Buchtipp: Vor-Vor-Paralympics in Heidelberg

US_Wagh.inddNoch immer berauscht der Gedanke an die letzten Sommer-Paralympics in London, vor allem die, die live dabei sein konnten. Viel wurde geschrieben über „Paralympics coming home“, denn der Urahne der Bewegung saß im englischen Stoke Mandeville bei Oxford (Reportage in RehaTreff 4/2012). Kein Geringerer als der emigrierte deutsche Arzt Ludwig Guttmann hatte dort die ersten Spiele für Gelähmte ins Leben gerufen.

1972 fanden die Olympischen Spiele in München statt. Noch war es damals nicht Brauch, die Paralympics im Anschluss an die Olympischen Spiele an gleicher Stelle zu veranstalten – nur zwei Wochen später. Das kam später und ist heute eine gute Tradition.

In München konnten die Weltspiele der Gelähmten, wie die Wettbewerbe damals noch hießen, aus organisatorischen Gründen nicht ausgerichtet werden. Daraufhin erklärte sich Heidelberg bereit, die XXI. Weltspiele im Sommer 1972 zu organisieren. Die Heidelberger unter ihrem damaligen OB Zundel machten das sehr gut, die Spiele wurden ein Erfolg. Geschäftsführer der Organisation war Jörg Schmekel, Tetraplegiker und Anfang der 1960er einer der wenigen deutschen Patienten, die ihre Rehabilitation bei Guttmann in Stoke Mandeville erlebten.

Daniel Westermann, heute Sportwissenschaftler und Journalist, hat sich an der Deutschen Sporthochschule Köln diesen Abschnitt der Paralympischen Bewegung als Thema seiner Diplomarbeit vorgenommen. Mit großer Unterstützung des Heidelberger Stadtarchivaren Dr. Peter Blum entstand daraus nun das Buch, das Anfang August am Olympia Stützpunkt Heidelberg in einem kleinen Festakt vorgestellt wurde. Neben „Stars“ von 1972 wie Ruth Lambsbach (Fünfkampf-Gold und Basketball) waren auch ehemalige Organisatoren und Offizielle geladen, wie beispielsweise Dr. Horst Strohkendl, damals Trainer des Damen- und Herrenrollstuhlbaskettballteams.

Die Moderatoren Marcel Bergmann (ZDF Sport)  und Matthias Berg, ehemaliger und erfolgreicher Paralympionik, führten durch die Veranstaltung. Es war den offiziellen von Stadt und Universität Heidelberg anzumerken, dass das Thema Behindertensport am Neckar eine große Bedeutung hat. Unter anderem trainiert am Olympia-Stützpunkt Rhein-Neckar die deutsche Hoffnung im Rennrollstuhl, Marc Schuh, für die nächsten Paralympics in Rio. Und alle zwei Jahre rollt der Heidelberger Rollstuhlmarathon, ebenfalls mit großer Unterstützung der Stadt.

Fragte man früher Manfred Sauer nach seinen sportlichen Aktivitäten, so erhielt man den berühmten Ausspruch Churchills: No sports! Dabei hätte Sauer es besser wissen müssen, schließlich war auch er nach seiner Querschnittverletzung Patient bei Guttmann. Wobei Guttmann in erster Linie für den Rehasport stand, nicht für den Leistungssport. Vielmehr wollte er über den Sport zu Leistungsbereitschaft motivieren. Heute unterstützt Sauer in vielfältiger Form den Breiten-, aber auch den Leistungssport. „Der Rehasport, wie Guttmann ihn forderte, ist passé“, befand der nimmer müde Horst Strohkendl in einem Statement. Nach seiner Meinung müsse der Breitensport dringend gefördert werden, allein, es fehlt an gut ausgebildeten Trainern und Therapeuten.

Eva Werthmann, (Internationales Paralympische Komitee, Bad Godesberg), repräsentierte die Paralympics, die nach den Olympischen Spielen größte Sportveranstaltung der Welt. Das hat mit der ehrenamtlichen Welt von Heidelberg 1972 mit seinen knapp 1000 Athleten nur noch wenig gemeinsam. In London galt es, für über 4.000 Athletinnen und Athleten und zehntausende Zuschauer die Spiele zu bereiten. Eine logistische Großleistung und ein Umschlagplatz für viele Euro und Dollar.

Der Verlag Regionalkultur hat eine erste Auflage gedruckt:

Daniel Westermann:

Die XXI Weltspiele der Gelähmten in Heidelberg 1972,

herausgegeben von Dr. Peter Blum (Stadtarchiv Heidelberg)

160 Seiten stark und für 17,90 € im Buchladen oder beim Verlag Regionalkultur direkt erhältlich.

 

Weitere Artikel

Letzte Beiträge