Spurensuche: Urlaub im Sudetenland

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Die Schmalspurbahn von Röwersdorf nach Hotzenplotz ist eine beliebte Touristenattraktion. (Foto: Werner Pohl)

Wohin im Sommerurlaub? Gängige Reiseziele sind, nebst den Urlaubsregionen im eigenen Land, Nachbarstaaten wie Österreich, Italien, Dänemark, Spanien oder Frankreich. Aber Tschechien? Erklärungsbedürftig – fanden die meisten, denen ich von unserem Vorhaben erzählte. Vor Ort stellte ich fest: Diese Idee hatten nicht nur wir, sondern auch etliche Landsleute gehabt.

Kennen sie Hotzenplotz, ich meine den Ort Hotzenplotz? Der Erfolgsautor Otfried Preußler (Die kleine Hexe, Krabat) fand den Klang des Namens so verlockend, dass er ihm zu literarischem Ruhm verhalf. Den Räuber Hotzenplotz kennt jedes Kind. Den namensgebenden Ort auf heutigen Landkarten zu finden, ist hingegen nicht so einfach, denn man muss wissen: Hotzenplotz heißt heute Osoblaha. Auch die Nachbarorte des tschechischen Städtchens unweit der polnischen Grenze tragen heute andere Namen als früher. Opava hieß einmal Troppau, das einstige Jägerndorf heißt nunKrnov. Die Geschichte der Region, von der diese Namen erzählen, ist denn auch die Erklärung für das Interesse deutscher Touristen an diesem Reiseziel. Wer hierher reist, reist auf den Spuren der Vergangenheit, in aller Regel der Vergangenheit seiner eigenen Familie. Die Geschichte der Orte Troppau, Hotzenplotz, Freudenthal und vieler anderer ist eng mit der leidvollen Geschichte des Sudetenlandes verbunden.

Mehr als Gräber von Ur-Groß- und Ur-Ur-Großeltern
Was das Wissen über den historischen Ablauf der Geschehnisse betrifft, hilft ein Blick in die Geschichtsbücher. Nützliche Informationen über das Tschechien von heute liefern aktuelle Reiseführer, wie sie jede Buchhandlung bereithält. Mit beidem ausgerüstet, begaben wir uns auf einen Ausflug in die Vergangenheit, der nicht nur zu (erstaunlich gut erhaltenen) Gräbern von Ur-Groß- und Ur-Ur-Großeltern sowie mit der Familiengeschichte verknüpften Stätten führte, sondern auch manches touristische Highlight bereithielt. Brúntal liegt am Rande des Altvatergebirges, einer beliebten Wanderregion, in der es auch Kurbäder und allerlei Sehenswürdigkeiten gibt. Überdies ist die Region an der Grenze zu Polen so dünn besiedelt, dass allein die Fahrt durch endlos weite Kornfelder mit hier und da eingestreuten kleinen Orten schon für Erholung sorgt.

Sprachbarrieren
Um sicher zu gehen, dass ich als Rollstuhlreisender die nötige Infrastruktur vorfinde, hatte ich vorab per Internetrecherche taugliche Quartiere in Brúntal und Opava ausfindig gemacht, die auch halbwegs hielten, was die Präsentation auf der Website versprach. Hilfreich war in diesem Zusammenhang eine Anfrage bei der Tschechischen Zentrale für Tourismus in Berlin (www.czechtourism.com), die prompt mit nützlichen Adressen antwortete. Die Kommunikation mit den Hotels (immerhin größere Häuser in veritablen Städten) gestaltete sich ausgesprochen mühsam, denn weder Deutsch-, noch Englisch-, geschweige denn Französischkenntnisse halfen nennenswert weiter. Ich fragte schließlich detailliert per E-Mail auf Englisch an, und erhielt dechiffrierbare Antworten. Sprachbarrieren waren auch während der Reise hinderlich, vor allem bei den täglichen Restaurantbesuchen. Zwar trifft man hier und da auf gut Deutsch oder Englisch sprechende Kellner, aber genausogut kann es passieren, dass jede Kommunikation mit Schulterzucken und fragenden Blicken endet.  Das ist vor allem dann problematisch, wenn – eher die Regel als die Ausnahme – keine wie auch immer übersetzte Speisenkarte zur Hand ist.

