Denise mit Hund Max
Sie warnen vor Unterzuckerung, bringen Unterarmstützen und führen sicher durchs Verkehrsgetümmel: Assistenzhunde sind für viele Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen unersetzlich. Trotzdem gibt es keinerlei gesetzliche Grundlage für die Ausbildung, Haltung und Finanzierung der Helfer auf vier Pfoten. Nun kommt endlich Bewegung in die Sache: Der Verein Hunde für Handicaps e. V. hat gemeinsam mit drei anderen Vereinen – dem Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband, Pfotenpiloten und Vita – ein Eckpunktepapier erarbeitet. Darin wird unter Berufung auf die UN-Behindertenrechtskonvention ein Gesetz gefordert, das den Einsatz von Assistenzhunden regelt.
Sechsundzwanzig weitere Verbände, die die Interessen behinderter Menschen vertreten, sowie die Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie (GTVMT), haben das Eckpunktepapier unterzeichnet. „Wir freuen uns sehr über diesen erfolgreichen Schulterschluss mit unseren Mitstreitern“, sagt Sabine Häcker, Vorsitzende von Hunde für Handicaps und Trägerin des Bundesverdienstkreuzes. „Die Tatsache, dass so viele große Verbände unsere Forderungen mittragen, verleiht ihnen noch mehr Gewicht.“
Das Eckpunktepapier ist nun den zuständigen Politikern übergeben worden: dem Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, sowie dem Bundesminister für Gesundheit, Jens Spahn. Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange für Menschen mit Behinderung, Jürgen Dusel, und die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten, Prof. Dr. Claudia Schmidtke, sowie die behindertenpolitischen Sprecher der Fraktionen haben das Dokument erhalten.
Für die Umsetzung einer gesetzlichen Regelung hatten sich in ihren Funktionen als Bundestagsabgeordnete bereits Anette Kramme, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Arbeit und Soziales, und Kerstin Tack, Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, eingesetzt. Bei einer Veranstaltung im Bundestag im Mai hatte Kramme den Verein Hunde für Handicaps eingeladen, um den Nutzen von Assistenzhunden als medizinische Hilfsmittel und tierische Assistenten zu demonstrieren. Als Fazit der Veranstaltung hatte Kramme gesagt, ein Gesetz sei notwendig, um endlich die notwendigen Standards und Definitionen zum Wohl von Mensch und Tier festzulegen.
„Wir hoffen, dass diese Veranstaltung und nun unser Eckpunktepapier den Weg für die Verabschiedung eines Assistenzhundgesetzes noch in dieser Legislaturperiode ebnen“, sagt Häcker. „Die UN-Behindertenrechtskonvention, die bereits seit zehn Jahren in Deutschland bindend ist, sieht in Artikel 20 vor, dass die Vertragsstaaten Maßnahmen ergreifen, die den Zugang zu tierischer Assistenz zu erschwinglichen Kosten sicherstellen.“ Die politischen Entscheidungsträger im Bund und den Ländern sind daher aufgerufen, schnellstmöglich Regelungen zu schaffen, die die Ausbildung, den Einsatz und die Finanzierung von Assistenzhunden sicherstellen und die diskriminierungsfreie Nutzung der tierischen Assistenz gewährleisten.
Die Unterzeichnenden fordern, dass der Begriff „Assistenzhund“ endlich mit bundesweit einheitlichen Qualitätsstandards und einer verbindlichen Zertifizierung definiert wird. Außerdem sollen Zugangs- und Mitnahmerechte zu öffentlichen Einrichtungen verbindlich geregelt werden. Ein wichtiger Punkt ist auch die Finanzierung von Ausbildung und Haltung der Hunde, die öffentliche Kostenträger bislang nicht unterstützen. Nicht zuletzt fordern die Unterzeichner, Assistenzhundhalter und ihre Interessenvertreter bei der Entwicklung der gesetzlichen Regelungen einzubinden.
Wir von der Online-Redaktion haben auch mit Betroffenen Kontakt aufgenommen, die dringend auf die Umsetzung einer gesetzlichen Regelung warten. So auch mit der 22 Jahre alten Denise, die aufgrund Spinaler Muskelatrophie im Rollstuhl sitzt. Sie ist in allen Lebenslagen auf Unterstützung angewiesen und benötigt einen Assistenzhund, der Gegenstände bringen, Schubladen öffnen und Laut geben kann, wenn sie Hilfe braucht. Aufgrund fehlender Unterstützung von der Krankenkasse hat sie bis vor kurzem versucht die Ausbildung ihres Hundes Max selbst zu stemmen. Durch eine drastische Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes ist dies nun nicht mehr möglich und eine Fremdausbildung unumgänglich. Doch was tun, wenn die Kosten von 20.000 Euro die eigenen Möglichkeiten übersteigen und es keine gesetzlichen Regelungen gibt, die den Assistenzhund zum „Hilfsmittel“ machen? Denise hat ihre Situation öffentlich gemacht und berichtet bei Instagram (@zufussball) von ihrem Kampf für den größtmöglichen Erhalt ihrer Eigenständigkeit. Ihre Familie unterstützt sie und hat zudem bei „gofundme“ eine Kampagne gestartet. Für Denise wäre ein Assistenzhundgesetz eine große Entlastung und die Chance auf mehr Teilhabe in allen Lebenslagen.