Was für ein Tag im winterlichen Alpin Center in Rosa Khutor: Andrea Rothfuss hat im Slalom in der Klasse der Stehenden ihre erste paralympische Goldmedaille geholt – und ein weiteres Mal Gold in der Klasse der Sitzenden hat das deutsche Alpin-Team bereits sicher. Allerdings wurde die große Freude über das tolle Abschneiden getrübt. Denn noch ist unklar, ob Anna-Lena Forster bei ihrer Paralympics-Premiere den Sprung ganz nach oben aufs Treppchen schafft oder möglicherweise doch Anna Schaffelhuber. Die zweifache Goldmedaillen-Gewinnerin war im ersten Durchgang die Schnellste, wurde dann aber nach einem Protest des österreichischem Teams bezüglich ihrer Starttechnik disqualifiziert. Das deutsche Team erhob wiederum Einspruch gegen diesen Protest und erwirkte einen Start unter Vorbehalt, so dass Schaffelhuber ohne Bekanntgabe der gefahrenen Zeit vor dem Teilnehmerfeld doch noch zum zweiten Lauf antreten durfte.
Auslöser des Protests war eine mögliche unerlaubte Bewegung der Krückenskier. „Meiner Meinung nach habe ich mich absolut regelkonform verhalten“, betonte Schaffelhuber und Bundestrainer Justus Wolf ergänzte: „Ich sehe nicht, dass wir uns mit der unterstellten Aktion irgendeinen Vorteil verschafft haben. Daher empfinde ich den Protest als unsportlich und absolut unverständlich. Es ist schade, dass es auf Kosten des Sports geht.“ Klarheit soll es nach einer Anhörung beim Internationalen Paralympischen Komitee am Donnerstag um 11 Uhr Ortszeit geben. „Ich hoffe, dass im Sinne des Sports entschieden wird“, sagte Schaffelhuber, für die der Wettkampf zu einer besonderen nervlichen Belastungsprobe wurde.
Getrübt war die Freude daher auch bei Anna-Lena Forster, die die Entscheidung am Donnerstag noch abwarten muss, ehe sie weiß, ob sie Gold oder Silber bejubeln darf. „Über die Medaille bin ich natürlich sehr glücklich, aber es hat leider einen bitteren Beigeschmack. Es war ein schwieriger Tag, ich habe mit Anna mitgefühlt“, erklärte die 18-Jährige. Dabei legte Forster, die im ersten Durchgang hinter Schaffelhuber die zweitschnellste Zeit fuhr, bei erneut komplizierten Pistenverhältnissen zwei starke Läufe hin und zeigte sich nervenstark. So hielt sie auch dem großen Druck stand, als letzte Fahrerin zu starten. „Das Rennen hat sich eigentlich nicht gut angefühlt. Ich war selber sehr erstaunt, als die ,Eins‘ auf der Anzeigetafel aufgetaucht ist“, sagte das Küken des Alpin-Teams, das von der Egidius-Braun-Stiftung und der Stiftung Deutsche Sporthilfe gefördert wird.
Den Traum erfüllt hat sich ein alter Hase. Andrea Rothfuss ergatterte bei ihren dritten Paralympics nach Turin 2006 und Vancouver 2010 ihre erste Goldmedaille. „Die Hymne, die deutsche Fahne und die Goldmedaille – endlich habe ich es geschafft“, freute sich die 24-Jährige. Nach ihren enttäuschenden Ausfällen in der Abfahrt und im Super-G gelang Rothfuss ausgerechnet im Slalom der ersehnte Erfolg. „Das ist eigentlich meine schwächste Disziplin. Aber ich habe zwei gute, solide Läufe heruntergebracht“, so die Loßburgerin, die die Konkurrenz deutlich distanzierte. Allerdings bedauerte sie den Ausfall der favorisierten Französin Marie Bochet. „Ich hätte sie noch lieber sportlich besiegt, aber dazu habe ich in der Super Kombination und im Riesenslalom ja noch die Chance“, betonte Rothfuss.
