Aus der Not eine Tugend machen. Diesem Sprichwort folgend hat das in Kassel ansässige Bildungs- und Forschungsinstitut zum selbstbestimmten Leben Behinderter (bifos) ein ursprünglich als Präsenzveranstaltung geplantes Sommercamp coronabedingt online und kreativ umgeplant. Herausgekommen ist statt der ursprünglich für sechs Tage geplanten Veranstaltung mit über 120 Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen eine auf nunmehr zwei Monate angelegte Reihe von Veranstaltungen und Aktivitäten. Diese zeigen, dass es trotz Corona-Pandemie viele Ideen und Aktivitäten gibt, durch die die Teilhabe behinderter Menschen online und kreativ gestaltet werden kann. Das ist das Ergebnis einer Halbzeitbilanz des am 5. Juni begonnenen und am 7. August endenden und von der Aktion Mensch geförderten „anderen Sommercamps für ein selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen“, die die Koordinatorin des Sommercamps, Susanne Göbel, nun gezogen hat. „So sehr natürlich der persönliche Kontakt fehlt, der gerade bei einem Sommercamp so wichtig ist, so spannend sind die Möglichkeiten, die es heutzutage gibt und die per Telefon, Zoomkonferenz, Internet, WhatsApp, Facebook, per Post und vielem mehr genutzt werden können, um die Isolation behinderter Menschen zu verhindern und eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Nach einem Monat haben wir sogar eine Reihe von Aktivitäten durchgeführt, die im Jugendgästehaus in Duderstadt so nie möglich gewesen wären“, betont Susanne Göbel vom bifos. Dazu zählen zum Beispiel die Bilder, die behinderte Menschen von Aktivitäten in ihrem Sozialraum vor Ort geschickt haben oder die vielen Koch- und Backrezepte, die ausgetauscht und von Teilnehmern zu Hause ausprobiert wurden. Bei den Online-Veranstaltungen sei es zudem möglich gewesen, wesentlich mehr Referenten hinzuzuziehen, wie dies bei der Präsenzveranstaltung möglich gewesen wäre. So sei das Programm inhaltlich viel bunter geworden. Im ersten Monat des auf zwei Monate angelegten Sommercamps wurden bereits über 60 Veranstaltungen und Aktivitäten durchgeführt, die, laut einer Pressemitteilung, auf sehr gute Resonanz bei den Teilnehmern gestoßen sind. Bis zum 7. August sind noch über 40 weitere Aktivitäten und Veranstaltungen geplant, wobei ständig weitere hinzukommen. Denn ein Prinzip dieses Sommercamps ist, dass die Teilnehmer selbst ihre Ideen einbringen und Veranstaltungen und Aktivitäten anbieten.
„Seien es virtuelle Stadtführungen durch Wien oder Mainz, die Durchführung von Zukunftsplanungen und Informationen, wie das funktioniert, virtuelle Führungen durch Ausstellungen oder Informationen aus der Beratung behinderter Menschen, die Vielfalt der Aktivitäten ist groß. Ein Fußball-Talk, der Anbau von Saubohnen, das Aufsuchen des Lieblings-Ortes, Sportübungen per Videoanleitung, Achtsamkeitsübungen, ein Kaffeeklatsch und der Austausch und die Anleitung des Backens und Kochens von leckeren Speisen waren weitere Aktivitäten. Selbst Spiele wie Dinner and Crime oder Kniffel, all das und noch vieles mehr haben wir schon geschafft. Und natürlich wurde viel über die Behindertenpolitik informiert und diskutiert“, berichtet Susanne Göbel. Wichtig sei dabei gewesen, dass für Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen ein passender Zugang zur Technik und zur Kommunikation gesucht und gefunden wurde, ob per Telefon, Post oder online, per App oder Facebook. „Gerade in Corona-Zeiten hoffe ich, dass diese Kreativität auch flächendeckend in der Behinderten- und Altenhilfe greift und den Menschen damit eine weitere Möglichkeit der Teilhabe eröffnet wird. Vieles ist möglich, wenn es gewollt wird und behinderte Menschen die Unterstützung zur Teilhabe bekommen, die sie brauchen. Das hat der erste Monat des Sommercamps mit dem Motto ‚Zukunft inklusiv gestalten und planen‘ deutlich gezeigt“, betont Susanne Göbel.
Begleitet werden die Aktivitäten und Veranstaltungen des Sommercamps mittels eines Liveblogs mit Bildern, Berichten und Videos. Dieser wird zusammen mit dem Online-Nachrichtendienst zu Behindertenfragen kobinet-nachrichten unter https://kobinet-nachrichten.org/foren/liveblog-sommercamp-2020/ betrieben. Hier wurden zur Halbzeit des Sommercamps bereits über 100 Nachrichten zum Sommercamp veröffentlicht.