Eine Menge Kalorien fürs Geld
Aber den kulinarischen Aspekt sollten Tschechienreisende, so mindestens meine Erfahrung in der von uns bereisten Region, ohnehin ausklammern. Die Priorität liegt klar bei Kalorien, auch Salate werden gerne mit üppigen Mengen von frittierten Käse- und Fleischstücken dekoriert, und das, was man serviert bekommt, korrespondiert keineswegs immer mit dem, was man daheim unter der selben Bezeichnung erwarten würde. Immerhin gelang es uns im Verlauf von acht Tagen zweimal, ansprechend zu speisen. Das Preisniveau hilft, hinter den Erwartungen zurückbleibende Resultate zu verschmerzen. Hauptgerichte schlagen mit umgerechnet vier bis acht Euro zu Buche. Überhaupt ist Tschechien aus deutscher Sicht ein ausgesprochen preiswertes Reiseland.

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Der Marktplatz von Opava. Die Städte glänzen wieder mit hübsch herausgeputzten Häusern (Foto: Werner Pohl)

Häuser, schmuck herausgeputzt und barrierefrei
Erfreulich ist für Menschen mit Mobilitätseinschränkung, dass bei der Wiederherstellung der in den Zeiten des Sozialismus arg vernachlässigten Stadtlandschaften an ihre Belange gedacht wurde. Das Einheitsgrau der siebziger und achtziger Jahre ist bunten Farben gewichen, historische Gebäude präsentieren sich schmuck restauriert und herausgeputzt, vor allem aber barrierefrei. Rampen sorgen für Zugänglichkeit, häufig finden sich abgesenkte Bordsteine, und Kopfsteinpflaster ist nun mal überall der Preis für romantische Stadtansichten. Wo an Restaurants, Kneipen, Eisdielen oder Bars eine Rampe zu sehen ist, ist meist auch mit einer nutzbaren Toilette zu rechnen. Namentlich in neu hergerichteten Häusern wird in Tschechien häufiger an dieses für Rollstuhlfahrer wahrlich wesentliche Detail gedacht als in Deutschland.

Romantisches Reiseziel mit Entwicklungspotential
Ist das ehemalige Sudetenland für Rollstuhlfahrer als Reiseziel zu empfehlen? Aus meiner Sicht überwogen die positiven Erfahrungen. Mindestens ist das Land nicht umständlicher zu bereisen als deutsche Ferienregionen, die Preise sind moderat, und Romantik-Fans können sich an einer Unzahl von gut erhaltenen Schlössern und Burgen erfreuen. Freilich steht Baufälliges und Verfallenes in den ländlichen Regionen in deutlichem Kontrast zu den unterdessen wieder schmucken Städten und herausgeputzten Sehenswürdigkeiten. Und warum ein touristisches Kleinod wie die Schmalspureisenbahn von Röwersdorf nach Hotzenplotz Station an verlassenen und verwahrlosten Bahnhöfen macht, ist schwer nachzuvollziehen. Vielleicht braucht es einfach noch ein paar Jahre, bis auch diese Lücken geschlossen sind. Aber so lange muss man nicht warten. Ein interessantes Reiseziel ist diese Region schon jetzt.

Werner Pohl

Dieser Artikel erschien im RehaTreff 04/2013 und kann hier als PDF heruntergeladen werden.Sie finden diesen Artikel interessant? Hier können Sie ein Abonnement für den RehaTreff bestellen. Das Jahresabo mit vier Ausgaben kostet 18.- € inklusive Versand und Mehrwertsteuer.

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