Mit dem Rollstuhl in den Nationalpark

Natur ist da, wo keine Straßen sind. Die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland zeigt, dass Menschen, die auf Rollstuhl oder Gehhilfe angewiesen sind, trotzdem nicht auf Streifzüge durch Natur- und Nationalparks verzichten müssen. Auch an Menschen mit Sinneseinschränkungen wird gedacht.

Die Sächsische Schweiz mit dem Rollstuhl entdecken. Foto: Sylvio Dittrich
Die Sächsische Schweiz mit dem Rollstuhl entdecken. Foto: Sylvio Dittrich

Deutschlands Natur- und Nationalparks bieten beglückende Auszeiten. Ihre Unwegsamkeit hat diese Landschaften und ihre einzigartigen Biotope einst vor der Zerstörung bewahrt. Sie sind uns als spannende und idyllische Wanderregionen erhalten geblieben. Oft zeigen sie sich jedoch gerade dort am eindrucksvollsten, wo Wege schmal und holprig sind. Für Naturliebhaber mit Mobilitätseinschränkungen ist das ein Problem. Immer mehr Urlaubsregionen arbeiten daran, einen Teil ihrer Naturlandschaften auch für Menschen zugänglich zu machen, die nicht oder nicht gut laufen, sehen oder hören können.

Felsenwelt im Elbsandsteingebirge

Der Nationalpark Sächsische Schweiz im Elbsandsteingebirge ist ein Wunder der Natur. Was vor 150 Millionen Jahren noch Meeresgrund war, formten Tektonik und Erosion zu einem facettenreichen Wanderparadies mit mächtigen Tafelbergen, schroffen Felsen, romantischen Tälern und moosgrünen Klammen. Teile der skurrilen Felsenwelt sind auch mit Rollstuhl oder Hand-Bike zugänglich. In einigen märchenhaften Gründen und Tälern gibt es gut ausgebaute Wege mit wenig Steigungen. Auch die berühmtesten Aussichten über das Felsenreich – die Bastei und die Festung Königstein – sind im Rollstuhl problemlos zu erreichen. Selbst die Gipfel der Sandsteinnadeln sind nicht mehr nur Menschen ohne Einschränkungen vorbehalten. In speziellen Kletterkursen können sich auch Menschen mit Hörbeeinträchtigung oder Lernschwierigkeiten am Fels erproben.

Wilde Wälder im Nationalpark Eifel

Weite sattgrüne Hochflächen, steile Flusstäler, schattige Schluchtwälder und sonnige Narzissenwiesen prägen das Bild des Nationalparks Eifel. Zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten finden hier einen geschützten Rückzugsort. Eine besondere Attraktion ist der Natur-Erlebnisraum Wilder Kermeter auf dem gleichnamigen Bergrücken. Das etwa fünf Kilometer lange Wegenetz weist nur geringe Steigungen auf. Rast- und Ruhepunkte folgen in kurzen Abständen. Sehbeeinträchtigte finden sich mittels eines gepflasterten Leitsystems zurecht. Taktile Infotafeln sowie ein ertastbares Landschaftsmodell geben dabei Orientierung. Und Menschen mit Hörschädigung erhalten auf Wandertouren mit dem Nationalparkranger Übersetzungen in Gebärdensprache oder mobile Hörverstärker. Je nach Entdeckerlust kann der Wilde Kermeter noch um den Naturerkundungspfad Wilder Weg erweitert werden. Interaktive Erlebnisstationen informieren hier zu Wildnis, Waldentwicklung, Flora und Fauna.

Greifbares Watt in Ostfriesland

Ebbe und Flut bestimmen die Landschaft im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer in Ostfriesland. Das UNESCO-Weltnaturerbe besteht zu etwa 55 Prozent aus Wasser und zu 40 Prozent aus Watt. Der Rest sind Festland und Inseln. Eine Expedition durch die Wattwüste ist ein Abenteuer. Dabei lassen sich viele Tiere und Pflanzen entdecken, die sich an die täglich wechselnden Bedingungen erstaunlich gut angepasst haben. Auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität können daran teilhaben: Viele Orte halten Wattmobile bereit. Deren extrabreite Reifen verhindern das Einsinken in den weichen Schlickboden. Und da sich die Sitzfläche knapp über der Erde befindet, kommt das Watt zum Greifen nah. Eine der Verleihstationen gibt es auf Borkum. Auf den Sandbänken rund um die Nordseeinsel leben etwa 1 200 Seehunde und Kegelrobben. Sie bieten auf geführten Wanderungen mit dem Wattmobil ein faszinierendes Naturschauspiel.

Geheimnisvolles Moor im Ruppiner Seenland

Moore reizen mit ihrer eigenwilligen Fauna und der Unberechenbarkeit des Untergrunds seit jeher die Fantasie der Menschen. In Mitteleuropa sind diese Biotope rar geworden. Im Ruppiner Seenland gibt es jedoch noch einige dieser Relikte der Eiszeit. Im Schutz des Naturparks Stechlin-Ruppiner Land bieten 549 Hektar Moor Lebensraum für bedrohte Pflanzen- und Tierarten. Ein Erlebnispfad macht das sensible Ökosystem zugänglich. An fünf Stationen lernen Besucher das Moor und seine Bedeutung als hochwirksamer Wasserspeicher kennen. Die vierte Station am Großen Barschsee ist vom Naturparkhaus Stechlin in Menz barrierefrei über einen etwa fünf Kilometer langen Weg erreichbar. Ein Holzsteg an der Station ragt weit über das Moor hinaus und bietet ein intensives Naturerleben. Beobachten lässt sich dabei der Werdegang vom See zum Kesselmoor. Ein Bohrkernmodell gibt Einblick in den 12 000 Jahre alten Moorboden und an einer Stelle sieht man, wie sich ein neues junges Kleinmoor bildet.

Weitere Tipps zu barrierefreien Naturerlebnissen in Deutschland bietet die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreie Reiseziele in Deutschland auf ihrer Website www.barrierefreie-reiseziele.de

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