabe und die Beseitigung von Diskriminierung.“
Ministerpräsident Kretschmann betonte, dass das neue Landesbehindertengleichstellungsgesetz – anders als bisher – auch für die Kommunen gelte. „Viele Behördenkontakte von Menschen mit Behinderungen erfolgen auf kommunaler Ebene. Deshalb sind Barrierefreiheit und Gleichbehandlung hier von herausragender Bedeutung“, so Kretschmann.
Altpeter zufolge ist das neue Gesetz „ein großer Schritt hin zu gleichberechtigter Teilhabe, besserer Barrierefreiheit und zu einer effektiven Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen“ im Land und in den Kommunen.
Auch Sozialministerin Altpeter ist davon überzeugt, dass im kommunalen Umfeld die Weichen gestellt werden für das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderungen. Die im Gesetz vorgesehene Schaffung von kommunalen Behindertenbeauftragten solle deshalb die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Land voranbringen. Im Gesetz würden erstmals ihre Anhörungs-, Stellungnahme- und Auskunftsrechte verankert.
Die 44 Stadt- und Landkreise würden gesetzlich verpflichtet, Behindertenbeauftragte zu bestellen. Sie sollen die Behörden beraten und zugleich auch als Ombuds- und Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen und deren Angehörige dienen. Dabei wird es den Kommunen frei gestellt, ob sie die Aufgabe ehren- oder hauptamtlich wahrnehmen. Nach dem in der Landesverfassung verankerten Konnexitätsprinzip werden die Kosten hierfür in Höhe von etwa 2,8 Millionen Euro nach Angaben von Ministerin Altpeter vom Land getragen. Die Finanzierung der Behindertenbeauftragen in den Stadt- und Landkreisen erfolgt dabei in zwei Säulen. Zunächst erhält jeder Stadt- und Landkreis eine pauschale Kostenerstattung auf Basis des Bedarfs bei einer ehrenamtlichen Ausübung des Amtes in Höhe von 3000 Euro. Im Falle der hauptamtlichen Wahrnehmung kann auf Antrag eine zusätzliche Förderung von 3000 Euro durch das Sozialministerium erfolgen. „Ich bin überzeugt, dass die Kommunen selbst am besten entscheiden können, wie sie diese wichtige und zwingende Aufgabe am besten erfüllen und die vom Land zur Verfügung gestellten Mittel am besten im Interesse der Menschen mit Behinderten einsetzen“, so Kretschmann. Die Landesregierung wünscht sich, dass auch in allen übrigen Gemeinden Behindertenbeauftragte bestellt werden, so Altpeter. Das Gesetz stellt ihnen dies jedoch frei.
Stärkung der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderungen
Nach den Angaben von Ministerin Altpeter werden Bestellung, Aufgaben und Befugnisse der/des Landes-Behindertenbeauftragten erstmals gesetzlich geregelt. Die Landesregierung ist verpflichtet, im Benehmen mit dem Landes-Behindertenbeirat eine Beauftragte bzw. einen Beauftragten für die Dauer einer Wahlperiode des Landtags zu bestellen. Er bzw. sie wirke laut Gesetz darauf hin, dass überall gleichwertige Lebensbedingungen für Menschen mit und ohne Behinderungen geschaffen werden und übe das Amt unabhängig, weisungsungebunden und ressortübergreifend aus, so Altpeter.
Auch die Zusammensetzung, sowie Aufgaben und Befugnisse des Landes-Behindertenbeirats werden nach den Worten von Ministerin Altpeter erstmals gesetzlich geregelt. Er setze sich aus 25 Mitgliedern zusammen und müsse frühzeitig bei Gesetzen und Verordnungen beteiligt werden, die spezifische Belange von Menschen mit Behinderungen berührten.
Bessere Durchsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen
Die Möglichkeit der Verbandsklage wird laut Ministerin Altpeter auf Klagen gegen Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot und die Barrierefreiheit bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand, im öffentlichen Personenverkehr, bei der Gestaltung des Schriftverkehrs sowie bei der Gestaltung medialer Angebote erweitert. Bislang war die Verbandsklage nur zur Feststellung eines Verstoßes gegen das Recht auf Kommunikation in Gebärdensprache oder mit anderen Kommunikationshilfen zulässig.
Durch die Einführung einer Beweislastumkehr könnten Menschen mit Behinderungen zudem nun ihre Rechte einfacher durchsetzen, so Altpeter. Danach reicht es künftig aus, Tatsachen, die eine Benachteiligung vermuten lassen, zu beweisen. Dann müsse die Behörde nachweisen, dass sie das Benachteiligungsverbot nicht verletzt hat.
Verbesserung der Barrierefreiheit
Behörden sollen Menschen mit Sehbehinderungen künftig Schriftstücke auf Verlangen in geeigneter Form zur Kenntnis geben, unterstreicht Ministerin Altpeter. Die Regelungen des Landesbehindertengleichstellungsgesetzes zur barrierefreien Kommunikation, etwa zur Verwendung von Gebärdensprache, und zur barrierefreien Gestaltung medialer Angebote gälten auch für kommunale Behörden.
(Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Senioren Baden-Württemberg )