Pool-Billard: Ein Spiel ohne Grenzen

Foto: privat
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Wo gibt es das? Dass sich Männer und Frauen sportlich ebenso vergleichen können wie Alt und Jung sowie Behinderte und Nichtbehinderte. Geht nicht, gibt´s nicht. Es sind alle Wege offen für eine schöne Runde Pool, die eigentlich schon jeder einmal gespielt hat und deren Grundregeln alle kennen. Billard ist sicherlich der Integrationssport schlechthin. Privat wie auch im sportlichen Wettbewerb.

Dabei reichen die Wurzeln des Pool-Billards für Behinderte gar nicht so lange zurück. Im Jahr 1991 veranstaltete der billardbegeisterte Hans Mayer (U 1999) mit seinem Freund Volker Kiehn parallel zu einem Profi-Dreiband-Turnier ein Pool-Billard-Turnier für Behinderte im schwäbischen Backnang. Ein Anfang, der schnell in Deutschland seinen Weg machte. Was in anderen europäischen Ländern schon Gang und Gebe war, war nun auch im deutschsprachigen Raum geboren.

So kam auch ich zum Pool-Billard. Zuvor hatte ich hin und wieder mit Freunden diesen schönen Sport gespielt. Die Entwicklung war rasant. Bereits 1994 wurden die ersten (noch inoffiziellen) Europameisterschaften in Berlin ausgespielt. Ich verlor damals das Finale, dabei träumte ich doch eigentlich nur davon, einmal bei Landes- oder vielleicht auch einmal bei Deutschen Meisterschaften teilzunehmen. Aber wenn man es auch in einer noch jungen Sportart weiterbringen will, dann muss trainiert werden. Das Erlernte wurde in verschiedenen Wettbewerben probiert und dann verfeinert. Praktisch wöchentlich stand ich Gegnern in Turnieren gegenüber, die mich oft unterschätzten. Ich, der Rollstuhlfahrer, gegen Nichtbehinderte. Es gab keine Unterschiede, keine Berührungsängste, jeder verfolgte dasselbe Ziel: Gewinnen. Das gelang mir immer öfter und als ich von Turnieren für Rollstuhlfahrer in den USA erfuhr, trat ich 1995 den Weg über den großen Teich an. Jährlich fand man mich zwei- bis dreimal bei großen Turnieren in den Staaten an. Pool-Billard ist dort absoluter Volkssport und die Leistungsspitze entsprechend hoch. Dennoch konnte ich mich etablieren.

1996 sollte ein wichtiges Jahr für den Rollstuhlsport weltweit werden. Der internationale Rollstuhlverband arbeitete fortan mit dem Pool-Weltverband WPA zusammen. Ich erkannte, dass auch etwas auf dem europäischen Kontinent passieren musste. Nach Gesprächen mit den Verantwortlichen der EPBF (Europäischer Dachverband) hatte ich es geschafft: Die Rollstuhlfahrer wurden voll in den Verband integriert, was 1999 bei den Europameisterschaften für jedermann sichtbar wurde. Wir spielten in Posen (Polen) erstmals Tisch an Tisch mit unseren Vorbildern wie Oliver Ortmann und Ralf Souquet, Tom Storm und Alex Lely. Die Rollis waren fortan keine Unbekannten mehr und jedes Jahr sind diese Europameisterschaften ein absolutes Highlight im Terminkalender – nicht nur für die Behindertensportler. Außerdem wurden wir in den Kreis der World Wheelchair Games aufgenommen. Dreimal durfte ich schon um die preparalympischen Medaillen kämpfen. Und es war immer ein Erlebnis.

