3D-Druck in der Medizintechnik

Die Bundesregierung sieht großes Potenzial im Einsatz von 3D-Druck in der Medizintechnik – insbesondere für patientenindividuelle Sonderanfertigungen von Prothesen oder Orthesen. Das geht aus der Antwort auf die kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion „Prothesen aus dem 3D-Drucker für Menschen mit Behinderungen“ hervor. Trotzdem wird der industrielle 3D-Druck bisher noch nicht großflächig in der Medizintechnik eingesetzt. Die Regierung begründet das damit, dass die additive Fertigung noch nicht die Anforderungen für notwendige Zertifizierungen erfülle und noch Forschungsbedarf in der Materialfrage bestünde. Damit unterschätze sie den Entwicklungsstand des 3D-Drucks in der Medizintechnik, so das Münchener Medizintechnikunternehmen Mecuris.

„Grundsätzlich sehen wir die Einschätzung der Regierung positiv“, sagt Peter Fröhlingsdorf, CEO bei Mecuris. „Es ist ein wichtiges Signal, dass die Bundesregierung das Potenzial des 3D-Drucks für die Medizintechnik erkannt hat und die Forschung fördert.“ Aus Sicht des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) bedarf es jedoch noch weiterer Studien und Entwicklung in additiven Fertigungsverfahren, da der 3D-Druck häufig technisch noch nicht für die Herstellung von Medizinprodukten geeignet sei. „Diesen Aussagen zum Status Quo der Entwicklungen und Forschung im Bereich 3D-Druck müssen wir klar widersprechen. Der 3D-Druck ist längst in der Medizintechnik-Branche angekommen“, betont Fröhlingsdorf. Tatsächlich produzieren spezialisierte Unternehmen wie Mecuris schon seit Jahren im 3D-Druckverfahren Prothesen und Orthesen, die nicht nur die Lebensqualität der Träger verbessern, sondern auch höchsten Qualitätsstandards und Zertifizierungsnormen entsprechen. Das gilt in besonderem Maße für die Kinder- und Jugendversorgung. Die Mecuris-Prothesenfüße etwa sind CE-gekennzeichnet und ISO-zertifiziert. „In diesem Bereich scheint die Regierung nicht ausreichend informiert zu sein“, kritisiert Manuel Opitz, Gründer und COO von Mecuris.

Als weiterer Schwachpunkt wird von Seiten der Bundesregierung vor allem die Materialauswahl angeführt, die für die Fertigung bislang nur begrenzt zur Verfügung stünde. Kommen Menschen mit den Materialien direkt in Berührung, müsse eine Biokompatibilität nachgewiesen werden. Nach Aussage des Bundesgesundheitsministeriums (BGM) fehle es hier noch an Forschungsergebnissen. „Der Nachweis der Biokompatibilität wird grundsätzlich durch den Hersteller der Kunststoffe erbracht“, erklärt Opitz weiter. „Mecuris setzt in diesem Fall stark auf PA 12, ein pulverförmiges Polyamid, das aufgrund seiner guten Hautverträglichkeit sogar in Kosmetika eingesetzt wird.“

Eine weitere Hürde für die zeitnahe Integration des 3D-Drucks in die medizinische Versorgung sieht die Bundesregierung in der neuen europaweiten Medizinprodukte-Verordnung 2017/745 (MDR), die ab dem 26. Mai 2020 gilt. Die neue Regelung erhöhe die Anforderungen an Sonderanfertigungen, zu denen die meisten 3D-gedruckten Medizinprodukte zählen. In der Folge gäbe es keine erleichterten Konformitätsbewertungsverfahren mehr und es werde schwieriger, die notwendige Zertifizierung der Produkte zu erlangen. Mecuris zeigt sich allerdings auch in diesem Zusammenhang zuversichtlich: „Wir stehen in stetigem Austausch mit Zertifizierungs-Partnern wie dem TÜV Süd und arbeiten eng mit EOS, dem Weltmarktführer im industriellen 3D-Druck, zusammen. Auf diese Weise können wir unseren Kunden bereits eine maximal optimierte Prozesskette bieten und erfüllen alle Anforderungen, die deutlich über einzelne Sonderanfertigungen hinausgehen. Deshalb sehen wir der MDR gelassen entgegen“, versichert Manuel Opitz.

Positiv bewertet Mecuris, dass das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) aufgefordert hat, im Jahr 2020 eine Veranstaltung mit dem Arbeitstitel „Medizinprodukte aus dem 3D-Drucker – Chancen und Herausforderungen“ zu planen. „Das ist ein wichtiger Schritt und unterstützt auch unser Ziel, es Orthopädietechnikern zu ermöglichen, eine echte, patientenindividuelle Alternative zur ‚Versorgung von der Stange‘ zu bieten“, so Peter Fröhlingsdorf abschließend. „Wir sind gespannt auf das Ergebnis und freuen uns auf weitere Entwicklungen im Bereich 3D-Druck in der Medizintechnik im neuen Jahr.“

Den vollständigen Text der kleinen Anfrage „Prothesen aus dem 3D-Drucker für Menschen mit Behinderungen“ finden Sie hier.

Die vollständige Antwort der Bundesregierung finden Sie hier.

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