Hauterkrankungen gehören hierzulande zu den Volkskrankheiten. Neurodermitis, Schuppenflechte oder das sogenannte „offene Bein“, hervorgerufen durch Diabetes oder Krampfadern, verursachen bei Patientinnen und Patienten oft jahrelange Leiden. Diese werden sehr stark von Keimen und deren multiresistenten Krankheitserregern beeinflusst. Dem Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST in Braunschweig ist es in Kooperation mit dem Unternehmen CINOGY und der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen gelungen, die neuartige Medizintechniklösung PlasmaDerm® zur Therapie von Wunden und Hautkrankheiten zu entwickeln. Plasma, unmittelbar auf der Haut erzeugt, fördert dabei die Wundheilung und die Bekämpfung von multiresistenten Krankheitserregern, wie beispielsweise MRSA.
„Es ruft so ein kaum spürbares leichtes Kribbeln auf der Haut hervor“, erklärt Prof. Wolfgang Viöl vom IST, während er mit einem Apparat in Form und Größe einer Taschenlampe in kleinen Kreisbewegungen über seinen Handrücken fährt. An der Spitze des Apparats, den er nur knapp über der Haut hält, sieht man einen unscheinbaren lila Nebel: Plasma – ein ionisiertes Gas.
Das Neue an PlasmaDerm®: Ein Team aus Medizinern, Biologen, Physikern und Ingenieuren entwickelte ein Gerät, das erstmals nicht-thermisches, also „kaltes“ Plasma bei atmosphärischem Druck direkt auf der Haut erzeugt. Beim patentierten PlasmaDerm®-Verfahren wird die flexible und großflächige Elektrode nahe an die Haut herangeführt. Die Haut wirkt elektrisch als Gegenelektrode. Werden Hochspannungspulse aktiviert, wandeln elektrische Felder die Luft zwischen Elektrode und Haut in nicht-thermisches Plasma.
Da „kaltes“ Plasma bisher nicht am Menschen angewandt wurde, kam dem IST die zentrale Aufgabe zu, die Verfahrenssicherheit zu bewerten. „Wir haben eine Risiko-Nutzen-Analyse durchgeführt. Die Auswertung aller chemischen und physikalischen Parameter lässt den Schluss zu, dass es keine Bedenken gibt, PlasmaDerm® am Menschen einzusetzen“, erläutert Dr. Andreas Helmke das Vorgehen am IST.
Die antiseptische Wirkung und eine verbesserte Wundheilung konnten im Rahmen einer klinischen Studie von Prof. Steffen Emmert an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Universitätsmedizin Göttingen nachgewiesen werden. Den größten Vorteil der Anwendung sieht Prof. Emmert darin, „dass nicht-thermisches Plasma die Mechanismen verschiedener Therapien vereint. Es gibt bereits UV-, Ozon- oder Elektrotherapien. Durch Plasma erreichen wir jedoch eine bessere Wirkung in kürzerer Zeit.“ Plasma reduziert die Zahl von Keimen auf der Oberfläche der Haut und erhöht durch das elektrische Feld gleichzeitig die Mikrozirkulation der Haut, wodurch sie besser mit Sauerstoff versorgt wird. Dies sind entscheidende Faktoren zur besseren Heilung von Wunden. Diese aktivierenden Effekte spielen ebenso in einem weiteren Anwendungsfeld, der Bekämpfung von Multi-resistenten Erregern und dem zunehmenden ergebnislosen Einsatz von Antibiotika, eine wichtige Rolle.
Nach der umfassenden Entwicklungsarbeit wird die flexible und die einem tragbaren Gerät erzeugte PlasmaDerm® Therapie am Patienten wirksam eingesetzt. Dieses ist die derzeitige Hauptaufgabe der CINOGY. „Mit unseren tagtäglichen Anwendern, den Patienten und Ärzten in den Kliniken und Praxen, befinden wir uns im regelmäßigen Austausch, um bei Wundheilungsstörungen, hervorgerufen beispielsweise durch Diabetes oder auch MRSA-Befall, eine Hilfe anbieten zu können“, beschreibt Dr. Dirk Wandke, Geschäftsführer bei CINOGY, die herausfordernde Anwendung am Patienten. Mittlerweile wird PlasmaDerm® europaweit vertrieben.
„Wenn ein Kind mit dem Skateboard stürzt, dann stell ich mir vor, dass die Mutter die Wunde in Zukunft zuhause mit einem kleinen PlasmaDerm®-Stick behandelt und nicht mehr mit Jod. Oder, dass das Gerät selbst misst, was mit der erkrankten Haut nicht in Ordnung ist, um anschließend die Dosis einzustellen und die physikalische Therapie zu starten.“
Für die Entwicklung von PlasmaDerm® erhalten Prof. Wolfgang Viöl, Dr. Andreas Helmke, Prof. Steffen Emmert und Dr. Dirk Wandke den Fraunhofer-Preis Technik für den Menschen.