Darf ein Kind mit Down-Syndrom aufs Gymnasium? Der Fall eines Jungen im baden-württembergischen Walldorf hat bundesweit den ohnehin schon heftig geführten Streit um die schulische Inklusion weiter angefacht. Henri Ehrhardt will mit seinen Freunden nach der Grundschule aufs Gymnasium wechseln. Das jedoch lehnt das Gymnasium ab, und nun hat auch die benachbarte Realschule dem behinderten Jungen eine Absage erteilt. „Das kann doch nicht sein“, sagt Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages. „Dem Wunsch von Henri und seinen Eltern muss entsprochen werden. Niemand darf sich einfach wegducken.
Alle müssen mit anpacken, damit Inklusion in unserem Land Wirklichkeit werden kann.“ Von Baden-Württembergs Kultusminister Andreas Stoch fordert die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende, geistig behinderten Schülern und damit auch Henri den Besuch des Gymnasiums oder anderer Regelschulen als Modellversuch zu ermöglichen.
Dr. Theo Klauß, Bundesvorstandsmitglied der Lebenshilfe und Professor an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, weist darauf hin, dass Menschen mit geistiger Behinderung voraussichtlich an keiner Regelschule den üblichen Abschluss erreichen: „Henri zum Beispiel wird dies auch kaum auf der Real- oder Hauptschule schaffen.“ Daher sollte Inklusion nicht auf einen bestimmten Schultyp beschränkt sein. Und Henri, so Professor Klauß weiter, wäre nicht das erste Kind mit Down-Syndrom, das in Deutschland ein Gymnasium besucht – ohne Aussicht auf Abitur, aber ganz im Sinne erfolgreicher Inklusion.
Der Lebenshilfe ist wichtig, dass die Rahmenbedingungen bedarfsgerecht ausgestaltet sind. „Hierbei können Modellversuche eine gute Möglichkeit sein, Bedingungen und Konzepte gemeinsamen Unterrichts zu entwickeln, die auch den einzelnen Schulen, ihren Traditionen und Leitbildern entsprechen“, erklärt die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt. Die polarisierende Diskussion um Henri, die gegenseitigen Schuldzuweisungen und Stereotypen hält sie dagegen für wenig hilfreich.