Kinderlachen und das Geräusch von Rollstuhlrädern, die über den Turnhallenboden dröhnen, drang heute aus der Sportstätte der Realschule Rheinstetten bei Karlsruhe. Allgemein herrscht in der Gesellschaft die Ansicht vor, dass niemand gern im Rollstuhl sitzt. Die Fünft- und Sechstklässler stellten dies jedoch innerhalb weniger Minuten spielerisch auf den Kopf – Perspektivwechsel im Sinne der Inklusion. Möglich machen das die Rollikids des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes (DRS). Das Projekt „Rollstuhlsport bewegt Schule“ will die Stigmatisierung des Rollstuhls beenden. In diesem Fall sichtlich mit Erfolg. Drei Stunden waren Ute und Klaus-Dieter Herzog von den Rollikids vor Ort, und die Kinder hatten noch immer nicht genug, von dem neu entdeckten Fortbewegungsmittel.
„Klaus, darf ich noch ’ne Runde fahren?“, ist eine der häufigsten bohrenden Fragen, wenn der Rollstuhlfahrer aus Hennef in der Nähe von Köln mit seiner Frau Ute die Schulen des Landes besucht. Im Gepäck hat das Ehepaar dann zwei Dutzend Rollstühle, in denen die Schüler nach Herzenslust Neuland entdecken können. Allerdings gibt es ein paar Sicherheitstipps vom Profi, beispielweise wie man den Greifring anfasst, damit kein Finger gequetscht wird, oder wie man rückwärts fährt und dann bremst, ohne dass man dann anschließend nach hinten umkippt. Nach vorne beugen und die Räder ganz weit unten anfassen. Gar nicht so einfach, genau wie das Ankippen des Rollis. Und das Schönste: Die Lehrerin kann es auch nicht besser als ihre Schüler.
Zwischen den Fahrübungen darf gefragt werden, was schon immer zum Thema Behinderung auf den Nägeln brennt. „Darf man eigentlich Witze über Behinderte machen?“ oder „Wann sollte man einem Rollstuhlfahrer Hilfe anbieten?“ oder „Wie lange hast Du gebraucht, bis Du den Rollstuhl für Dich akzeptiert hast?“ oder „Welche Sportarten kann man eigentlich im Rollstuhl ausüben?“ – o.k. nicht alle Fragen kamen aus dem Publikum. Aber die Antworten fanden alle interessant.
Und so bemerkte zunächst auch keiner die Frau, die mit einem großen Schild die Turnhalle betrat. Gabriele Kellermann, Vorstandsmitglied der BBBank und der BBBank Stiftung. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass es sich bei dem Schild um einen symbolischen Scheck handelte. Mit der beeindruckenden Summe von 45.000 Euro als Spende für die Rollikids. „Damit können wir bundesweit rund 20 weitere Schulveranstaltungen durchführen“, freute sich Klaus-Dieter Herzog. Dass die Infokampagne nicht ganz billig ist, konnte sich der Betrachter gut vorstellen, angesichts der zahlreichen Zusammenstöße von Rädern und Rahmen. „Früher habe ich die Rollstühle noch alle selbst repariert und gewartet“, erzählt Ute Herzog schmunzelnd, aber heute fehle der hauptamtlichen Lehrerin, die im Regierungsbezirk Köln für den Bereich Inklusion im Schulsport zuständig ist, oft die Zeit. Die Touren zu den Schulen machen die Herzogs übrigens ehrenamtlich. Sie freuen sich, wenn sie damit zum gesellschaftlichen Umdenken beitragen können. „Wenn Ihr später mal irgendwo im Bauamt arbeitet, denkt Ihr vielleicht an meine Worte, dass Barrierefreiheit allen hilft, nicht nur den Rollstuhlfahrern, sondern auch Eltern mit Kinderwagen oder Reisenden mit großen Koffern“, sagt er schmunzelnd zu seiner jungen Zuhörerschar.
Gabriele Kellermann von der BBBank findet das Projekt des Fachbereichs Kinder und Jugendsport des Deutschen Rollstuhl-Sportverbandes deshalb so interessant, weil hier Berührungsängste abgebaut werden. „Nachhaltig Gutes tun“ ist das Prinzip der BBBank Stiftung. Jährlich unterstützt sie mit Spenden und den Erträgen des Stiftungsvermögens unterschiedliche Projekte aus den Bereichen Jugend- und Altenhilfe, Bildung und Erziehung, Gesundheitswesen, Wissenschaft und Forschung sowie Wohlfahrt. Die 45.000 Euro für die Rollikids des DRS kamen zusammen, weil über 1.750 Mitglieder der Bank eine Treueprämie in Höhe von jeweils 15 Euro, die ihnen zustand, gespendet haben. Die Bank rundete den Betrag auf die Gesamtspendensumme auf. Es bewegt sich etwas, und das geht weit über den Rheinstettener Turnhallenboden hinaus.
Katja Rosdorff