Am vergangenen Freitag endete eine Ära. Die beiden langjährigen Geschäftsführer der Individualhilfe Heidelberg, Inge Sanwald-Kluge und Wolfgang Rathke, übergaben „das Steuer“ an die neuen Geschäftsführerinnen, Michaela Schadeck und Stella Vögele. Hauptanliegen des Pflegedienstes ist seit jeher, Menschen mit körperlicher Behinderung durch persönliche Assistenz ein selbstbestimmtes Leben nach individuellen Vorstellungen in der gewünschten Umgebung zu ermöglichen. Viele Freunde, Wegbegleiter und Geschäftspartner überbrachten ihre Glückwünsche und blickten nicht ohne Stolz gemeinsam auf die letzten 35 Jahre zurück. Der Heidelberger Dirigent und Liedermacher Bernhard Bentgens führte musikalisch durchs Programm.
Was ganz klein begann, ist mittlerweile ein mittelständisches Unternehmen. Die Ursprünge der Individualhilfe reichen bis ins Jahr 1981 zurück. Damals wurde der Betreuungsverband für den Zivildienst in Bonn geschlossen. Dadurch saßen einige Menschen mit Behinderung, die auf umfangreiche Hilfeleistungen angewiesen waren, sprichwörtlich im Regen und waren gezwungen, etwas zu tun.
Sie gründeten deshalb 1981 den gemeinnützigen Verein „Individualhilfe für Schwerbehinderte e.V.“ (IS), der die benötigten Dienstleistungen mit Zivildienstleistenden zur Verfügung stellte. Dies war nur möglich dank der Einrichtung einer Zivildienststelle für die Individuelle Schwerbehindertenbetreuung durch das Paritätische Bildungswerk e.V. in Frankfurt. Unter den Gründern des Vereins war auch Wolfgang Rathke. Schon wenig später wurde Inge Sanwald-Kluge als Sozialarbeiterin eingestellt und baute die Zivildienststelle des Paritätischen Bildungswerks e.V. in Zusammenarbeit mit der Individualhilfe e.V. in Heidelberg auf.
Selbsthilfeverein und Pflegedienst in einem
Am 04. Juli 1991 gründeten die Individualhilfe e.V. und das Paritätische Bildungswerk e.V. die gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung „Individualhilfe Ambulanter Dienst“ und rekrutierte darüber ihre Assistenten. Zusätzlich zu den Zivildienstleistenden wurden jetzt auch andere Assistentinnen und Assistenten beschäftigt. Inge Sanwald-Kluge und Wolfgang Rathke übernahmen die Geschäftsführung der gemeinnützigen GmbH.
2009 wurde die ebenfalls gelernte Sozialarbeiterin Michaela Schadeck, die sich einige Jahre beim Beirat von Menschen mit Behinderung (bmb) in Heidelberg engagierte, beim Ambulanten Dienst angestellt. 2011 folgte Stella Vögele, die während ihres Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ) mit der Individuellen Schwerbehinderten-Assistenz in Berührung kam. In der Abschlussarbeit ihres Studiums der Pflegewissenschaften beschäftigte sie sich intensiv mit persönlicher Assistenz und der Möglichkeit des selbstbestimmten Lebens für Menschen mit zum Teil umfangreichsten Hilfsbedarf im Alltag. Michaela Schadeck und Stella Vögele wurden am 01.03.2016 von der Gesellschafterversammlung zu Geschäftsführerinnen berufen.
Ein gut aufgestellter Pflegedienst
Sehr gut eingearbeitet tragen sie künftig die Verantwortung. Sie übernehmen ein von Inge Sanwald-Kluge und Wolfgang Rathke sehr gut bestelltes Feld. Immer wieder wurden diese mit neuen Herausforderungen und Gesetzeslagen in der Pflege konfrontiert. Die beiden gelernten Sozialarbeiter erhielten 2008 für ihr unermüdliches Engagement für die Selbstbestimmung schwerbehinderter Menschen das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Die Individualhilfe kombiniert die Selbstbestimmung von schwerbehinderten Menschen mit den Leistungen eines professionellen Pflegedienstes. Das Modell funktioniert folgendermaßen: einerseits können körperlich eingeschränkte Menschen ihren Alltag nach eigenen Vorstellungen gestalten und leiten ihre Assistenten selbst an. Daher setzt die Individualhilfe keine ausgebildeten Fachpflegekräfte ein, sondern Pflegehilfskräfte, vor allem Studentinnen und Studenten. Andererseits bietet die Individualhilfe Entlastung von lästigen Verwaltungsaufgaben. Der Clou dabei ist, dass die „Organisation Individualhilfe“ einerseits aus dem Verein Individualhilfe für Schwerbehinderte e.V. und zum anderen aus ihrem ambulanten Dienst besteht. Kunden können gleichzeitig Mitglieder im Verein werden. Da dieser als Mehrheitsgesellschafter des ambulanten Dienstes fungiert, haben die Mitglieder ein großes Mitspracherecht bei der Ausgestaltung des Dienstes.
Marcel Renz