Initiative der Drogenbeauftragten weist in die richtige Richtung

Cannabis
Hanfprodukte auf Rezept für Schmerzpatienten. Dieses Thema wird aktuell wieder heiß diskutiert.

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. unterstützt die Initiative von Marlene Mortler MdB, der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, den therapeutischen Einsatz von Substanzen aus der Hanfpflanze, den sogenannten Cannabinoiden, zu erleichtern. Sofern eine medizinische Indikation besteht, sollte eine unbürokratische Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen ermöglicht werden. „Allerdings bedarf es einer differenzierten Betrachtung und genauen Indikationsstellung sowie Qualitätssicherung der Therapie“, so Prof. Dr. Michael Schäfer, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. Denn der therapeutische Einsatz von Cannabinoiden werde derzeit aktiv in der Öffentlichkeit und von unterschiedlichen Fachgesellschaften kommentiert. Die Diskussion suggeriere, dass Cannabinoide ein wirksames Schmerzmittel seien und bisher der betroffenen Mehrheit an Schmerzpatienten und -patientinnen aus regulatorischen Gründen vorenthalten wurden. Nach derzeitigem Wissens- und Erfahrungsstand seien Cannabinoide jedoch nur bei einzelnen ausgewählten Schmerzpatienten ausreichend wirksam. In der Mehrheit der chronischen Schmerzpatienten zeigten Cannabinoide lediglich eine geringe bis mäßige Schmerzlinderung, so dass Cannabinoide anderen bisher gebräuchlichen Schmerzmitteln nicht überlegen seien.

Starke Wirkung bei spastischen Schmerzen

„Bemerkenswert ist jedoch, dass in Einzelfällen speziell ausgewählte Patienten, bei denen die gebräuchlichen Schmerzmittel versagen, von der Anwendung der Cannabinoide sehr stark profitieren“, so der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V., der mit rund 3.400 Mitgliedern größten wissenschaftlich-medizinischen Schmerzfachgesellschaft Europas. „Dies scheint insbesondere Patienten zu betreffen, deren Schmerzen eine spastische Komponente haben, wie z. B. bei der multiplen Sklerose, einer Querschnittlähmung oder Nervenverletzung. Auch manche Patienten mit neuropathischen Schmerzen bei HIV, bei denen erprobte Verfahren versagen, können in Einzelfällen eine deutliche Linderung durch Cannabinoide erfahren. Andere therapeutische Wirkungen, wie antiemetische, appetitsteigernde oder antientzündliche Wirkungen werden den Cannabinoiden zugeschrieben, jedoch liegen für diese Indikationen als auch für viele Schmerzsyndrome bisher keine qualitativ hochwertigen Studien vor“, so Schäfer.
Die vorliegenden Studien und Erfahrungsberichte zeigten deutlich, dass Cannabinoide einerseits in vielen Fällen nur sehr schwach schmerzlindernd wirksam sind, andererseits für einzelne ausgewählte Patienten durchaus hilfreich sein können. Diesen Patienten sollte daher eine Möglichkeit eröffnet werden, nach Versagen empfohlener Therapieverfahren einen individuellen Therapieversuch zu unternehmen. Sollte dieser erfolgreich sein, sollte die Gabe eines Cannabinoids in Absprache mit dem Patienten unter Berücksichtigung seiner Begleiterkrankungen, möglicher Kontraindikationen, der Patientenpräferenzen und dem Wirkungs-Nebenwirkungsprofil der jeweiligen Substanz erwogen werden, fordert die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V.
Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. befürwortet daher im Einzelfall eine Behandlung mit Cannabinoiden in Betracht zu ziehen, empfiehlt aber, die Indikationskriterien weiterhin empirisch zu untermauern. Insbesondere sieht es die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. als dringend notwendig an, wie bei allen anderen schmerztherapeutischen Verfahren auch, ein solches Therapieverfahren immer im Kontext einer multimodalen Schmerztherapie und nicht als isoliertes Therapieverfahren anzuwenden. Wenn in diesem Sinne eine medizinische Indikation besteht, sollte der therapeutische Einsatz von Cannabinoiden und die Übernahme der Kosten durch die Krankenkassen entsprechend der Initiative der Bundesdrogenbeauftragen Marlene Mortler ermöglicht werden.

Nebenwirkungen beachten

Die Anwendung sollte durch eine obligate Erfassung und Analyse der Effektivität und unerwünschter Wirkungen begleitet werden, hierfür bietet das Schmerzregisterprojekt „KEDOQ“ der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. ideale Voraussetzungen. Die Deutsche Schmerzgesellschaft e. V. spricht sich weiterhin für die Durchführung methodisch hochwertiger Studien zur medizinischen Anwendung von Cannabinoiden in der Schmerzmedizin aus.
Unter einer Therapie mit Cannabinoiden kann es zum Auftreten von gering ausgeprägten zentralen Nebenwirkungen kommen, wie z. B. Übelkeit, Müdigkeit, Schwindel, kognitive Beeinträchtigungen und Stimmungsschwankungen. Die bisherigen Studien beziehen sich auf kurze Behandlungszeiträume von wenigen Wochen bis Monaten, die besonderen Risiken einer Langzeitbehandlung sind weitestgehend unklar. Grundsätzlich ist aber für die Langzeiteinnahme und insbesondere bei Jugendlichen von einem Abhängigkeitspotential auszugehen und es kann in Einzelfällen zur Ausbildung von Angststörungen und Psychosen kommen.
Ein Themenheft, das den aktuellen Wissensstand und klinische Handlungsempfehlungen darstellt, wird Anfang 2016 in der medizinischen Fachzeitschrift „Der Schmerz“ erscheinen.
Lesen Sie ein ausführliches Interview mit dem Präsidenten der Deutschen Schmerzgesellschaft e. V. in der aktuellen Ausgabe der Ärztezeitung unter www.aerztezeitung.de

 

Weitere Artikel

Letzte Beiträge