Aber es folgten Jahre, an die ich nicht gern zurückdenke. Nachdem mein sportlicher Ziehvater Hans Mayer plötzlich verstarb, brach eine Welt zusammen. Das Interesse am Billardsport ging praktisch verloren. Ich trainierte kaum noch, Motivation waren nur noch Turniere rund um den Weltball. So spielte ich fortan nur noch Rollstuhl-Turniere. Zu Einzel- und Mannschafts-Wettbewerben vor der Haustür fand ich den Sprung nicht. Auch der Behindertensport in Deutschland schlief ohne meine Initiative ein. Bis Hans-Peter Benzinger 2003 mein Amt als Behindertensportbeauftragter im baden-württembergischen Billardverband (BVBW) beerbte und neuen Schwung ins Geschehen brachte. Der Armamputierte ging seine Arbeit mit soviel Elan an, dass die „Offenen Landesmeisterschaften“ wieder salonfähig wurden. Im Januar 2006, nach fünfjähriger Pause, war er verantwortlich dafür, dass die Deutschen Meisterschaften wieder ausgetragen wurden. Mit dem Billardcafé Karambolage in Stuttgart-Feuersee fand er einen optimalen Rahmen. Dirk Recktenwald, Jo Schuler und meine Wenigkeit qualifizierten sich für die Europameisterschaften, die Ende März in Brandenburg ausgetragen wurden. Angestachelt durch diese schweren Aufgaben erregte der Sport wieder meine Aufmerksamkeit. Auch wenn es letzten Endes nach einem verkorksten Halbfinale „nur“ zu Platz 3 reichte, ich freute mich wie kaum zuvor über dieses Edelmetall.

Dank Hansi Benzinger blüht der Behinderten-Pool-Billard-Sport wieder neu auf. An Pfingsten werden die jährlichen „Offenen Landesmeisterschaften Baden-Württemberg“ in Sindelfingen ausgespielt. Auch der saarländische Verband mit Werber Feß als Verantwortlicher bleibt seinem Turnier treu. Am 25. Juni werden in Homburg/Saar die besten Spieler ermittelt. Und, so versprach die Deutsche Billard-Union (DBU), auch die Deutschen Meisterschaften sind wieder fest im Sportprogramm verankert. Natürlich geht der Griff zum Queue („Kö“) auch im Spiel gegen Nichtbehinderte. Integration pur eben.

Wer am Billardsport und/oder den Regeln interessiert ist, wo und wann man trainieren oder Turniere spielen kann sowie alle weitere Fragen rund um den Pool-Billard-Sport für Behinderte – ich stehe gern Rede und Antwort und freue mich auf Zuschriften.

Tankred „Tai“ Volkmer

Allgemeines zum Pool-Billard für Behinderte

Während international aufgrund der Verbände derzeit nur die Rollstuhlfahrer Meisterschaften ausspielen können, werden im deutschen Behindertensport alle Handicaps (Einarmige, Contergan, Spastiker, Rollstuhlfahrer u. v. m.) zusammengeworfen. Einteilungen in komplizierte Klassen gibt es nicht. Bedingung zur Teilnahme an einem Behindertenturnier ist eine Behinderung, die billardspezifisch ist (keine Tauben etc.). Dass dies ein erfolgreiches Konzept ist, zeigten zuletzt die im Januar stattgefundenen Deutschen Meisterschaften im 8-Ball und 9-Ball in Stuttgart. Ebenso wie die Nichtbehinderten, spielen die behinderten Sportler an herkömmlichen Billardtischen.

Die Namen der Wettkampfdisziplin 8- und 9-Ball hören sich kompliziert an, sind sie aber nicht. Das 8-Ball kennt jeder: Ein Spieler hat die vollen Kugeln von eins bis sieben und der andere die halben von neun bis 15. Jeder Spieler versucht nun seine „Farbe“ (halbe oder volle) zu lochen. Ist dies gelungen, darf man an die gewinnbringende schwarze „8“ ran. Wer diese korrekt, also ohne Foul, versenkt, hat gewonnen. Zu beachten ist, dass bei allen Kugeln vor dem Stoß das Loch angesagt werden muss. 9-Ball hingegen ist kein Ansagespiel, das heißt solange eine Kugel nach einem korrekten Stoß fällt, bleibt man am Tisch. Allerdings ist diese Disziplin schwieriger. In einer Raute werden die Kugeln von eins bis neun aufgebaut (die eins vorne an der Spitze, die neun in der Mitte). Nun darf nur die niedrigste nummerierte Kugel angespielt werden. Zuerst die eins, dann die zwei usw. Sogenannte Kombinationen sind auch möglich, d. h. man spielt die eins z.B. auf die sieben. Wenn die sieben (oder irgendeine andere) fällt, muss man weiter auf die niedrigste Kugel spielen, also die eins. Gewonnen hat, wer zuerst die „9“ gelocht hat. Dies kann durch das Lochen aller Kugeln der Reihe nach geschehen oder eben durch eine Kombination. Der schnellste Weg zum Sieg ist, wenn die „9“ schon beim Anstoß fällt. Dies waren die Regeln im Schnelldurchgang.

 

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