Zehn IPC-Weltcups haben in der Klasse der weiblichen Monoskifahrerinnen stattgefunden, neunmal jubelte am Ende das deutsche Skiteam alpin. Während in Kranjska Gora (Slowenien) und Tarvisio (Italien) Anna Schaffelhuber (23/TSV Bayerbach) vier Siege einfuhr, trumpfte anschließend Anna-Lena Forster (20/BRSV Radolfzell) in St. Moritz (Schweiz) und Tignes (Frankreich) groß auf. In Abwesenheit der fünffachen Paralympcs-Siegerin Anna Schaffelhuber gelang der 20-Jährigen aus Radolfzell (Baden-Württemberg) nicht nur der ersehnte erste Weltcup-Sieg ihrer Karriere, sondern sie schaffte es noch vier weitere Male nach ganz oben aufs Podest.
„Es ist ein sehr cooles Gefühl, wenn man selbst der Grund dafür ist, dass auf dem Treppchen die deutsche Hymne gespielt wird“, schildert Forster. Dabei hat sie schon viele Erfahrungen auf dem Siegerpodest gesammelt, gewann 2014 in Sotschi bei ihrer Paralympics-Premiere sensationell zweimal Silber und einmal Bronze und holte auch bei der WM 2015 einmal Bronze. Doch stets stand die Monoskifahrerin, der von Geburt an das rechte Beine fehlt und deren linker Oberschenkel verkürzt ist, im Schatten von Anna Schaffelhuber. Jetzt legte diese eine Wettkampfpause ein, zudem fehlte die Österreicherin Claudia Lösch verletzungsbedingt – und Anna-Lena Forster nutzte die sich bietende Möglichkeit voll aus.
„Der Knoten ist geplatzt. Sie hat die Chance beim Schopfe gepackt und richtig gute Leistungen heruntergebracht“, lobt Bundestrainer Justus Wolf. Entsprechend glücklich ist auch Forster über ihren „Fünferpack“. Ihr Erfolgsrezept: Lockerheit. „Ich habe mir natürlich Chancen ausgerechnet, bin aber so locker wie möglich herangegangen und freue mich, dass es endlich geklappt hat“, sagt die 20-Jährige.
Nach enttäuschender WM 2015 in dieser Saison voll in der Spur
Genau diese Lockerheit fehlte ihr bei der Weltmeisterschaft 2015. Nachdem die Paralympics überraschend mehr als gut verliefen und Forster die Erwartungen deutlich übertroffen hatte, machte sie sich bei der WM selbst zu viel Druck. „Ich wollte die Erfolge bestätigen, doch ich war zu verkrampft und konnte meine Leistung nicht abrufen. Die Weltmeisterschaften verliefen für mich ziemlich enttäuschend“, blickt die Radolfzellerin zurück. Umso größer die Erleichterung, dass es in dieser Saison deutlich besser läuft – erst recht durch die jüngsten Seriensiege im Weltcup.
Ging sie im Slalom als Favoritin an den Start und feierte zwei überlegene erste Plätze, waren ihre Siege in den Speed-Disziplinen Abfahrt und Super-G äußerst überraschend. Schließlich ging die Monoskifahrerin in ihrer Karriere erst bei einer Abfahrt überhaupt an den Start – bei den Paralympics in Sotschi. „Letzte Saison hatte ich noch nicht einmal die Qualifikation für die Abfahrt. Daher dachte ich eigentlich, dass ich mich erst einmal herantasten muss und noch hinterher fahre“, berichtet Forster. Doch es kam anders. „Wir haben die Strecke sehr intensiv besichtigt, viele Videoanalysen gemacht und ich habe mich sehr auf die Fahrtechnik und die richtige Streckenwahl konzentriert“, erklärt die inzwischen fünffache Weltcup-Siegerin. Der Plan ging auf – und Forster durfte jubeln.
Nächstes Ziel: Bei einem großen Rennen vor Anna Schaffelhuber landen
Es waren gleich mehrere Schritte in die richtige Richtung. Besonders die drei Siege in Abfahrt und Super-G sorgen für eine große Portion Selbstvertrauen. Ob Anna-Lena Forster irgendwann auch ganz oben steht, wenn Anna Schaffelhuber wieder Weltcup-Zirkus mitmischt? „Bei größeren Rennen ist mir das bisher noch nicht gelungen. In dieser Saison war ich im Slalom allerdings schon mal nah dran und in einzelnen Läufen auch schon schneller. Vielleicht gelingt es mir bald, dass ich Anna mal besiege“, sagt die 20-Jährige. Nach den gewonnen Weltcups ohne Schaffelhubers Teilnahme ist es das nächste große Ziel.
Die Chance dazu bietet sich bereits Ende Februar beim Weltcup-Finale in den USA. Danach richtet sich der Blick auf die kommenden beiden ereignisreichen Jahre mit den Weltmeisterschaften im italienischen Tarvisio 2017 und den Paralympics 2018 in Pyeongchang (Südkorea). Doch bevor Anna-Lena Forster ins Träumen gerät, holt sie auch schon wieder der harte Alltag ein. Wenige Tage nach ihren umjubelten Weltcup-Erfolgen geht’s auch schon wieder in die Universität Freiburg, wo eine Psychologie-Klausur auf dem Plan steht.
DBS