Andrea Rothfuss gehört zu den alten Hasen im Deutschen Paralympics Skiteam. Mit 24 Jahren ist die Loßburgerin (Schwarzwald) schon eine der Dienstältesten der Mannschaft von Bundestrainer Justus Wolf. Schließlich wird Rothfuss, der seit der Geburt die linke Hand fehlt, in Sotschi nach Turin und Vancouver bereits zum dritten Mal bei den Paralympics an den Start gehen. „Aufregung verspüre ich trotzdem, auch wenn ich die Spiele schon zweimal miterleben durfte“, sagt die Einstockfahrerin vom VSG Mitteltal. Vielleicht profitiere sie davon, dass sie die Abläufe bei einem solchen Großereignis schon kenne und sich entsprechend besser auf das Rennen fokussieren könne. „Andererseits saugt man die vielen Eindrücke gerne auf. Die Spiele sind einfach etwas Besonderes“, erklärt Rothfuss.
2006 übertraf das selbsternannte „Schwarzwaldmädel“, das in Innsbruck Soziologie studiert, bei ihrer Premiere mit Silber im Riesenslalom alle Erwartungen. Vier Jahre später ließ sie in Kanada zweimal Silber (Riesenslalom, Slalom) und zweimal Bronze (Super-G, Abfahrt) folgen. Da liegt das Ziel für Sotschi klar auf der Hand: „Gold fehlt mir noch in meiner Sammlung.“ Oben auf dem Treppchen stehen, die Medaille um den Hals und mit Blick auf die gehisste schwarz-rot-goldene Fahne die Hymne hören – „das ist der Moment, den ich unbedingt erleben möchte, auf den ich jahrelang hinarbeite“.
Hat Rothfuss ihre bisherigen Paralympics-Teilnahmen als „Riesenerlebnis“ genossen, stehen jetzt die angestrebten Erfolge im Vordergrund. „Mit dem Druck kann ich gut umgehen. Denn ich weiß selber, was ich erreichen möchte“, betont die 24-Jährige. Die Form stimme in diesem Winter, das Gefühl sei richtig gut. Auch in Sotschi sei sie beim Weltcup in der vergangenen Saison gut klargekommen. „Ich kenne die Örtlichkeiten, die Strecke und auch ihre Tücken. Das gibt Sicherheit.“
Bei aller sportlichen Vorfreude sind ihre Gedanken an Sotschi zwiegespalten. „Der Umgang mit den Menschenrechten und die Behandlung der Arbeiter – als Sportlerin betrifft es mich zwar weniger, aber als Mensch löst es schon etwas in mir aus“, sagt Rothfuss, die sich fragt: „Muss es immer höher, weiter und schneller sein? Sind die Spiele es wirklich wert, das Menschen darunter leiden müssen?“ Bei Olympia und den Paralympics gehe es um den Sport und das Miteinander der Nationen – und nicht um Kommerz und Politik.
Ab dem 4. März, wenn der Flieger das deutsche Team von Frankfurt nach Sotschi bringt, rücken diese Gedanken aber in den Hintergrund. „Schließlich bin ich in erster Linie eine Sportlerin, die vier Jahre trainiert hat, um ihr Können zu zeigen und Erfolge einzufahren.“ Und damit das ersehnte paralympische Gold zu holen. So wie ihr Idol, die dreifache Olympiasiegerin Katja Seizinger. „Ich habe mir ihre Weltcup-Rennen früher im Fernsehen angeschaut, wollte auch immer diesen Zebra-Rennanzug und fand ihre gebogenen Stöcke cool“, erzählt Rothfuss.
Mit sechs Jahren, im Winter 1995, hat die Loßburgerin ihren ersten Skikurs absolviert. „Ein paar Jahre später“, erinnert sich Rothfuss, „bin ich aus dem Lift gefallen, habe mich mit meinem Skistock abgestützt und hatte endlich auch meinen gebogenen Stock“, schmunzelt sie. Bergab ging es seitdem nur noch bei der Medaillenjagd auf der Piste, so dass die 24-Jährige in Sotschi in der Klasse der Stehenden zu den Favoriten zählt. „Meine größte Konkurrentin kommt aus Frankreich“, berichtet Andrea Rothfuss, die dennoch auf dem Treppchen ganz nach oben will.
Und sie verbindet mit den Paralympics ein weiteres Ziel. „Es wäre wünschenswert, den Stellenwert des Behindertensports im Zuge dieser Spiele weiter anzuheben und unsere Leistungen noch mehr anzuerkennen“, sagt Rothfuss, die neben ihrem Studium zahlreiche Stunden pro Woche beim Training verbringt. „Das ist Leistungssport – aber wegen des Geldes macht es bei uns keiner.“ Der Lohn für einen Weltcup-Sieg? Ein Händedruck…