Wie auch ihre Teamkolleginnen wird sie gespannt auf das Ergebnis der sitzenden Klasse nach der Anhörung am Donnerstag warten. Für den Chef de Mission des deutschen Teams, Karl Quade, wäre eine endgültige Disqualifikation von Anna Schaffelhuber nicht nachvollziehbar. „Nach unserer Ansicht liegt nach der Auswertung der Videobilder, die uns von der ARD zur Verfügung gestellt wurden, kein Regelverstoß vor.“ Schaffelhuber: „Es ist wichtig, dass bald Klarheit herrscht – sowohl für Anna-Lena und mich als auch für Laurie Stephens auf Platz drei.“ Medaillen wurden am Mittwoch in der Klasse der Sitzenden entsprechend keine vergeben. Wann die Siegerehrung nachgeholt wird, steht noch nicht fest.
Bei den Sprint-Entscheidungen bleiben DBS-Starter ohne deutsche Medaillen
Im weißen Flockenwirbel des Laura Cross Country Langlaufstadions von Sotschi blieb das Team Ski Nordisch am Mittwoch ohne Medaille. Für eine knappe Stunde schien es, als dürfe sich Andrea Eskau über eine zweite Medaille bei den Paralympics in Sotschi freuen. Doch ein Protest der russischen Mannschaft brachte die 42-jährige vom USC Magdeburg in der Klasse der Sitzskifahrerinnen um das zweite paralympische Edelmetall bei den Winterspielen. In einem an Spannung und Dramatik nicht zu überbietenden Finale sicherte sich die Norwegerin Mariann Marthinsen mit dem Vorsprung eines Wimpernschlags von 0,1 Sekunden die Goldmedaille. Um eine Skispitze zurück, durfte sich Tatyana Mc Fadden (USA) über Silber freuen. Und dahinter hatte sich Andrea Eskau mit einem fulminanten Zielsprint die Bronzemedaille erkämpft. Aber eben nur für einen kurzen Moment, bis die russische Teamleitung Protest gegen die deutsche Konkurrentin einlegte.
Und nach Sichtung der TV-Bilder und der Anhörung der Athletinnen sowie der Teamleitung beider Nationen wurde dem Einspruch durch die Jury stattgegeben. „Ich weiß, dass ich sie behindert habe und dies ist nicht fair, man muss mit eigener Kraft gewinnen. Mit dem Ehrgeiz vorne zu sein, habe ich in der Kurve den Arm herausgestreckt. Wir brauchen doch keinen Sport machen, wenn wir den anderen behindern. Das ist doch Sch….. Eine Einstellung, mit der Andrea Eskau die „Fair-Play-Medaille“ gebührt. Sie hat zwar eine Medaille abgeben müssen, aber verdient sich dafür höchsten Respekt. Die Entscheidung der Jury erfolgte aus technischen Gründen, „weil sie nicht unsportlich gehandelt hat“. Es war dies somit keine Disqualfikation, sondern nur eine Rückstufung auf Rang sechs. Eine Entscheidung, „mit der ich gut leben kann, weil es so war“, ergänzte ein gefasster Bundestrainer Ralf Rombach. Andrea Wicker (MTV) Stuttgart kam im Prolog zum Sprintwettbewerb der gleichen Klasse nicht über Rang 15 hinaus. „Ich hatte Probleme die Spur zu halten, bin die ganze Zeit ins Rutschen gekommen. Bei diesen Bedingungen hat man mit einer größeren Behinderung Probleme sauber zu laufen“, sagte die keinesfalls enttäuschte Biathlon-Goldmedaillengewinnerin nach dem Rennen.
Mit Rang 10 im Prolog hatte sich der Gundelfinger Martin Fleig ins Halbfinale vorgekämpft. Doch dort war dann Schluss für den Sitzskifahrer aus dem Schwarzwald, „weil ich gegen die starke Konkurrenz einfach noch nicht Schritt halten kann und hier noch an mir arbeiten muss“. Ebenfalls die Vorschlussrunde erreicht hatte Vivian Hösch in der Klasse der Blinden und Sehbehinderten. Im Halbfinale war dann auch für die Teamgefährtin aus dem Freiburger RIG-Team Endstation. „Mit dem Prolog war ich nicht so zufrieden. Im Halbfinale lief es viel besser, hier konnte ich einige Kräfte mobilisieren. Es hat nicht gereicht zum Weiterkommen, aber die anderen waren da einfach besser“, resümierte die Verwaltungsangestellte der Stadt Freiburg. Und in ihrer Einschätzung bestätigt wurden Fleig und Hösch auch von Bundestrainer Rombach, „denn die beiden haben sich gut verkauft. Mehr in Richtung Medaillenränge ist derzeit einfach bei den jungen Athleten noch nicht drin“.