„Nur Reisen ist Leben – wie umgekehrt das Leben Reisen ist.“
Die Weisheit, die in diesem Zitat von Jean Paul liegt, verkehrt sich jedoch schnell in eine Selbstverständlichkeit zu Hause zu bleiben, sobald ältere Menschen gesundheitlich eingeschränkt oder gar pflegebedürftig werden. „Das muss nicht sein“, sagt André Scholz Gründer des Reisemaulwurf e.V.. Er möchte Mut machen zum Reisen trotz Pflegebedürftigkeit und sucht Mitstreiter für seinen Verein.
Hinter der Idee des Reisemaulwurfs steht eine Vision. André Scholz ist Berliner und examinierter Altenpfleger. Als Fachkraft im ambulanten und stationären Altenpflegebereich Pflegeberater und Case Manager musste er in den vergangenen zwanzig Jahren immer wieder feststellen dass es kaum Angebote und nur beginnend Beratung zum Thema Auszeit und Erholung für pflegebedürftige Menschen und deren pflegende Angehörige gibt. Um das zu ändern wurde er selbst aktiv: 2016 gründete er den Reisemaulwurf e.V. der seit Februar 2017 die Anerkennung der Gemeinnützigkeit hat.
Der Verein „Reisemaulwurf“ ermutigt Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf und deren Angehörige eine Auszeit und Urlaub zu planen. Gerade in langjährigen Pflegesituationen ist es wichtig den Wunsch nach Erholung und Reisen zuzulassen. Pflegesituationen oder behinderungsbedingte Lebensumstände gestalten sich kräftezehrend und schwierig Erholung wäre nötig aber die Betroffenen hat der Mut und die Möglichkeit verlassen Angebote zu sehen und diese anzunehmen. Gleichzeitig setzt der Verein auch auf der Angebotsseite an und animiert die Tourismusbranche mehr Reiseangebote zu schaffen die für pflegebedürftige Menschen geeignet sind.
Berufliche Erfahrung sammelt er in der stationären Altenpflege in der häuslichen Pflege sowie in Seniorenfreizeiteinrichtungen. 2004 absolviert er einen Diplom-Pflegestudiengang mit der Idee durch ein eigenes Pflegehotel Gastronomie Hotellerie und Pflege zu kombinieren.
Das Pflegehotel bleibt ein Traum. Seit 2009 ist André Scholz Pflegeberater in einem Berliner Pflegestützpunkt. Pflegestützpunkte sind zentrale Anlaufstellen für gesetzlich versicherte hilfe- und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen. Sie koordinieren und vermitteln unter anderem Hilfeleistungen und örtliche Angebote. Die Verfügbarkeit von Stützpunkten ist regional sehr unterschiedlich. In Berlin gibt es 36 davon. Jährlich werden dort circa 40.000 Menschen beraten und tausende Kontakte hergestellt zu Mobilitätshilfsdiensten Beratungsstellen wie Pflege in Not den Kontaktstellen PflegeEngagement oder pflegen-und-leben.de Hilfeleistungsanbietern und vielen mehr. Warum sollten die Pflegestützpunkte Berlin nicht auch das Thema Erholungs- und Entlastungsangebote aufgreifen und fördern?
Mit einer Reisemesse möchte André Scholz zeigen dass Urlaub auch für Menschen mit besonderem Bedarf möglich ist. Touristische Anbieter sollen die Möglichkeiten Urlaub mit Pflegeleistungen Betreuung Barrierefreiheit und Hilfsmitteln zu machen auf einer Messe präsentieren. Die Kunden und Kontakte der Berliner Pflegestützpunkte sollen darauf aufmerksam gemacht werden. Die Reisebörse soll überregional wiederholt und regelmäßig veranstaltet werden. 2013 öffnet die Reisebörse „Urlaub für Alle“ zum ersten Mal ihre Türen. 25 Aussteller nehmen teil von der ersten Stunde an: Mit dabei sind unter anderem die „AWO SANO Urlaub & Pflege“, BSK Reisen, Grabo-Tours, Weitsprung Reisen und Tourismus Marketing Brandenburg. Ermöglicht wird die Reisebörse durch die Pflegestützpunkte Berlin mit Unterstützung der AOK Nordost VisitBerlin sowie der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales.
Bis 2016 wächst die Zahl der Aussteller auf über 40 heran. Unternehmen wie der Veranstalter RUNA Reisen, die GDA Residenz Schwiecheldthaus in Goslar, Accamino Reisen und SORGLOS Urlaub – sorgenfreier Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern schließen sich an. Viele Unternehmen kommen um sich über das spezielle Thema Urlaub und Pflege auszutauschen. Brücken werden geschlagen gemeinsam Lösungen gefunden. Viele Besucher haben schon schlechte Erfahrungen gemacht die sie sich lieber erspart hätten. Die Reisebörse macht auf positive Beispiele aufmerksam auf Reisen die funktionieren.
