Model im Rollstuhl – das bedeutet in erster Linie Spaß

Die Thüringerin Carolin Fischer ist als Rollstuhl-Model viel unterwegs in ganz Deutschland. Nach dem großen Medienrummel um ihre Person versucht sie sich jetzt als Drehbuchautorin.

Vor einem Jahr ist sie umgezogen, in eine eigene Wohnung mitten in Mühlhausen, einer Kleinstadt im Thüringischen. Vorher lebte sie mit ihrer Mutter in ihrem Heimatort Schlotheim. In ihrer neuen Wohnung, zu der eine Rampe führt, hat sie einen großzügigen Wohnraum mit integrierter Küche, unterfahrbarem Küchentisch, ein großes Bad, alles rollstuhlgerecht. „Die Wohnung ermöglicht mir etwas mehr Selbstständigkeit“, erzählt Carolin Fischer. Der Vermieter hat extra für sie alles behindertengerecht umgebaut, 4.000 Euro zahlte die Krankenkasse dazu.

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Foto: Heidrun Böger

Mit 13 schwang sich Carolin in einem Waldstück an einem Seil, das an einer Tanne hing. Sie rutschte ab und fiel sieben Meter tief. Die ersten Monate nach dem Unfall konnte sie sich überhaupt nicht bewegen, sie lag ein Jahr in der Klinik. Carolin ist inkomplette Tetraplegikerin, ab dem fünften, sechsten Wirbel gelähmt. Anfangs konnte sie nicht mal einen Stift halten. Heute kommt sie mit links besser zurecht als mit rechts. Deshalb hat sie sich, ursprünglich Rechtshänderin, weitgehend auf links umgestellt. Den Haushalt macht sie fast allein. Sie braucht wenig Hilfe.

Carolin ist jetzt 27 Jahre alt. Über den Unfall spricht sie sachlich und sagt: „Das Leben ist kurz. Ich will alles mitnehmen, was geht!“ Carolin Fischer war schon viel in den Medien: Zeitungen, Zeitschriften. ZDF und RTL waren auch da.

Eine Liebeskomödie

Jetzt hat sie ein Drehbuch geschrieben, eine Rollstuhl-Liebeskomödie. Was Tragisches wäre nicht ihr Ding. In nächster Zeit will sie das Drehbuch an diverse Sender schicken.

Von Beruf ist die 27-Jährige Bürokauffrau. Nach dem Unfall wechselte sie vom Gymnasium auf eine Schule für Körperbehinderte: „Ich hatte eine schöne Schulzeit. Wir waren eine richtig gute Clique auf der Schule.“ Danach absolvierte sie die Lehre zur Bürokauffrau und machte ihren Führerschein. Abitur war für sie nach dem Unfall nicht mehr drin, aber sie hätte ohnehin nicht studieren wollen.

Eigentlich lieg die Büroarbeit ihr gar nicht, meint Carolin, insofern war der Beruf der Bürokauffrau nicht ihre erste Wahl. Lieber wäre sie Polizistin geworden. Irgendetwas, wo sie viel draußen ist. Als Kind hat sie viel Sport getrieben, aktiv Handball gespielt.

Heute arbeitet sie halbtags in ihrem Beruf im Mühlhausener Hufeland Klinikum in der Abteilung Controlling und Leistungsabrechnung. Das ist praktisch. Sie fährt mit dem Auto zur Arbeit, im Krankenhaus ist alles behindertengerecht. Aufzüge, Toiletten usw.

Vorbild für andere

Die Tatsache, dass sie halbtags arbeitet, lässt ihr Zeit für ihre Hobbys. Sie fährt bundesweit zu Shootings und Model-Wettbewerben, aber auch zu Konzerten und Shows, von Helene Fischer und Mario Barth zum Beispiel. Sind im nahen Erfurt die Plätze für Rollifahrer belegt, fährt sie mit ihrer Freundin eben nach Kassel. Auch nicht schlimm. Die junge Frau will sich nicht verstecken, nur weil sie im Rollstuhl sitzt, sie möchte Vorbild sein für andere. Die 27-Jährige sagt das sachlich ohne Koketterie. Vielleicht hat sie es einfacher mit ihrem guten Aussehen, kann sein. Nach Jahren mit einem Freund und dem Ende der Beziehung trifft sie sich seit einem Jahr wieder mit jemandem, sie genießt das Leben. Sie hat eine große Schwester und ist stolze Tante zweier Nichten. Die Familie lebt im nahen Schlotheim, Carolins Heimatort.