André Scholz begnügt sich nicht mit einer Messe. Er möchte permanent Brücken schlagen und das Thema Urlaub trotz Pflegebedürftigkeit voranbringen. Unter dem Dach eines Vereins sollen Anbieter und Reisewillige zusammenfinden. Der Reisemaulwurf wird gegründet und stößt von Anfang an auf großen Zuspruch. Viele der Aussteller der Reisebörse „Urlaub für Alle“ unterstützen die Arbeit des Vereins als Fördermitglieder. Auch in den Jahren nach der Reisebörse wächst die Zahl der Partner. Die „Sonnenhotels“ kommen hinzu die das erste Hotel in Deutschland nach den Vorgaben des bundesweiten Kennzeichnungs- und Zertifizierungssystems „Reisen für Alle“ gebaut haben der Gruppenreiseveranstalter Videlis Seniorenreisen und YAT Reisen ein Veranstalter für Menschen mit geistigen und mehrfachen Behinderungen. Neu dabei ist die familiär geführten Pflegepension Haffblick sowie das Angebot „AusZeit“ der Evangelische Altenhilfe St. Georgen. Fachliche Unterstützung erhält der Verein durch die Fachstelle für pflegende Angehörige sowie MosGiTo – Tourismus-Marketing für barrierefreies Reisen.
Die Arbeit des Vereins erstreckt sich über verschiedene Bereiche und Aufgaben. Es wird kontinuierlich Öffentlichkeitsarbeit betrieben mit Vorträgen, Messepräsenz und Fachartikeln. Die Gewinnung von Multiplikatoren und die Vernetzung aller Akteure ist ein wichtiger Tätigkeitsschwerpunkt des Vereins. Soziale Einrichtungen und öffentliche Stellen sowie Selbsthilfe- und Wohlfahrtsverbände fungieren als Multiplikatoren wie zum Beispiel die Compass Private Pflegeberatung eine Beratungsstelle für privat versicherte Patienten die Alzheimer Gesellschaft Berlin und die Alzheimer-Angehörigen-Initiative sowie der Verein wir pflegen e.V. als größte Interessensvertretung pflegender Angehöriger.
Gleichzeitig lenkt der Verein die Aufmerksamkeit der Tourismusbranche auf die Bedürfnisse hilfe- und pflegebedürftiger Menschen, um die Entwicklung von Angeboten zu fördern. Barrierefreiheit wird von der Tourismusbranche immer noch zu oft als Nischenthema behandelt – trotz mehr als sieben Millionen statistisch erfassten Schwerbehinderten und einer zusehends alternden Gesellschaft.
Als direkten Service für Betroffene bringt der Reisemaulwurf e.V. als Reiseberater Reisende und Reiseanbieter zusammen indem er Menschen mit Reisewunsch über die Möglichkeiten und passende Angebote informiert. Der Verein ist allerdings kein Reiseveranstalter. Die Buchung der Reise erfolgt direkt beim Reiseanbieter. Die Reiseberatung durch den Verein ist für den Anfragenden kostenfrei. Das Beratungsangebot wird durch die Mitgliedsbeiträge der Fördermitglieder und über Spenden finanziert.
Nicht zuletzt wird durch den Vorstoß des Vereins die gesellschaftliche Akzeptanz dafür erhöht, dass Menschen mit Krankheit und Behinderung selbstverständlich und selbstbestimmt Urlaub machen. Jeder kann im Urlaub auf Menschen mit Krankheit oder Behinderung treffen, genauso wie wir unsere Familie, Freunde und Bekannte jederzeit von Krankheit oder Behinderung betroffen sein können.
Auch André Scholz ist seit 2012 pflegender Angehöriger. Er hat hilfebedürftige Familienmitglieder in den vergangenen Jahren unterstützt und gepflegt. Gemeinsam mit seinen Schwiegereltern und seiner Frau hat André Scholz zum Beispiel verschiedene Reiseziele besucht und Angebote genutzt.
Der Reisemaulwurf e.V. bleibt seine große Leidenschaft. Die Vision: Viele funktionierende Reiseangebote für Pflegebedürftige und Pflegende einerseits und mutige Betroffene auf Reisen andererseits – und der Reisemaulwurf e.V. als die Schnittstelle und Plattform zum Austausch zur Inspiration zur Bündelung von Informationen und als Stimme für Betroffene und Anbieter.
Dafür sucht André Scholz weitere Mitstreiter. Reiseanbieter und Tourismusregionen die Menschen mit Pflegebedürftigkeit und ihre Angehörigen als Gäste und Gästinnen gewinnen möchten. Multiplikatoren die gegenüber den Betroffenen die Möglichkeiten aufzeigen zu verreisen. Und auch einfach Menschen, die die Idee durch Zeit- oder Geldspenden unterstützen.