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© Carolin Fischer

Einmal pro Woche fährt Carolin zum Tischtennis. Gegen Fußgänger hat sie keine Chance, aber trotzdem viel Spaß. „Manchmal setzen die sich auch in einen Rollstuhl. Und dann gewinne ich immer!“ Und am Sommer liebt Carolin das Baden. Sie hat Freunde, die ihr helfen: „Allein könnte ich nicht ins Schwimmbad.“ Aber ist sie einmal im Wasser, geht alles leicht. Sie hält sich mit einer Schwimmnudel über Wasser und paddelt drauf los. Angst hat sie nicht, was soll schon passieren?

„Die Schwimmnudel nehme ich auch in den Urlaub mit.“ Letztes Jahr war sie in Ägypten mit einer Freundin. Natürlich muss sie vorher alles genau planen und anmelden, spontan geht da nichts, aber letztendlich ist Reisen für sie kein Problem. Sie rollt als Erste ins Flugzeug rein und als letzte raus: „So werde ich auch nicht angeglotzt.“ In den Urlaubsländern selbst seien viele hilfsbereit, sie habe keine Probleme.

Nur nicht schüchtern

Weil sie so voller Tatendrang und Ideen ist, meldete sie sich vor Jahren zum Model-Wettbewerb „Beauties in Motion“ für Frauen im Rollstuhl in Hannover an. Ein bisschen posieren, tanzen, Fragen beantworten. Sie belegte den 3. Platz und war mehr als zufrieden. Dann war einige Jahre Ruhe. Als sie jünger war, saß sie ja nicht nur im Rollstuhl, sondern sie war auch schüchtern wie viele Mädchen in dem Alter.

Doch inzwischen ist die 1,75 große junge Frau wieder häufiger als Model unterwegs, hat gerade einen eigenen Kalender rausgebracht in einer Auflage von 100 Stück: Carolin mit Rolli in der Waschanlage, als Automechanikerin, als Boxerin – und an den Rollstuhl gefesselt: „Das schreiben doch die Journalisten manchmal – sie ist an den Rollstuhl gefesselt.“ Sie amüsiert sich köstlich. Den Kalender hat sie mit ihrem Arbeitskollegen Andreas Gräbedünkel und dessen Frau Petra gemacht. Die Bilder sollen lustig sein, manchmal provokativ, manchmal erotisch.

Die erste eigene Wohnung. Foto: Heidrun Böger
Die erste eigene Wohnung. Foto: Heidrun Böger

Fanpost

Durch die Fernsehauftritte bekommt sie viel Post. Einige Querschnittgelähmte schreiben ihr, dass sie sich nicht vor die Tür trauen. Denen möchten sie Mut machen. Auch sie werde manchmal angegafft, wenn sie zum Beispiel ihren Rollstuhl mit einem Verladesystem hinter dem Fahrersitz verstaut.

Sie war schon Grid-Girl beim 24-Stunden-Autorennen am Nürburgring. Ein Grid-Girl ist eine Hostess im Motorsport. Hübsches Mädchen und schnelle Autos, das passt. Model bei der „Aktion Mensch“ war sie auch, und bei der Fashion Week in Berlin präsentierte sie mit anderen eine Kollektion des Modedesigners Patrick Mohr: „Ich wollte das einfach mal erleben.“ Sie fasziniert die Wandelbarkeit beim Modeln, die Ausstrahlung und Vielfältigkeit.

Sie bekommt sporadisch Anfragen, zum Beispiel von Herstellern von Rollstühlen, hat auch schon für die Firma Meyra gemodelt. Oft setzen die Katalog-Hersteller jedoch Fußgänger in die Rollstühle. Carolin skeptisch: „Es gibt immer so Sachen auf den Fotos, da sieht man, dass das gar keine Rollstuhlfahrer sind.“ Trotz allem Spaß im Leben hat auch Carolin noch Wünsche: „Ein Handbike wäre toll, das würde mich noch unabhängiger machen.“ – Aber die Krankenkasse bezahlt es nicht. Und privat kann es sich Carolin nicht leisten. Weil sie wegen ihrer Probleme mit den Händen ein Handbike mit Motorunterstützung braucht, kostet es 11.000 Euro. Zu viel für die Bürokauffrau. Und als Rollstuhlmodel hat man eben hauptsächlich Spaß.

Heidrun Böger

www.carolin-fischer.de

Dieser Artikel erschien im RehaTreff (02/2016).
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